Als Simon Stäblein auftauchte, war er in Deutschland einer der ersten offen queeren Comedians. Mittlerweile gehört er zu den bekanntesten Gesichtern der Szene, hat unzählige Ausgaben NightWash und der 1Live-Comedy-Nacht moderiert, Podcasts gehostet und präsentiert nun sein neues, drittes Soloprogramm. Wir sprachen mit ihm kurz vor der ersten Preview.
„Eigentlich will ich, dass es perfekt ist, scheue mich jedoch gleichzeitig vor der harten Arbeit.“
Simon, dein neues Programm „Ich schmeiß mich weg“ startet jetzt. Wie bist du gerade aufgelegt? Nervös, super entspannt, voller Vorfreude?
Die Phase kurz vorher ist immer nervenaufreibend, weil das fertige Programm in der Form noch nie auf der Bühne gespielt wurde. Ich frage mich ständig, ob es gut wird, ob ich genug Material habe, weil man das irgendwann gar nicht mehr richtig einschätzen kann. Ich habe leider zwei Charaktereigenschaften, die nicht gut zusammen passen, ich bin nämlich ein fauler Perfektionist. Eigentlich will ich, dass es perfekt ist, scheue mich jedoch gleichzeitig vor der harten Arbeit.
Zum Glück funktioniere ich aber immer gut unter Druck. Die Zeit, in der ich zuvor nichts gemacht habe, die fällt nun auf mich zurück, sodass ich jetzt zehn Stunden am Stück herumsitze und alles durchgehe. Außerdem treffe ich mich mit einem guten Freund, mit dem ich in der Comedy super harmoniere, und dem haue ich alle Ideen um die Ohren. Das ist dann der Nachmittag, an dem ich realisiere, ob ich mehr entspannen kann oder richtig reinhauen muss.
In welche Richtung geht „Ich schmeiß mich weg“? Der Titel selbst verrät es noch nicht.
Die Metaebene dahinter ist, dass das letzte Jahr sehr aufreibend war. Mein Mann und ich sind umgezogen, wir haben eine Wohnung saniert, es gab Probleme und Baustellen. Wenn’s zu viel wurde, stand ein Meditationscamp mit buddhistischen Mönchen auf meiner Agenda. Meine berufliche Zukunft ist auch etwas ins Stocken geraten. Da gibt es dann Tage für mich, an denen ich mich gern mit zum Müll legen würde, damit ich abgeholt werde. Und darum geht’s, also dass ich mich selbst auf den Müll schmeiße.
Gute Comedy entsteht immer aus den schweren Momenten im Leben. Ich rede darüber, wie das Ganze die Beziehung zu meinem Mann verändert hat. Wenn man das gut verpackt, wird es ziemlich lustig und dann schmeißen sich andere wiederum vor Lachen weg. Das Thema ist also ganz einfach mein Leben und das, was passiert ist.
Das klingt ziemlich persönlich und sehr aktuell. Hört man eher selten…
In meinem letzten Programm „Pfauenquote“ habe ich Corona für mich verarbeitet und auch schon geguckt, was das mit meiner Beziehung gemacht hat, aber auch mit meiner Familiendynamik, zum Beispiel zu meinen Geschwistern. Mein Stand-Up ist eigentlich immer: „Wer bin ich, was nervt mich, worüber möchte ich reden?“
Simon Stäblein: „Ich mache keinen Ted-Talk.“
Werden Alltagsmomente, die passieren, sofort aufgeschrieben, oder speicherst du sie ab und holst sie später wieder hervor?
Nee, das musst du wirklich sofort aufschreiben. Das sind manchmal ganz kleine Beobachtungen, die ich witzig finde, sowas wie „Sprinter fahren auf der Autobahn immer viel zu schnell“. Das finde ich dann einfach nur interessant. Beim Zusammensetzen des Programms habe ich bestimmt 100 solcher Notizen, die zusammen gepuzzelt werden. Vielleicht kann ich den Vergleich gut in einer bereits existierenden Nummer anwenden. Manchmal habe ich die Pointe, die Geschichte aber nicht. Oder ich habe die Geschichte, die ist nur noch nicht witzig, ich will sie aber erzählen, weil ich sie mag.
Wie lange dauert dann der gesamte Prozess? Kannst du das einschätzen? Wie viel verwirfst du wieder?
Um es an meinem letzten Programm festzumachen, kann ich sagen, dass es bei der Premiere mit 90 Minuten losging, am Ende es aber 130 bis 140 Minuten waren und 40 Prozent vom Anfang nicht mehr existierte. Man sagt immer, dass das Programm bei der Dernière fertig ist, also bei der letzten Vorstellung. Zwischen der ersten und letzten läuft mein Leben ja weiter und es passiert ständig was, was ich gerne frisch erzählen möchte und was dann auch ins Programm kommt. Dafür muss was anderes natürlich rausfliegen. Es ist eigentlich ein stetiger Prozess, der nicht aufhört, bis das Programm komplett beendet wird.
Was war denn bei deinem zweiten Programm anders als bei deinem ersten und was ist nun bei deinem dritten anders als beim zweiten?
Das erste beinhaltete einfach Dinge, die ich lustig finde im Leben, ich war aber recht wenig deep. Das zweite war wesentlich persönlicher. Da habe ich mich getraut, echter und mehr ich zu sein. Ich dachte am Anfang auch, dass man auf jeden Fall eine Haltung einnehmen muss. Das mache ich zwar jetzt teilweise immer noch, das Hauptziel ist aber eher, dass es einfach witzig ist. Es gibt genügend andere Kulturbereiche, die das gut machen und bei denen das wichtiger ist als bei mir. Ich mache aber keinen Ted Talk, ich mache ein Stand-Up.
Ich möchte, dass die Leute viel gelacht haben. Wenn meine Haltung durchschimmert, ist das gut, es ist aber nicht das Hauptaugenmerk. Ich rede auch nur von Dingen, die ich wirklich verstehe. Ich habe zu wenig Ahnung vom Nahostkonflikt, weswegen ich mich dazu im Programm nicht äußern werde. Ich rede über mein Leben, weil ich das verstehe. Also meistens. Oder ab und zu. (lacht)
„Ich liebe schon sehr meinen eigenen Kühlschrank.“
Wie schwierig findest du es generell ein Programm zusammenzubasteln, ohne jemanden zu nahe zu treten? Machst du dir Gedanken über Shitstorms, die passieren könnten?
Nicht mehr. Ich schreibe mein Programm aus einer Haltung heraus, dass ich niemanden bewusst diskriminieren oder diskreditieren möchte. Deswegen mache ich mir da eigentlich nichts draus. Ich werte das alte Programm über Social-Media-Feedback aus, es gibt aber wirklich bei allem immer jemanden, der in jeder Äußerung etwas Negatives erkennt. Wer sich aufregen möchte, findet auch Gründe.
Ich kann Leuten nicht helfen, wenn sie Pointen und Ironie nicht verstehen. Dann dürfen die anderen sich zwar gern darüber aufregen, aber es ist einfach mein Job, Pointen und Ironie zu präsentieren und manchen auf den Schlips zu treten. Ich halte mich selbst für einen guten Menschen und habe gegen niemanden einen riesigen Groll, das sollte eigentlich als kritisches Augenmerk meinerseits genügen.
Hast du einen Nicht-Liebling beim Touren? Etwas, was du nicht magst? Kurt Krömer zum Beispiel sagt in seinem Podcast immer, dass er sich auf Tourneen oft allein fühlt.
Ach, ich finde, wenn man es nicht übertreibt, ist das Alleinsein auch mal ganz schön. Ich habe auch gern das Gespräch mit den Fans danach, da kann man gut connecten. Ich bin andererseits wirklich gerne zuhause, ich schlafe gerne im eigenen Bett und gehe gern aufs eigene Klo. Deswegen übertreibe ich es auch nicht mit den Terminen und probiere nicht so viele am Stück zu haben. Gleichzeitig finde ich’s schön, in anderen Städten zu sein, gehe da dann zum Sport, gucke mir die Stadt an. Was ich aber etwas nervig finde, ist die Ernährung. Wenn, isst man meistens im Hotel, sucht ständig nach Restaurants im Umfeld und ich liebe schon sehr meinen eigenen Kühlschrank.
Du hast BWL studiert. Wann war der Moment, in dem du gemerkt hast, dass Comedy doch etwas Größeres wird?
Ich habe direkt nach dem Studium gemerkt, dass ich in dem Bereich nicht gerne arbeiten möchte. Ich hatte schon immer ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, was Leute, die auf die Bühne gehen, ja alle irgendwie haben. Ich wusste, dass ich Funny Bones habe. Dann fängst du an, hast aber unglaubliche Zweifel. Du musst dich durchkämpfen. Und wenn dann Erfolgserlebnisse kommen, ändert sich was.
Anfang 2014 habe ich alles über Bord geworfen und ein neues Set geschrieben, bei dem ich mich so wohlgefühlt habe, dass ich echt Angst hatte, es könnte nicht funktionieren. Allerdings habe ich bei einem Kleinkunstwettbewerb den ersten Platz damit gemacht und das hat sich so richtig angefühlt. Es war genau das, was ich erzählen wollte. Da habe ich dann gemerkt, wie es funktionieren könnte. Darauf folgten Highs and Lows, bis es irgendwann gereicht hat.
Simon Stäblein: „Ich erzähle eben keine Geschichten von mir und meiner Frau, sondern von mir und meinem Mann.“
Du hast sehr lange NightWash moderiert und viele Newcomer:innen gesehen. Hattest du einen Blick dafür, wer wohl groß rauskommt und wer eher nicht?
Ja, man sieht schon direkt, ob jemand eine Passion hat, lustig zu sein, oder den Fame will. Es gibt manche, die haben super viel Talent und sind kreativ, aber haben nicht genug Biss. Das sieht man natürlich erst auf den zweiten Blick, wenn jemand nach einem Jahr komplett die gleiche Nummer hat und nichts Neues zeigt. Dann bekommt das Ganze als Beobachter einen faden Beigeschmack. Wenn aber jemand immer das verschmitzte Lächeln hat, sehe ich das schon schnell.
Seit Anfang an hast du queere Themen in deinem Programm und präsentierst dich als offen schwuler Mann. Hat dir das auch mal Steine in den Weg gelegt?
Ablehnung habe ich damit nie erlebt. Ganz am Anfang war es eher für mich eine Herausforderung und schon ein Prozess, darüber auf der Bühne zu sprechen. Deswegen habe ich im ersten Programm über Homophobie und Outing als explizite Themen gesprochen. Zuletzt war es eher beiläufig. Ich erzähle eben keine Geschichten von mir und meiner Frau, sondern von mir und meinem Mann. Mehr passiert dazu eigentlich nicht. Ich mache keinen direkten Themenblock auf. Manche horchen dann vielleicht kurz auf, danach geht es aber mit etwas Lustigem direkt weiter, sodass keine Zeit zum Nachdenken bleibt.
Man merkt aber, dass sich da in den letzten Jahren viel getan hat. Als ich angefangen habe, Comedy zu machen, hat man auf Social-Media kaum Comedians gefunden, die darüber offen sprechen.
Das queere Publikum gilt oft als solidarisch – hast du viele davon weiterhin im Publikum?
Oh, aber das sind sie erst, wenn du größer bist. Wenn du ihnen eine Fläche gibst, an denen sie andocken können. Bis dahin wird viel abgecheckt. Hat man ein Standing, wird’s einfacher. Die queere Community identifiziert sich gern mit den Erfolgreichen.
Ich habe auch queere Menschen im Publikum, über die ich mich freue, aber die sind nicht überpräsent. Ich würde allerdings irgendwann gern mal in den großen Städten ein Special machen für die Community. In dem es Themen gibt, die den anderen zu gay und zu anstrengend sind. (lacht)
„Aktuell plane ich einen Podcast für 2024.“
Podcasts hast du auch schon einige gemacht. Welche Vorteile haben die für dich im Vergleich zur Soloshow?
Du hast einen Gesprächspartner oder eine -partnerin, mit denen du dich viel besser hochschaukeln kannst. Gerade, wenn etwas humoristisch funktioniert. Das ist dann wie eine Spirale. Es gibt dadurch auch mehr Kontroversen, wenn es verschiedene Meinungen gibt. Im Stand-Up gibt es nur meine und keine richtige Diskussionsgrundlage. Zum Beispiel bei meinem Podcast mit Jan C. Müller gab es den Familienvater auf der einen Seite und mich eben auf der anderen. Wir hatten viele Parallelen im Leben und viele große Unterschiede wie aus zwei Welten. Aktuell plane ich mit einer guten Freundin einen Podcast für 2024, das könnte sehr lustig werden, da ich niemanden kenne, die einen so kongruenten Humor zu meinem hat.
Im Januar kann man sich noch Sachen fürs Jahr vornehmen – was hast du sonst auf der Agenda?
Ich wünsche mir nun erstmal, dass „Ich schmeiß mich weg“ ein gutes Programm wird und die Locations voll werden. Viele haben schon Tickets gekauft, was mich auch echt motiviert, da ich durch die Corona-Zeit und fehlender Auftritte einiges an Aufmerksamkeit einbüßen musste. Schön, wenn also weiterhin so viele kommen mögen. Im Privaten kriegen wir dieses Jahr endlich einen Hund, das wird eine riesige Freude. Ich hoffe, dass sich politisch und generell alles etwas beruhigt. Sonst läuft eigentlich vieles gerade sehr, sehr gut. Ich klopf mal eben auf Holz.
„Ich schmeiß mich weg“ in NRW: 21.1. Köln, 28.1. Köln, 20.3. Essen, 21.3. Krefeld, 20.4. Eschweiler, 2.5. Düsseldorf, 27.9. Münster, 4.10. Wuppertal, 7.11. Bonn, 6.12. Mülheim an der Ruhr, 7.12. Bielefeld
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