Auch wenn es mit der Sonne aktuell eher schwierig wird, gibt es stattdessen überall die schönsten Lichter und ganz viel Cozyness. Wir runden die letzten Tage des Jahres 2023 ab, und zwar mit 9 wunderbaren Releases aus NRW. Und darunter finden sich, wie ihr es gewohnt seid, die unterschiedlichsten Genres sowie Durchstarter:innen und die ganz großen Acts gleichermaßen. Lasst alle 11 Ausgaben von „Musik von hier“ Revue passieren und schreibt uns unbedingt eure Lieblinge! Bis 2024!
No Comply – Slightly Off
3 Songs, 3 Hits – natürlich ist die erste EP „Slightly Off“ von No Comply, einem befreundeten Quartett aus Oberhausen und Duisburg, mit 9 Minuten knackig kurz. Dafür sind die aber durchweg spaßig und gehen ohne Kompromisse sofort in den Gehörgang, sodass man gewählt ist, Repeat zu drücken. Schon der Opener „Parents Out Of Town“ klingt nach old-schooligem Skate-Punkrock, wie man ihn von Green Day oder Sum41 kennt und liebt. Richtig starkes Niveau im Songwriting, aber auch in der Produktion. Das hätte man 2005 so auch in den US-Charts wiedergefunden. In dem zugehörigen Video gibt’s eine ebenso retroartige Poolparty mit Highschool-Charme. Beim „Rock gegen Rechts“-Bandcontest gab es diesen Sommer den ersten Platz, die richtige politische Einstellung haben die Jungs also on top. Lieben wir alles, wollen wir ganz schnell mehr von. Bereits veröffentlicht
Jewls – There Is No Sunset
Leider ist der Titel von Jewls´ Album „There Is No Sunset“ gegenwärtig Programm. Sonne, wir vermissen dich jetzt schon! Doch bis zum Frühjahr kann man den 9 Tracks umfassenden Longplayer als stimmige Untermalung für den Winterblues nutzen. Der melancholische, aber keinesfalls zu erdrückende Dream-Pop mit vielen Electro-Effects verzaubert, bringt einen an andere Orte und macht sehr viel richtig. Düster, dann erleuchtend. Haunting, dann aber kuschelig und umarmend. Die junge Künstlerin aus Köln möchte auf ihrem Debüt zeigen, dass ein Sonnenuntergang nicht nur kitschig-schön ist, sondern eben auch trügen kann. Jewls fordert auf, sich mit sich selbst zu beschäftigen, sich zu hinterfragen – und auch mit dem Unerwarteten zu rechnen. So überrascht besonders das abrupte Ende im Titeltrack, aber auch der vielschichtige Breakbeat in „Loved“ oder das rhythmische „Ain’t About Me“. Bereits veröffentlicht
Donots x The Dead End Kids x Get Jealous x Adam Angst – Amnesty Now
Die Donots sind in den nächsten Wochen weiterhin auf „Heut ist ein guter Tag“-Tour. Das allein ist schon schön. Aber es wird noch besser: Als Supports spielen je nach Stadt The Dead End Kids, Get Jealous und Adam Angst. Und es wird noch besser: Auf jedem Konzert könnt ihr die strenglimitierte „Amnesty now!“-EP auf Vinyl bekommen, deren gesamter Erlös an Amnesty International geht. Darauf findet ihr von jeder Band einen Track, den es exklusiv auf der EP zu hören gibt. Auch nix mit Stream oder so. Die Donots liefern den Track „Scheißmatratze“ in live, genauso gibt es von The Dead End Kids vorab den Song „Verliebt“ als Live Version aus 2022. Dreht ihr die Platte um, machen euch Get Jealous mit „Shania“ und Adam Angst mit „Guter Tag“ glücklich, der es knapp nicht auf das neue Album „Twist“ schaffte. Gute Idee, gute Leute. NRW-Termine: 1.12. Dortmund, 6.12. Bielefeld. Bereits veröffentlicht
Solaja – Butterfly
Bei Klassik gibt es oftmals zwei Kategorien: Schon viel zu oft gehört und abgedroschen oder kaum greifbar, weil doch arg artsy. Solaja finden aber eine ganz vorzügliche Mitte. Das Duo bestehet aus Sol Jang, einer in Südkorea geborenen, sehr gefragten Pianistin, und der aus Wuppertal kommenden, gerade aufstrebenden Violinistin Maja Prill. Beide präsentieren in ihren drei Kompositionen auf der Debüt-EP „Butterfly“ wunderbare Klangwelten, in denen Themen stets klar erkennbar bleiben und mit lieblichen Melodien wie eine Honigmilch fürs Ohr wirken, anderseits aber dann doch atonal brechen. Wie schön Sperrigkeit und Zugänglichkeit beieinanderliegen, beweist „Cocoon“, das alles andere als durchschaubar ist, auch wenn es erst den Anschein macht. Der Opener „Tropp“ hat etwas von einem Schneeflug – behaltet das doch mal für die nächsten Wochen im Hinterkopf, setzt euch ans Fenster, wenn es draußen weiß wird und legt bei einem Tee eine achtsame Viertelstunde ein! Bereits veröffentlicht
Casper – nur liebe, immer.
Muss man noch was zu ihm sagen? Gut. Casper, vor Kurzem 41 geworden, legt sein sechstes Studioalbum vor. Noch nie mussten Fans so kurz warten, nicht einmal zwei Jahre sind seit „Alles war schön und nichts tat weh“ vergangen. Abermals präsentiert der in Lemgo geborene Rapper mit der unverkennbaren Stimme eine andere Seite. „nur liebe, immer.“ geht eine gute halbe Stunde, ist sehr lean back, poppig in den Melodien, beatlastig im Instrumental. Es wird selten laut, selten entsteht Abrissatmosphäre, dafür mehr Retro-Hip-Hop. Garniert mit Mitsinghooks für lange Festivalsommer, zu denen sich mit geschlossenen Augen die Arme nach oben reißen lassen („sowas von da (hellwach)“). Außerdem überrascht der Publikumsliebling in „sommer“ mit einem besonderen Feature, nämlich mit Cro. So elektronisch-clubbig wie „falsche zeit, falscher ort“ war der Casper-Sound wohl auch noch nie. Immer mal was Neues. VÖ: 24.11.
Hyperlilly – Realm of OK
Indie-Pop trifft auf Alternative Rock – Hyperlilly klingen ein wenig wie Coldplay, als die noch gute Musik gemacht haben. Das Quartett kommt aus Düsseldorf, bringt aber ein eher Los Angeles-Flair mit. Die 6 Tracks auf der Debüt-EP „Realm of OK“ strotzen den typischen Spotify-Trends. Da gibt es im ersten Lied „Gloom“ einfach mal rund anderthalb Minuten eine rein instrumentale Atmo, um den Vibe zu verstehen und zu spüren. Anschließend wird 20 Minuten lang zwischen rockigeren („Flay“) und softeren Tönen („White Noise“) geswitcht. Der Gesang von Moritz Mewes geht dabei nie zu aufdringlich nach vorn, sondern steht als eine Komponente neben Gitarrenriffs, Synthie-Spielereien und Drums. Unaufgeregt, aber nicht langweilig. Wir warten dann mal auf den stimmigen Einsatz in der nächsten Coming-of-Age-Netflix-Serie. Musik für winterliche Nachtfahrten mit der neuen Liebe auf dem Beifahrersitz. VÖ: 24.11.
Sounds of New Soma – Fluxus 2071
Das Dutzend haben sie nun voll. „Fluxus 2071“ ist bereits das zwölfte Album von Alex Djelassi und Dirk Raupach, besser bekannt als Sounds of New Soma. Das umtriebige, kreative Duo aus Krefeld zeigt auch auf dem neusten Output wieder, wie geschickt sie Techno, Krautrock, Psychedelic und entspannende Electronica-Welten für Yogasessions sich untereinander abwechseln lassen. Auf zehn fast ausschließlich instrumentalen Tracks werden klug Saxophonsoli gestreut und auch nicht identifizierbare Geräusche abgefeuert. Ein kleiner Ritt durch Zeit und Raum, wie eine Huldigung an Kraftwerk. Gefunden haben die Zwei sich übrigens vor zehn Jahren. Wer in einer Dekade mit gleich zwölf LPs um die Ecke kommt, hat genug Hirnschmalz für Ideen und mehr als Freude an der Arbeit. Genau das wird immer wieder deutlich. Wer gern was in Händen hält: Die Vinyls sind strenglimitiert und gibt es nur 350 Mal. Ranhalten! VÖ: 1.12.
ORT – Maschinenhafen
Ein Trio aus Dortmund geht nun konsequente Wege. ORT – das sind Hellmut Neidhard, Simon Dümpelmann und Dennis Müller – liefern auf ihrer LP „Maschinenhafen“ exakt zwei Songs. Ja, richtig gelesen. Und trotzdem beträgt die Spielzeit rund eine Dreiviertelstunde, weil beide Kompositionen je über 20 Minuten dauern. Das ist für viele Streaminganhänger:innen wohl äußerst rabiat, für die Drei aber genau die richtige Wahl, nutzen sie selbst solche Portale wenig bis gar nicht. Dazu kommen die beiden live eingespielten Titel gänzlich ohne Gesang aus und malen stattdessen fast schon dystopische Welten, bei denen es ordentlich knallt und kracht, auch wenn zwischendrin immer wieder Ruhe einkehrt, zum Innehalten. „La Rochelle“ hat für 90s-Grunge-Fans bösverzerrte Gitarrengewitter, die gnadenlos aufwühlen. „Achtern“ ist meist reduzierter, besonders die Drums prasseln aber wild auf die Zuhörer:innen ein. Wer Stone Sour oder auch Soundgarden liebte, darf gern den mutigen Trip betreten und sich verlieren. VÖ: 1.12.
Pale – Bigger Than Live
Für dieses Stück Musik lohnt es sich, ein ganzes Paket Taschentücher bereitzuhalten. Ein einzelnes wird nämlich nicht reichen. Pale aus Aachen zeigen ein allerletztes Mal, was sie können und warum sie eine der kultigsten und meistgeschätzen Bands NRWs waren und sind. Eigentlich war schon 2009 Schluss, da hatte man bereits 16 Jahre auf dem Buckel. Aber Krebserkrankungen und gar der Tod eines Mitglieds verändern die Sicht der Dinge. So gab es Ende letzten Jahres unerwartet das neue Album „The Night, The Dawn and What Remains“. Nun folgt der Livemitschnitt des Farewell-Gigs im ausverkauften Kölner Gloria. Mit dabei: Unzählige rührende Ansagen und genauso viele wirklich krasse Features. Reimer von Kettcar, David von FJØRT und Adam Angst, Steve Norman von Spandau Ballet, Tanja von Still Talk – sie alle sind dabei und versprühen pure Liebe und Anerkennung. Old-School-Indie-Rock mit bittersüßem Herzschmerz der Extraklasse, der noch lange nachhallen wird. VÖ: 8.12.
Rückblick aufs Jahr 2023