Markus Kavka: „MTV und VIVA haben Stars gemacht“

Markus Kavka ist eines der bekanntesten Gesichter des Musikfernsehens. Foto: Thomas Neukum
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„Video Killed The Radio Star“: Mit diesem Clip von The Buggles begann die Geschichte des Musikfernsehens, und zwar im Jahr 1981 auf MTV. Als zwölf Jahre später hierzulande VIVA auf Sendung ging, erhielten Musikvideos auch in deutschen Jugendzimmern Einzug. Moderator Markus Kavka hat die Hochphasen beider Kanäle mitgeprägt – und spricht darüber im Interview uns.

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Markus Kavka: „Beides hatte und hat seine schönen Seiten.“

In den Anfangszeiten von MTV, so ist zu lesen, hocktest Du mit Stift und Block vorm Fernseher, um Dir Titel und Interpreten zu notieren. Schwingt da heute Wehmut mit?
Wehmut nicht. Ich bin jetzt schon so lange als Musikjournalist tätig, da hat sich die Art und Weise, wie ich Musik konsumiere und entdecke, naturgemäß stetig verändert: Die Übergänge von Vinyl zu CD, dann von CD hin zu MP3 und später Streaming habe ich aus erster Hand miterlebt. All diese Dinge konnte ich sozusagen aus dem driver’s seat mitverfolgen – dafür bin ich in erster Linie dankbar! Früher saß ich stundenlang vor der Glotze, um auf das eine Video zu warten, heute ist alles mit einem Klick verfügbar. Beides hatte und hat seine schönen Seiten.

Im Buch kommen unzählige Protagonist:innen zu Wort, die die Hochphase von MTV und VIVA mitgeprägt haben: Wie seid ihr bei den Interviews vorgegangen?
Elmar Giglinger und ich hatten letztlich eine Liste mit rund 70 Personen, die wir für ein Interview anfragen wollten. Unser Gedanke war: Wenn wir nur von der Hälfte dieses Personenkreises eine Zusage erhalten, sind wir absolut happy. Dann kam es aber so, dass bis auf drei potenzielle Interviewpartner:innen alle sofort zugesagt haben. Das war eine Ansage! Auch die jeweiligen Interviews gestalteten sich dann viel umfangreicher als gedacht. Da saßen wir also schließlich, mit rund 2000 Seiten Gesprächsprotokoll. Das Buch ist nun immerhin 530 Seiten-stark.

Markus Kavka hat nun viele Geschichten aus der damaligen Zeit in einem Buch festgehalten. Foto: Marcus Höhn

Darin blicken unter anderem Heike Makatsch, Nilz Bokelberg und Jessica Schwarz auf ihre Anfänge zurück – was war das für eine Zeit, ab Mitte der 90er?
Übereinstimmend waren sich alle sicher: Nur über VIVA bestand damals die Möglichkeit, überhaupt ins Fernsehen zu gelangen. Ich denke, ein Großteil von uns Moderator:innen hätte damals auf keinem anderen Sender eine Chance erhalten. Das waren Charaktere, die eben nicht so stromlinienförmig daherkamen. Uns allen wurde es ermöglicht, sich im Musikfernsehen zu entwickeln. Eine perfekte Schule, wenn man sich anschaut, welche Karrieren nicht wenige dieser Menschen später noch hingelegt haben.

Dank VIVA erhielten Musikvideos Einzug in deutsche Jugendzimmer: Inwiefern hat das auch die damalige Musiklandschaft umgekrempelt?
Durch die Clips kam eine vollkommen neue Komponente hinzu. In den USA ging ja bereits 1981 MTV an den Start – schnell wurde damals klar, dass der Sender Stars machen kann. Man denke an Madonna und Michael Jackson. Deutsche Interpret:innen fanden da jedoch mehr oder weniger nicht statt, was Platzhirsche wie Grönemeyer oder Westernhagen aber auch nicht sonderlich störte, schließlich hatten sie ihre Fanbase plus Konzerte in großen Hallen. Als dann ab 1993 bei VIVA explizit der Fokus auf deutschsprachige Musik gelegt wurde, war das ein riesiger Boost für die hiesige Musikszene. Für viele Bands gab es zuvor gar keinen Grund, überhaupt Musikvideos zu produzieren.

Markus Kavka: „Schon zu Hochzeiten wurde deutlich, dass der Apparat viel zu aufgeblasen daherkam.“

Für Dich ging es 1995 bei VIVA los; drei Jahre später folgte der Wechsel zu VIVA Zwei …
Ja, VIVA Zwei … Eine einzigartige, wenn auch leider nur kurze Zeit. Ziel war es, die MTV-Konkurrenz zusätzlich zu VIVA nun auch noch von der Coolness-Seite in die Zange zu nehmen. Neben mir gehörten unter anderem Charlotte Roche und Niels Ruf zum VIVA Zwei-Team – insgesamt eine Konstellation von rund 30 Leuten, die man durchaus als totale Freaks bezeichnen kann! Wir durften einfach unser Ding machen, was auf Zuschauer:innenseite schnell auf einen fruchtbaren Boden fiel. Die Indie- und Alternative-Formate des Senders erreichten Menschen, die keinen Bock auf Kommerz und Sell-Out hatten.

Auch heute noch kann man Markus Kavka im Musikfernsehen sehen, nämlich auf Deluxe Music. Foto: Thomas Neukum

Wo erkennst Du rückblickend die ersten Anzeichen dafür, dass die Erfolgswelle des Musikfernsehens nicht ewig halten konnte?
Schon zu Hochzeiten des Musikfernsehens wurde deutlich, dass der Apparat viel zu aufgeblasen daherkam. Man darf nicht vergessen, dass damals in der Musikindustrie unfassbar viel Geld unterwegs war. Mit 9/11 und der späteren Wirtschaftskrise wendete sich allmählich das Blatt. Als VIVA zur Jahrtausendwende an die Börse ging, musste etwa das defizitäre VIVA Zwei abgestoßen werden. Bald brach zudem der Werbemarkt ein; MTV Germany und VIVA wurden schließlich zusammengelegt. Hinzu kamen digitale Entwicklungen, die sich nicht 1:1 im Musikfernsehen widerspiegelten.

Welche Musikvideos haben Dich in der Rückschau nachhaltig beeindruckt?
Es gibt Bands, die ihre Musikvideos bis heute als Kunstwerke begreifen, Radiohead etwa. Die Foo Fighters wiederum bringen jede Menge schauspielerisches und komödiantisches Talent mit. Extrem berührend fand ich 2002 „Hurt“ von Johnny Cash: Das Video zeigt lediglich Archivmaterial sowie Cash am Klavier, bereits schwer gezeichnet von seiner Krankheit. Am Ende des Videos klappt er den Klavierdeckel zu – kurze Zeit später verstarb Johnny Cash. Ein Vermächtnis, bei dem ich damals tatsächlich eine Träne im Auge hatte. Ich bin bis heute Fan von Musikvideos und stoße immer wieder auf brillante Ideen und Umsetzungen.

Foto: Ullstein

Markus Kavka, Elmar Giglinger: MTViva liebt dich! Die elektrisierende Geschichte des deutschen Musikfernsehens, Ullstein, 528 Seiten, 21,99 Euro
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