Interview mit Marc Weide: Comedy-Zauberei mit Homestorys

In Marc Weides Soloprogramm "Augenweide" schließen sich faszinierte Blicke und Bauchmuskelkater nicht aus. Foto: Fotoagentur Wolf
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Marc Weide wurde 2018 Weltmeister im Zaubern. Der gebürtige Wuppertaler, heute Wahl-Berliner, hat 2024 über 20 Termine in NRW auf dem Zettel und präsentiert seine sehr witzige wie ebenso faszinierende Soloshow „Augenweide“. In unserem Interview lässt er spontan AirPods verschwinden, dann wieder auftauchen und erzählt über seine Tochter als Inspirationsquelle.

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Marc Weide: „Ich merke in drei Minuten, wie der Abend für mich wird.“

Marc, du hattest am Wochenende Shows. Wie lief es?

Sehr gut. Dresden war grandios. Das war eine Familienshow um 17 Uhr, ich habe allerdings das Programm genau so gemacht, wie ich es sonst mache. Ein großes Kompliment war danach über Social Media, dass sie gelacht und gestaunt hätten und am Ende zu Tränen gerührt waren. Das fand ich wirklich sehr schön.

Am Ende des Programms mache ich immer eine ruhige, sentimentale Nummer. In dem aktuellen geht es um meinen Opa und die letzten Wochen mit ihm. Eine Geschichte, die mir am Herzen liegt und die ich erzählen möchte. Umso schöner, dass es so angenommen wird.

Woran machst du eine gute oder mittelmäßige Show fest? Wie merkst du das genau?

Ich merke das in den ersten drei Minuten, wie der Abend für mich wird. Ich mache ein paar Opening-Gags, stelle mich vor und merke, bei welchen die Leute lachen, bei welchen nicht. Ich sehe dann, wie steif oder locker das Publikum ist. Kommt natürlich auch darauf an, ob es eher ältere Menschen sind oder Studenten oder Kinder. Ich habe zwar kein konkretes Studenten-Set, aber ich bin mir dann zumindest bewusst, wer vor mir sitzt. Ich sage die Test-Gags übrigens auch an. (lacht)

Seit September läuft dein aktuelles Programm „Augenweide“. Hast du seitdem schon etwas verändert?

Ja, zuletzt zehn Minuten vor diesem Gespräch hier. Ich bin sehr selbstkritisch. Ich spreche mit meinem Tourleiter und frage, was ihm gefallen hat und was nicht. Ich frage beim Autogrammeschreiben nach der Show, welches Highlight die Gäste hatten, weil man das selbst nicht gut einschätzen kann. Danach gehe ich ins Hotel und schaue mir den Ablauf an, um zu gucken, was ich wie verändern kann oder gar rausschmeiße. Wer Anfang September da war und nun wiederkommt, würde fast eine komplett neue Show sehen, weil es so viel Bastelei ist.

Wenn Bauklötze und Malbücher zu Tricks umfunktioniert werden

Du arbeitest also nach der Show mehr als währenddessen?

Genau, weil es zunächst im stillen Kämmerlein nur Theorie ist. Die schmeiße ich dann vor die Leute, um zu gucken, was ankommt und was nicht. Ich kann natürlich auch sagen, dass ich es einfach so durchziehe, wie ich es mir ursprünglich gedacht habe. Aber dafür bin ich einfach echt zu selbstkritisch und möchte das Programm stets verbessern.

Wie kreierst du überhaupt ein neues Programm? Sänger:innen schreiben Songs, Comedians Gags – und du?

Man braucht viel Inspiration und viele Eindrücke, um Eigenes zu kreieren. Mein Ziel ist es wirklich, etwas Kreatives zu machen, etwas, was nicht jeder kennt. Ich möchte Tricks bauen und entwickeln, die die Leute dazu bringen, dass sie erstaunt aus dem Theater gehen. Deswegen gucke ich, was mich positiv wie negativ bewegt, um dann Emotionen reinfließen lassen zu können.

Zwei Tricks in der neuen Show drehen sich nur um meine Tochter, weil das etwas ist, was mich von morgens bis abends beschäftigt. Bauklötze und Malbücher. Ich merke dabei dann, dass Kinderspielzeug ein schönes Material zum Zaubern ist, aus dem man was herausholen kann. Ich sitze also im Kinderzimmer, bastle und überlege, bis ich einen Gedanken habe, von dem ich denke, dass er geil ist.

Bei Marc kommen Comedy, Zauberei und charmante Flirts zusammen. Foto: Fotoagentur Wolf

Adaptiert man ansonsten eher von anderen oder bastelst und baust du wirklich selbst?

Ich versuche, so viel ich kann, selbst zu bauen. Natürlich mithilfe von Schreinern und anderen, die mechanisch davon Ahnung haben. Ich kann ja kein Metall schweißen. Ich probiere es aber zumindest selbst zu entwickeln. Manchmal gibt es eine oder zwei Nummern, die Klassiker sind, aber in einem neuen Gewand daherkommen. Aktuell zum Beispiel das Seil, das in Teile geschnitten und dann wieder zu einem wird. Ich sage vorab auch, dass ein Klassiker kommt, erzähle dabei aber die Geschichte, wie ich die Nabelschnur meiner Tochter durchgeschnitten habe. Dadurch hat man dann nicht das Gefühl, dass es der langweilige Seil-Trick ist.

Ok, man lernt also wirklich dich durch die Show kennen…

Ja, es ist super persönlich. Ich weiß gar nicht, ob das wirklich ein bewusster Prozess ist. Ich gucke einfach, wer und was mich beschäftigt. Und ich möchte Tricks in der neuen Show machen, die ich schon ewig machen will, aber vorher noch nie gut gepasst haben. Wenn ich sie dann in dem richtigen Kontext hinkriege, wird so eine gemischte Tüte daraus.

Marc: „Ich möchte Kultur genauso durch meine Besuche unterstützen“

Wenn man schon so lange zaubert wie du, guckst du dann überhaupt noch Shows von Kolleg:innen oder bevorzugst du im Privaten eher andere Kulturveranstaltungen?

Ich gucke mir alles gerne an. Tanz, Musical, Impro-Comedy. Ich gucke auch oft spontan, was an dem Abend in der Stadt geht. Natürlich bin ich durch meine Tochter auch oft einfach Daddy. Aber wenn ich frei habe, tut Kultur abends gut. Ich sage in meiner Show auch immer, dass ich dankbar bin, dass meine Gäste an dem Abend nicht Netflix und Amazon gucken – und so möchte ich auch Kultur durch meine Besuche unterstützen.

Neben Zauberei gibt es Comedy und kleine Flirts in deinen Shows, wie man schon am Titel „Augenweide“ erkennt. Wie stark bereitest du solche Parts vor?

Es ist eine Mischung aus geschriebenen Gags und Impro Comedy mit den Zuschauern. Auf manche Situationen kann man sich am Schreibtisch zu Hause nicht vorbereiten. Ich habe mit Jürgen von der Lippe einen tollen Mentor, schreibe das meiste aber allein. Wenn ich mich aber mit ihm treffe, bringe ich ihm Zaubern bei und er mir Comedy, das ist ein toller Austausch. Mittlerweile verkehre ich einfach viel in solchen Shows, zum Beispiel neben Olaf Schubert und Torsten Sträter. Ich bin eben der lustige Zauberer, das ist mein Markenzeichen mittlerweile. Deswegen finde ich Gags auch gar nicht unbedingt schwieriger. Es sind eher Eingebungen. In manchen Wochen fallen mir keine Tricks ein, dafür aber zig Sachen, die super lustig sind. Das Coole an Berlin ist auch, dass man auf offenen Bühnen vieles davon dann einfach testen kann. Ich glaube, ich kann Zaubern und Lachen in etwa gleich gut.

Sich und die Anderen nicht zu ernst nehmen, dabei aber trotzdem mit Individualität zu glänzen, ist eine der Stärken von Marcs „Augenweide“-Programm. Foto: Fotoagentur Wolf

Findest du solche Mix-Shows besonders easy, weil du in zehn Minuten das Beste überhaupt zeigen kannst oder siehst du da diejenigen, die Zauberei nicht mögen, eher als Problempunkt an?

Ich mache es super gerne, weil ich die Herausforderung mag, Leute in zehn Minuten überzeugen zu müssen. Die kommen ja nicht wegen mir. Aber noch toller ist, dass ich so wenig Zeug brauche. Ansonsten ist mein ganzes Auto voll, ich muss vier Stunden vorher da sein und alles aufbauen. Da packe ich nur meinen Rucksack und gehe einfach hin. Ich beneide immer Comedians, die kein Gepäck haben. (lacht)

Wie gehst du mit denjenigen um, die nur da sind, um zu gucken, wie ein Trick funktioniert?

Profis der Szene würden sagen: „Lass das an dir abprallen! Nimm die nicht als Maßstab!“. Wenn die aber präsent in den ersten Reihen sitzen, nehme ich mir als Aufgabe, genau die zum Lachen zu bringen. Manchmal spreche ich diejenigen, die mit verschränkten Armen da sitzen, genau an und sage: „Ihr brecht euch die Arme, wenn ihr so klatschen wollt. Ich warne euch nur vor…“ Es ist immer das Beste, den Elefanten im Raum direkt anzusprechen.

Zaubern mit einer Packung Nudeln in der Hand?!

Wie oft kommt die Frage, ob du mal kurz was vorzaubern kannst?

Oft. Ich bin froh, wenn sie mal nicht kommt. Ich bin ja auch mehr als nur das, ich bin auch ein Mensch dahinter, den man kennenlernen kann. Wenn aber Leute wissen, dass ich zaubere, kommt immer „Hier ist eine Tasse, lass die doch mal verschwinden!“. Ja, das passiert wirklich. Auch beim Einkaufen, wenn ich erkannt werde und gerade eine Packung Nudeln in der Hand halte, kommt die Bitte, ich soll mal kurz was machen. (lacht)

Wie lange braucht es wohl, um jemandem kurz einen Trick beizubringen?

Es gibt wirklich simple Tricks, das geht schnell. Was Zeit in Anspruch nimmt, ist eher das Timing und die Präsentation. Wenn du zum Beispiel vorgibst, ein Objekt von der einen in die andere Hand zu übergeben, es sich aber immer noch in deiner ersten Hand befindet, haben viele damit Probleme, weil man es nicht gewohnt ist, Objekte an den Fingerspitzen zu halten. Meine Freunde ziehen mich immer damit auf, dass ich beim Bezahlen Geldscheine so halte, als ob ich sie auf der Bühne präsentiere – nur mit den Fingerspitzen und mit einer ganz übertriebenen Bewegung. Da das Zaubern meine Maxime ist, ist es für mich oft gar nicht klar, wie schwer das für andere ist. Ich glaube aber, dass ich in 15 Minuten jemandem etwas beibringen kann.

2018 bist du in der Kategorie „Parlour Magic“ Weltmeister geworden. Was verbirgt sich dahinter?

Im Deutschen sagt man „Salonzauberei“, es beschreibt also eine Größenordnung. Hier geht es um 500 Leute im Theater-Setting. Man wird entweder Weltmeister in Tischzauberei oder es gibt meine Salonsparte und zuletzt die Großillusion wie das Zersägen von Frauen oder das Verschwinden von Autos.

Hast du explizit auf den Titel hingearbeitet oder hast du einfach geguckt, was passiert?

Ich hätte niemals gedacht, dass das klappt. Ich, als kleiner Junge aus Gevelsberg, hatte die Chance nach Südkorea zu fliegen, was einfach der Wahnsinn war. Ich habe mich durch die deutschen Meisterschaften qualifiziert und hatte dann die Möglichkeit, hinzufliegen und mein Land zu vertreten. Ich wollte das unbedingt machen, auch weil es eine riesige Reise war. Der gesamte Act war auf Englisch, dazu habe ich noch ein bisschen die Landessprache gelernt, weil wahrscheinlich nicht jeder Englisch kann. Ich war wirklich noch nie so nervös wie dort. Den Act konnte ich aber schon vorher. Ich habe dann nur überlegt, ob alles auf Englisch auch funktioniert. Da streicht man das eine dann und das andere nimmt man mit rein.

Marc Weide: Weltmeister, Papa, Rapper

Du bist seit einigen Jahren Papa. Wieviel Inspiration steckt in deinem Zweitjob als Vater?

Das hört gar nicht auf. Ich bekomme dadurch jeden Tag neue Ideen. Da es mein erstes Kind ist, konnte ich vorab gar nicht erfahren, was es mir wohl gibt. So können aus witzigen und genervten Situationen oder wenn meine Kartenspiele von meiner Tochter zerrissen werden, schöne Dinge entstehen. Ich nehme also einfach zerrissene Karten mit auf die Bühne und zeige, was meine Tochter zuhause gemacht hat. Das spielerische Element von Kindern ist dann mit in der Zauberkunst. Es gibt mir also total viel, ja.

Ist sie schon alt genug, um zu checken, was du da genau tust?

Ich zeige ihr öfter auch einen Trick und lasse einen Stift verschwinden. Sie guckt mich dann an, zuckt mit den Schultern und nimmt einen anderen Stift. (lacht) Sie kennt das halt, dass ich so etwas mache. Für sie ist das Alltag. Aber sie ist nun zweieinhalb Jahre alt und sagt „Papa ist Zauberer“. Das ist total süß.

Du hast vor kurzem einen Rap-Song veröffentlicht. Damit hat man aber wirklich nicht gerechnet.

Ja. Das war ein Gag. Soll man so auch verstehen. Wir haben das im Studio aufgenommen und es klang tatsächlich besser als ein Gag. Ich wollte einfach nur eine bunte Facette in der Show haben. Dann haben wir noch ein Video aufgenommen, es veröffentlicht und die Reaktionen sind super darauf. Man rechnet einfach nicht damit, dass der blonde Zauberer plötzlich Gangster-Rap macht.

Ich erzähle aber auch, wie es dazu kam. Ein Rapper war in meiner Show, der Kartentricks kennenlernen wollte. Ich meinte dann: „Klar, wenn du mir rappen beibringst.“ Und so ist das Ganze zustande gekommen. Es hat mir total Spaß gemacht. Ich habe eher Sorge, dass Leute das zu ernst nehmen und sagen, ich habe keine Gesangsausbildung – ja, offensichtlich habe ich das nicht. Aber solang das spielerisch verstanden wird, würde ich nicht ausschließen, das nochmal zu machen.

Was ist dein Moment, in dem du immer genau spürst, warum du diesen Job machst?

Einerseits solche Nachrichten, wie ich eingangs erzählt habe. Wenn Leute wegen mir so viel gefühlt haben. Das ist einfach unglaublich, dass ich das leisten kann. Und gerade in aktuellen Zeiten mit so vielen Weltproblemen, tut es einfach gut, Leuten eine Show zu bieten, in der sie sich berieseln lassen und den Alltag vergessen können.

Wenn du 2024 einen Zauber deiner Wahl realisieren könntest, was wäre das?

Unsichtbar zu sein oder fliegen zu können, fände ich ziemlich cool. Wenn ich eine Zauberkraft hätte, dann bitte die. Beim Fliegen würde ich echt eine Menge Sprit sparen.

Marc Weide mit „Augenweide“ in NRW:
8.2. Hamm, 9.2. Münster, 15.2. Krefeld, 16.2. Lippstadt, 17.2. Leverkusen,
18.2. Kaarst, 1./2.3. Hennef, 21.3. Dinslaken, 23.3. Alsdorf, 24.3. Mönchengladbach,
4.9. Hagen, 5.9. Düsseldorf, 6.9. Duisburg, 7.9. Bünde, 22.9. Rheine,
4.10. Neuss, 5.10. Köln, 6.10. Essen, 25.10. Oberhausen, 15.11. Bielefeld, 16.11. Eschweiler
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