Johannes Strate im Interview: Deutsch-Pop meets Konzertpiano

Johannes Strate ist schon ewig das Gesicht von Revolverheld. Mit seinem ehemaligen Nachbarn Sebastian Knauer geht es aber nun auf eine eigene Tour. Foto: HR/Simon Stöckl
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Rund 20 Jahre ist Johannes Strate bereits Frontmann bei der Deutsch-Pop-Rock-Band Revolverheld und hat sich in vielen Genres ausgetobt. Doch nun geht es erstmalig mit einem Konzertpianisten in die schicksten Locations Deutschlands. Gemeinsam mit Sebastian Knauer startet im September die Tour „Knauer & Strate – Klassik meets Pop“. Was dahinter steckt, verrät er uns im Interview.

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Johannes Strate: „Wir haben uns beim Müll rausbringen kennengelernt.“

Ein neues Projekt für dich, Johannes! Woher kennst du Sebastian Knauer und wie entstand die Idee zu eurem gemeinsamen Konzert?

Wir waren lange Jahre Nachbarn, haben fünf oder sechs Jahre Tür an Tür gewohnt. Wir haben uns tatsächlich beim Müll rausbringen am Container kennengelernt. (lacht) Er hat mich erkannt und meinte: „Hey, du machst doch Musik! Ich nämlich auch!“. Dann habe ich ihn gegoogelt und festgestellt, dass er einer der bekanntesten deutschen Pianisten ist, weltweit auftritt und Echos gewonnen hat. Ein beeindruckender Nachbar also. Wir haben uns angefreundet, seine Tochter war Babysitterin für unseren Sohn und so weiter.

Dann kam Corona, und beide tourende Musiker waren zu Hause. Die Idee, gemeinsam etwas zu machen, stand im Raum. Also haben wir ein paar meiner Songs auf seine Art neu interpretiert, was so gut klappte, dass wir einen kleinen Auftritt in einem befreundeten Restaurant gemacht haben. Am Ende gab es Standing Ovations. Da dachten wir, wir könnten es auch auf größeren Bühnen versuchen. Wir hatten ein paar klassische Festivalauftritte, haben mutig die Elbphilharmonie in Hamburg gebucht, die in zehn Tagen ausverkauft war – und nun gehen wir damit auf Tour.

Wie unterscheiden sich denn die Proben zu deinen anderen mit Revolverheld?

Bei Revolverheld gibt es viel Technik, ein Schlagzeug und so weiter. Wir brauchen eine Anlage, Monitoring-Boxen und In-Ears, damit jeder hört, was er tut. Eine Probe mit Sebastian hingegen ist herrlich entspannt. Ich gehe vorbei, sein Flügel steht da, ich stelle mich daneben, unverstärkt, und das funktioniert total gut. Es ist richtig locker, weil man sich einfach für ein oder zwei Stündchen treffen kann.

Ihr spielt aber auch noch mit Streichern – ist das schwierig, sich da auf neue Musiker:innen einzustellen? Oder dass die etwas spielen, was eigentlich weniger ihr Metier ist?

Das sind echte Profis. Sie spielen Pop, Jazz, Klassik, alles. Wir bereiten uns so gut es geht vor und sagen ihnen, was sie für uns spielen sollen. Sie bekommen Noten, dann trifft man sich drei- oder viermal, was für so ein Ensemble sogar viel ist. Ansonsten bekommen sie die Noten, es gibt einen Soundcheck und sie gehen gefühlt ein paar Minuten später auf die Bühne. In der Klassik ist das einfach anders als im Pop, wo man sich eher zwei, drei Wochen trifft.

Johannes Strate und Sebastian Knauer haben während Corona angefangen, aus Spaß gemeinsam zu spielen – nun ist daraus ein großes Projekt entstanden. Foto: Gregor Hohenberg

Wenn aus Gershwin ein Revolverheld wird

Wer wird sich denn schneller zurechtfinden bei den Shows – die klassischen Konzerthausgänger:innen oder die Revolverheld-Fans?

Beide würde ich sagen. Wir machen ein Best-of aus beiden Welten. Es gibt erst ein paar Minuten solo von Sebastian, dann komme ich dazu, mit Revolverheld-Songs, Liedern aus meinem Soloalbum oder auch Neugeschriebenem. Der Übergang zwischen Klassik und Pop ist fließend. Sebastian spielt auch Stücke, die jeder kennt, zum Beispiel von Gershwin. Ich gehe dann ans Mikro und eigentlich ist Sebastian schon längst und unbemerkt bei „Ich werd‘ die Welt verändern“ angekommen. Es ist faszinierend, wie solche Arrangements ineinander übergehen.

Werft ihr also Songs rein, Sebastian wirft Songs rein, ihr guckt, was harmoniert, oder habt ihr ansonsten einen roten Faden?

Es ist genau so. Beide werfen etwas rein, wir hören es uns an, er spielt etwas vor, Sebastian erkennt, dass bestimmte Songs dieselbe Tonart haben, und dann gibt es Übergänge. Es ist wirklich ein lustiges Experiment, mit Ergebnissen, die man so wohl noch nie gehört hat.

Gibt es denn Songs, die in deinem Kopf hervorragend geeignet schienen, dann aber doch nicht gut geklappt haben oder auch andersherum?

Bis jetzt nicht. Alles, was wir angefasst haben, haben wir auch gemacht. Ich habe mich eher gewundert, wie schön die Versionen am Ende geworden sind und war positiv überrascht. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Man muss allerdings dazu sagen, dass wir mit Fabian Richter einen hervorragenden Arrangeur haben, der oft die Übergänge übernimmt. Da klingen die Songs eindeutig nach Klassik, obwohl sie im Kern weiterhin Popmusik sind.

Johannes Strate: Mehr Raum für Entfaltung

Wie klingt das Ergebnis denn für deine Revolverheld-Kollegen? Die hören eure Songs plötzlich selbst aus dem Publikum.

Genau, sie waren in der Elbphilharmonie in Hamburg und fanden es echt spannend. Gleichzeitig wissen sie aber auch, dass ich bei der Band zu Hause bin und das so bleiben wird. Wir spielen gemeinsam diesen Sommer auch einige Festivals, haben unser Homecoming-Konzert im Dezember und sind viel mit unserem Song für Olympia unterwegs. Also haben wir alle Hände voll zu tun.

Akustische bzw. klassische Konzerte sind für Sänger:innen immer eine besondere Herausforderung, weil man hier jeden nicht ganz perfekten Ton hört. Bist du deswegen aufgeregter?

Nee, ich finde das eigentlich total schön. Ich habe mehr Platz und kann mich da einfach ausprobieren. Mit einer Band ist man etwas mehr im Korsett, hat dafür aber natürlich diese besondere Energie. Wenn ich nur vom Piano begleitet werde, kann ich im Tempo und in anderen Details viel mehr variieren. Toll, Songs mal anders anzugehen.

Ihr spielt in zwölf sehr schicken Locations. Sind die alle neu für dich oder kennst du schon eine?

Ich war nur im Festspielhaus in Baden-Baden, da haben wir mit Revolverheld das MTV Unplugged gespielt. Der Rest ist neu, sogar die Laeiszhalle in Hamburg, wo ich ja wohne.

Im nächsten Jahr erwartet die Revolverheld-Fans wieder etwas Neues, sagt Johannes. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Kirsten Nijhof

Wie ist das Gefühl für dich, statt in großen Hallen in Konzerthäusern zu sein?

Super. Ich liebe das total. Ich habe gefühlt in Deutschland in jedem Jugendzentrum und ranzigen Club gespielt und dann hoch bis zur Lanxess Arena in Köln. Deswegen freue ich mich, in Locations zu spielen, in die ich normalerweise nicht reinkomme. Es ist bestuhlt, die Leute sind gut angezogen. (lacht) Ich mag die Abwechslung.

Gibt es ein Highlight, worauf du dich ganz besonders freust?

Ja, die Kölner Philharmonie ist schon sehr besonders. Meine Frau ist Kölnerin, mit der Band haben wir das dritte Album dort aufgenommen, ich habe da immer mal wieder gewohnt, wir hatten eine Fernbeziehung zwischen Hamburg und Köln …

Öfter mal was Neues

Oh, ihr hattet eine „Liebe auf Distanz“! (Anm. d. Red.: Titel eines bekannten Revolverheld-Songs)

So ist es. (lacht) Die Hälfte meines Lebens hat da stattgefunden. Ich bin da oft entlang gelaufen und war irritiert, wenn Gehwege abgesperrt waren. „Da ist doch die Philharmonie drunter, man kann da jetzt nicht drüberlaufen“, hieß es dann. Ah, ok! Da wollte ich immer mal sein, war aber noch nie drin. Freue mich sehr darauf.

Hast du noch mehr außergewöhnliche Projekte vor? Auf der letzten Revolverheld-Tour gab es die Premiere eures neuen Albums, das man danach weder streamen noch anderswo kaufen konnte. Noch mehr Ideen?

Dieses Jahr ist schon echt extrem. Im Januar das neue Revolverheld-Album, das Crossover-Metal-Songs beinhaltet, bei denen ich auch noch rappe, und im Herbst dann neben mir ein klassischer Pianist und ein Streichquintett in Konzerthäusern. Einmal Carlswerk Victoria in Köln, dann die Philharmonie. Das ist Kontrastprogramm. Und der Olympia-Song ist auch ein wahr gewordener Traum. In meiner Kindheit saß ich oft im Sommer auf dem Sofa und habe Menschen in Sportarten angefeuert, die ich vorher gar nicht kannte. Seitdem bin ich Fan des Events. So dicht dran war ich noch nie. Wir spielen sogar im deutschen Haus in Paris. Wahnsinn. 2024 wird von der Bucket List einiges gestrichen. Nächstes Jahr machen wir aber mit der Band wieder eine Platte und dann wird in dieser Richtung mehr passieren.

NRW-Termine: 28.9. Konzerthaus Dortmund, 28.11. Philharmonie Köln
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