Philine Sonny im Gespräch: Von Unna nach Paris und London

Philine Sonny, geboren in Unna, lebend in Bochum, gewann im November den popNRW als beste Newcomerin. Foto: Nico Kramer
Teilen
Teilen

Im vergangenen November sackte beim popNRW kein neuer Star aus Düsseldorf oder Köln den Newcomer-Preis ein – stattdessen konnte die aus dem schnuckeligen Unna stammende Philine Sonny mit ihrem verträumten Indie-Sound die Jury für sich gewinnen. Wir sprachen mit ihr über Gigs in Weltmetropolen, Musik als Studienfach und Selbstzweifel.

Inhaltsverzeichnis [verbergen]

Philine Sonny: „Wenn man sich zwischendrin scheiße fühlt, tut es gut, daran zurückzudenken.“

Unna ist nicht dafür bekannt, dass dort Popstars herkommen. Wie hast du mit elf Jahren den Weg zum Schlagzeug gefunden?

Das war ein bisschen Zufall. Mein Papa ist damals zu seiner neuen Freundin gezogen und dort stand ein Schlagzeug, weil mein kleiner Stiefbruder Unterricht hatte. Irgendwann wollte mein Papa das auch lernen, ich saß daneben, habe es auch ausprobiert und konnte es auf Anhieb ganz gut. Parallel dazu gab es an meiner weiterführenden Schule das Angebot, dass man dort Schlagzeug spielen lernen kann. Ich war in einer Bläserklasse, sodass man auch direkt eine Band gründen konnte.

Später hast du noch Gitarre und Bass gelernt. Was davon spielst du heute auf der Bühne beziehungsweise hört man in deinen Aufnahmen?

Ich spiele tatsächlich alles selbst ein. Bass, Keyboards, Gitarre – außer Drums, auch wenn ich das zuerst zuhause gelernt habe. Für die Aufnahmen bin ich mittlerweile aber einfach zu schlecht (lacht). Auf der Bühne spiele ich meist Gitarre. Damit fühle ich mich am wohlsten, weil ich Gitarre am meisten gespielt habe, man sie sich eben schnell nehmen kann, um darauf was zu machen und es gut zur Gesangsbegleitung passt.

Vergangenen November wurdest du beim popNRW-Preis als beste Newcomerin ausgezeichnet. Wie war das Gefühl, als du davon erfahren hast und wie ist es jetzt?

Irgendwie ist es, bis ich von dem Gewinn erfahren habe, komplett an mir vorbeigefahren. Man wird häufiger mal hier und da nominiert, dann passiert aber meist nicht mehr so viel. Als ich aber gesehen habe, wer noch nominiert war, fühlte ich mich richtig geehrt und fand’s echt geil. Ganz besonders, wenn man sich zwischendrin mal scheiße und unfähig fühlt, tut es gut, daran zurückzudenken und sieht den Sinn wieder.

Scheiße und unfähig? Kommt das vor?

Ja, jetzt gerade. Ich mache sehr viel selbst und habe deswegen unterschiedliche Phasen. Ich mache Visuals für die Tour, mache Merch. So hat das alles Blöcke. Einen Musikblock gab es schon lang nicht mehr, weil so viel andere Planung war. Deswegen habe ich gerade das Gefühl, als ob ich das nicht könnte. Nun steht vieles an, bei dem ich abliefern muss, und da fühle ich mich dann manchmal plötzlich sehr unsicher und unter Druck gesetzt.

Songs als Geschenk

Du machst so viel selbst, weil du Bock darauf hast oder gern die Kontrolle über Dinge hast?

Beides wahrscheinlich. Los ging bei mir alles während Corona 2020, da hatte man eben die Zeit, Dinge einfach auszuprobieren. Niemand hat gedrängt und es gab mich auch noch nicht so wirklich. Ich konnte erst schlechtere Songs produzieren und später gute. Mir haben aber auch die Sachen daneben einfach Spaß gemacht.
Ich habe selten einen Tag, an dem ich sage: „Ich mache heute einen Song“. Stattdessen schreibe ich was Persönliches, zum Beispiel für meine beste Freundin und ihre Mama. Das ist dann eher wie ein Geschenk. Somit fände ich das verfälscht, wenn ich jemand anderen mit dranlassen würde. Wäre für mich ein doofer Gedanke. Daher kommt das wahrscheinlich auch, dass ich es lieber selbst mache.

Hat sich denn durch den popNRW-Sieg etwas Spürbares verändert?

Nee, nicht so richtig. Das liegt aber wahrscheinlich nicht daran, dass es nicht so ist, denn eigentlich kann ich das gar nicht richtig einschätzen. Mein Zuhause ist davor eher geschützt, bis dahin kommt es meist nicht an. Ich hatte zuletzt auch nicht so viele Festivalmomente, bei denen man sowas sonst eher merkt. Die hatte ich dafür letztes Jahr, da kommt man plötzlich auf ein Lineup und vor einem stehen Leute, die einen schon kennen. Deswegen fühlt es sich gerade eher wie immer an.

Anfang März erschien Philine Sonnys zweite EP „Invader“. Foto: Nicolas Blanchadell

Fühlst du dich denn in der NRW-Musikszene zuhause oder liebäugelst du schon mit Berlin?

Boah, ich hasse Berlin (lacht). Ich will hier nicht weg. Ich habe hier genau die richtige Größe und in Bochum auch tolle Leute um mich herum. Ich sage immer, dass ich eher Ruhe und Platz brauche. Hier sind Studios nicht mit irgendwelchen Menschen überfüllt. Da ich sowieso fast alles alleine mache, brauche ich diese Berlin-Connections nicht und fühle mich hier sehr zuhause. Hier kann ich mir wenigstens eine Zwei-Zimmer-Wohnung leisten und einen Raum als Studio nutzen.

Du hast in Osnabrück Popgesang studiert. Hat dir das weitergeholfen oder dich eher in deiner Kreativität gehindert?

Für mich ganz persönlich war es eher ein bisschen hinderlich, weil ich kurz vorher in Bochum connectet habe und am Wochenende immer nach Bochum gefahren bin. In Gesangstechnik habe ich schon etwas gelernt, wenn man aber im Studium eher Aretha Franklin singt, bringt das zumindest bei dem Stil, den ich machen möchte, nicht so viel. Da war ich wahrscheinlich schon ein, zwei Schritte weiter, weswegen ich es abgebrochen habe. Mein Ziel war nie, dass ich Gesang oder Gitarre unterrichten wollte, da bin ich wirklich sehr schlecht drin. Deswegen hätte mir der Abschluss nicht groß weitergeholfen. Ich kann ja nicht auf einem Festival spielen, nur weil ich vorher sage, dass ich Gesang studiert habe.

Hinter jedem Song eine echte Geschichte

2021 kam deine erste Single, Anfang März diesen Jahres deine zweite EP. Merkst du einen Prozess?

Gute Frage. Die erste EP hat deutlich länger gedauert. Ich habe sehr viel mehr Zeit mit den einzelnen Songs verbracht, manches habe ich schon 2015 geschrieben. Ich habe mehr probiert, einzelne Zeiträume einzufangen. Nun hatte ich einen Vergleichswert und konnte sehen, was ich kann und was ich neu machen wollte. Außerdem hatte ich nicht mehr den Druck, in einer einzigen EP zeigen zu müssen, was ich kann, weil bei der ersten EP habe ich gedacht, dass das genau so sein müsste. Mein Manager hat mir damals aber schon gesagt, dass das unnötig ist, es war einfach mein Gefühl. So war ich nun entspannter und intuitiver. Ich wollte keine Ewigkeit mehr in Songs verpacken.

Gibt es zu einem oder zwei Songs eine besondere Geschichte?

Hinter jedem Song tatsächlich. Manches kann ich davon gar nicht erzählen, weil es für mich oder für die anderen Leute zu privat ist. „In Denial“ ist besonders für mich, weil wir ihn seit der ersten Show 2022 gespielt haben. Obwohl es den offiziell nicht gab, hat der immer toll funktioniert. Es gab dort einen Mitsingteil, den Part mit „Somebody out there“. Selbst bei Google kam irgendwann als Vorschlag, wenn man meinen Namen eingegeben hat, „Somebody out there“ als Textzeile. Ein richtiger Community-Song. Auch die Reaktion, als er nun endlich rauskam, war so wholesome. Daran merke ich dann schon, dass ich mir in den Jahren etwas erarbeitet habe.

Du schreibst nicht nur, du produzierst auch. Wie viel von dem finalen Song ist von Anfang an in deinem Kopf?

Das ist mal mehr, mal weniger, grundsätzlich ist aber schon recht viel von Beginn an da. Ich habe gerade mit einem neuen Song angefangen und habe wieder gemerkt, dass ich ihn schon sehr früh so im Kopf habe. Am Ende weiß man es nicht immer ganz genau, ob man sich das nur einbildet oder es wirklich so war, aber ich würde sagen, dass ich schon eine recht gute Vorstellung von der Musik habe.

Du warst bei unzähligen großen Festivals wie Melt, Southside, Lollapalooza, Juicy Beats oder Bochum Total, hast als Support bei Jeremias, Leoniden und Giant Rooks gespielt. Was war bisher dein krassester Livemoment?

Das Melt war echt richtig geil, das war das dritte oder vierte Festival, was wir überhaupt gespielt haben. Da haben wir an dem Tag richtig auf die Kacke gehauen (lacht). Meine Lieblingsshow war wohl die erste Giant-Rooks-Show im Westfalenpark in Dortmund. Ein echter Homecoming-Moment, riesige Bühne, sweete Leute. Daran denke ich sehr gerne zurück. Gerade erst war der Hannover-Gig mit Giant Rooks, da waren ultra viele Menschen, die ab dem dritten Song ihre Taschenlampen angemacht haben. Total krass.

Philine Sonny: Internationale Hauptstädte statt Ruhrgebiet

Deine anstehende Tour führt dich in Weltmetropolen wie Paris, London und Amsterdam. Wie kam das denn zustande?

Ich war auch überrascht, habe aber dort schon ein paar Supportshows für meine Lieblingsband Chartreuse gespielt, das war das Geilste der Welt. In UK war ich Support bei meinem Lieblingskünstler Medium Build, was nur zustande kam, weil ich den mal auf einem Festival angelabert habe. Aber ja, es gibt definitiv einen Unterschied zu deutschen Shows. Bei großen Shows sagen die meisten, dass Deutschland angenehmer ist, weil Deutsche eher ruhig sind. In England wird mehr geredet, mehr applaudiert, dafür ist es lockerer. Besonders Crowd-Work funktioniert da richtig gut. Wenn man jemandem zum Beispiel sagt: „Ey, du bist ja richtig besoffen, Kollege“, ist da niemand beleidigt. Das hat besonders mit Medium Build gut gepasst, der eine sehr ehrliche, trockene Art hat. Ich hoffe, dass zu meinen Shows dort auch ein paar Leute kommen. Das wäre schön.

Gibt es Momente, in denen du echt Angst und Respekt hast, aber dann doch noch etwas Positives daraus ziehst?

Immer wieder passiert das. Das letzte Mal war, als ich in London eine Session gemacht habe. Sonst war immer alles bei mir zuhause in meiner Höhle, da wurde ich dann aber in eine Session mit zwei älteren, süßen Männern aus Schottland und England reingeworfen, was aber trotz ADHS und extremem Akzent des Schotten richtig Bock gemacht hat (lacht). Aber wirklich bei jeder Show passiert dieses Gefühl. Man denkt vorab darüber nach, dass da gleich Sechseinhalbtausend stehen und hat gar keine Ahnung, wie man das hinkriegen soll. Dann macht man es irgendwie, denkt danach, dass es zwar nicht mega geil war, aber beim nächsten Mal halt besser wird.

Aktuell plant Philine ihr erstes Album. Foto: Nicolas Blanchadell

Was sind die nächsten großen Meilensteine auf der Bucketlist?

Die Tour hinter mich zu bringen. Davor habe ich wirklich Respekt. Aber auch ein Album zu machen, was durchgedacht ist und ein Konzept hat. Das ist das nächste, was ich vorhabe. Das ist wohl der Traum von allen Musiker:innen. Mal gucken, wie lang oder schnell es geht.

Zuletzt: Dein Papa hat ein Restaurant. Nenn uns dein Lieblingsessen dort und überhaupt.

Im Restaurant von meinem Papa auf jeden Fall die geilsten selbstgemachten Käsespätzle, die es gibt. Generell ist es Indisch von einem Freund von mir aus Bochum, Luki, der ein ganz bestimmtes Gericht macht, das einfach echt on point ist.

NRW-Termin: 4.5. Luxor Köln
Mehr zu Philine Sonny auf der Website, bei Facebook, Instagram und TikTok

Anzeige
Anzeige

Beste Events, Trends und Reportagen für die Rhein-Ruhr-Region

Inhaltsverzeichnis
Home