Interview mit Mrs. Greenbird: Das Vögelchen zwitschert noch

Sarah und Steffen von Mrs. Greenbird haben mit Christopher Filipecki über Liebe und ihr neues Album gesprochen. Foto: Zander
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Das vierte Album von Mrs. Greenbird steht in den Startlöchern. Das Paar gewann 2012 die Musikshow „X Factor“. Christopher Filipecki sprach mit Sarah und Steffen.

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„Love You To The Bone“: Das neue Mrs. Greenbird-Album

In einer dermaßen schwierigen und unsicheren Zeit erscheint euer Album „Love You To The Bone“. Nennt drei Dinge, die ihr wirklich liebt, außer euch Beiden! 
Sarah: Ich liebe die Natur. Ich finde es total toll, irgendwo zu sein, wo sonst keiner ist und die Stille zu genießen. Dann liebe ich natürlich Musik. Und gutes Essen. Vietnamesisches Essen besonders.
Steffen: Ich bin so verliebt in meine Tochter! Ich habe beschlossen, Hausfrau und Mutter zu werden. Ich liebe auch unsere beiden Hunde. Und ich liebe meine Freunde. Gerade nach zwei Jahren sozialer Pause weiß man besonders zu schätzen, wie wichtig soziale Kontakte sind.

Was war denn bei euch, als ihr euch kennengelernt habt, zuerst – Liebe oder Musik? 
Steffen: Beides! Tatsächlich haben wir uns über die Musik kennen und lieben gelernt. Wobei es dann wahrscheinlich doch zuerst Musik gab, weil Sarah mich damals im Club angesprochen hat, nachdem sie mich hat mit Gitarre auftreten sehen. Schon beim ersten Date haben wir aber zusammen Musik gemacht. Der Vorwand war, sich zum gemeinsamen Singen zu treffen. Deswegen schreiben wir wohl auch so viele Liebeslieder, weil das einfach organisch herauskommt.

Euer Debütalbum liegt fast zehn Jahre zurück. Wie hat sich das Musikmachen in der Zeit für euch verändert?
Sarah: Im Grunde genommen ist vieles gleichgeblieben, zum Beispiel die Art, wie wir Songs schreiben oder auch proben. Ich würde aber sagen, dass wir uns weiterentwickelt haben. Steffen spielt zehnmal besser Gitarre als früher, auch wenn er das damals schon gut gemacht hat. Außerdem hat er sich ins Mixing eingearbeitet. Was anders ist, ist, dass wir unsere Musik vollkommen selbst in unserem kleinen Studio im Keller produzieren. Insgesamt haben wir einfach mehr Erfahrung, haben in gutes Equipment investiert. Wie wir klingen wollten, wussten wir schon immer – jetzt haben wir auch das technische Knowhow.

Das neue Mrs. Greenbird-Album ist eine Zusammensetzung aus neu komponierten Songs, Coverversionen, aber auch neu aufgenommenen alten Titeln von der Debüt-LP. Wie kamt ihr zu dieser Idee? Fühlen sich die Lieder nun stimmiger an? 
Steffen: Unser Album damals ist unter sehr hektischen Bedingungen mit vielen Kompromissen entstanden. Innerhalb von zehn Tagen musste alles fertig sein. Wir hatten da schon immer im Kopf, wie unsere Songs eigentlich klingen sollten und das Ergebnis war nicht ganz so, wie wir es uns wünschten. Deswegen haben wir immer gesagt, dass wir das Album nochmal neu aufnehmen wollen oder zumindest die Songs, die uns besonders wichtig sind. Als die Pandemie kam, war das die perfekte Gelegenheit, um dieses Projekt anzugehen, bevor wir nur in den Kittel weinen wegen ausgefallener Auftritte.

Ihr habt ein sehr schönes Album- und dazu auch aufeinander abgestimmte Singlecover. Habt ihr die selbst gestaltet? 
Sarah: Ich wünschte, wir könnten das. Wir haben eine tolle, talentierte, junge Nachwuchskünstlerin kennengelernt, Julia de Bruin. Der haben wir die Geschichten hinter den Songs erzählt und unsere Ideen fürs Cover, dann hat sie uns Skizzen erstellt und mit dem Ergebnis sind wir total happy.

Diese Cover fallen auf, aber auch ein neues Musikcover: „How Much Is The Fish“ von Scooter. Habt ihr eine Wette verloren? 
Steffen: Tatsächlich liegt die Idee, diesen Song aufzunehmen, genauso lange in der Schublade, wie die Idee, die alten Songs neu aufzunehmen. Die erste Demoversion haben wir vor zehn Jahren erstellt und war eigentlich eine Option fürs zweite Album. Somit passte es jetzt zu gut, das nun ebenfalls endlich anzugehen. Den ersten Rough Mix haben wir dann H.P. Baxxter geschickt, der auch direkt geantwortet hat, dass es ihm und den Jungs gefällt.
Sarah: Wir haben sogar eine Gitarre, die Steffen schon vor zehn Jahren eingespielt hat, behalten und in der finalen Version benutzt.
Steffen: Damit ist es der Song, an dem wir insgesamt am längsten gearbeitet haben (beide lachen).

Welche Cover stehen für Mrs. Greenbird denn noch auf der „To Do“? Vielleicht eins, wozu der andere von euch beiden keinen Bock hätte? 
Sarah: Wir haben mal „Still Loving You“ von den Scorpions gemacht, da hat mich Steffen zu gezwungen. Das fand ich ganz schrecklich. Ich wünsche mir aber mindestens einmal die Woche, dass wir „Jolene“ von Dolly Parton aufnehmen.
Steffen: Und wir haben eine ganz schräge Version von „Black Hole Sun“ von Soundgarden mal gemacht. Die Übersetzung in eine Folk-Akustik-Version hat nicht funktioniert. Konnte man keinem zeigen. Ansonsten sind wir uns aber oft einig.

Was sind eure Herzstücke auf „Love You To The Bone“? 
Sarah: Ich habe drei. Einmal der Titelsong, der gleichzeitig unser Traulied war. Ich liebe „It Will Never Rain Roses“, weil es ein Herzenssong ist und ich über die Version, wie wir sie vor zehn Jahren aufnehmen mussten, immer traurig war. Auf „How Much Is The Fish“ habe ich aber auch Lust, ich finde den lustig.
Steffen: Bei mir hat „After All“ immer einen besonderen Platz. Sarah hat den geschrieben, bevor es überhaupt Mrs. Greenbird gab, das müsste 2007 oder 08 gewesen sein. Ich weiß noch, wie sie nach Hause kam, das Demo aufgenommen hat und ich fest davon überzeugt war, dass es ein Song von jemand anderem sein muss, weil er so gut war. Irgendein Hit, der mir bis dato entgangen war. Der packt mich jedes Mal.

Mrs. Greenbird: „Bei X Factor sind wir eher zufällig gelandet“

Ihr seid nicht die typischen Menschen, die man in einer Castingshow erwartet. Ihr habt aber damals 2012 bei X Factor mitgemacht und gewonnen. Würdet ihr das aus heutiger Perspektive überhaupt nochmal machen? 
Sarah: Wir sind zufällig da gelandet und hatten das vorher nicht geplant. Steffen ist mehr oder weniger beim Einkaufen in so ein Castingteam gelaufen und hat sich überreden lassen, mitzumachen. Wir fanden die Zeit total schön, lustig und spannend, das Schönste war aber, dass wir so naiv waren und gar nichts erwartet haben. Wir wollten einfach Spaß haben und haben dann auch noch gewonnen. Stand jetzt würde ich dort eher nicht mitmachen, besonders nicht ein zweites Mal. Aber wenn ich nochmal so unbedarft wäre, vielleicht schon.
Steffen: Dass wir es nicht geplant haben, war das Beste. Einfach aus dem Bauch heraus, weil man nichts verlieren kann. Ich glaube, nur dann funktioniert das. Man spürt Leuten auch an, wenn sie zu verbissen sind, unbedingt gewinnen oder berühmt werden wollen. Darum ging es bei uns nie. Bis heute nicht. Es ging nie um Geld, Erfolg, Anerkennung – nur um Musik.

Trotzdem habt ihr voll den Nerv getroffen. Euer erstes Album ging auf Platz 1 und bekam eine Goldauszeichnung. Nun seid ihr eher ein Indie-Act. Vermisst ihr den Trubel? 
Sarah: Wir sind für die Zeit damals total dankbar und für alles, was wir erleben durften – aber so, wie es jetzt ist, entspricht es mehr meiner Persönlichkeit. Dieser Rummel hat mir nicht gutgetan, weil sehr vieles dann gar nicht mehr mit Musik zu tun hat. Der Moment, in dem man einen Preis bekommt, ist schön, aber zu 95 Prozent macht man andere Dinge, was ich sehr schade fand. Ich wollte eben hauptberuflich Musikerin sein. Das Indie-Dasein hat aber auch seine Schattenseiten. Wir haben zwar unser eigenes Label, produzieren selbst, haben aber dafür das volle Risiko, gehen in Vorleistung. Das war damals schon einfacher. Ein wenig mehr Freiheit wäre schön, indem man sich zum Beispiel eine Band dazu buchen kann, die unserer musikalischen Vision noch mehr entspricht, ohne drauf zu bezahlen.

Ihr wart sogar noch bei einem zweiten Wettbewerb dabei – im deutschen Vorentscheid des Eurovision Song Contests 2015. Verfolgt ihr die Show? 
Steffen: Tatsächlich hat der Contest nie für uns eine große Rolle gespielt. 2014, als wir in Nashville unser zweites Album aufgenommen haben, haben wir durch Zufall auch die Show geguckt, die nach amerikanischer Zeit samstagsnachmittags lief und danach noch ein oder zwei Mal mit unseren Nachbarn. Hardcore-Eurovision-Fans waren wir aber nie. Einem Künstler, für den wir einen Song produziert haben, haben wir aber empfohlen, sich da zu bewerben. Ob er es gemacht hat, weiß ich aber gar nicht.

Das neue Album ist durch eine Crowdfunding-Aktion entstanden. Wie lief das ab?
Sarah: Wir haben das aus der Not heraus aus dem Boden gestampft, weil wir zwei Tourneen nicht spielen konnten. Plötzlich standen wir mit nichts da und waren ziemlich verzweifelt. Ein Album war eigentlich gar nicht geplant, aber einfach so ein Crowdfunding ist ja auch blöd. Also haben wir uns doch für ein Album entschieden und die gesamte Aktion ist viel, viel toller gelaufen, als wir gedacht hätten. Schon nach zwei oder drei Tagen hatten wir unser Ziel überschritten, am Ende haben wir es sogar verdoppeln können, wofür wir unfassbar dankbar sind. Die Menschen haben uns wirklich durch das Jahr gerettet.
Steffen: Eigentlich hatten wir uns um Crowdfunding bisher ein bisschen gedrückt, aber für eine Band wie uns, die eine große Fannähe hat und die viel mit ihren Leuten kommuniziert, ist das genau das Richtige. Der Prozess sehr spannend und sehr intensiv. Wir hatten viele Livestreams und exklusive Inhalte, was die Fans auch ganz toll fanden. Der Bedarf war auf beiden Seiten. Mit Musik Geld zu verdienen, ist heute auch nicht mehr so linear wie früher, man muss viel mehr Kreativität bieten. Deswegen finden wir, dass das für uns ein super Tool ist.

Mrs. Greenbird erzählen von den Freuden als frisch gebackene Eltern – und von den Herausforderungen. Foto: Selene Adores

Mrs. Greenbird über die neuen Herausforderungen und Freuden beim Elternsein

Seit Mai seid ihr aber auch Eltern. Hat sich dadurch euer Workflow verändert? 
Sarah: Steffen würde wohl etwas anderes sagen, aber ich finde die Veränderung gar nicht so stark. Ich habe natürlich weniger Zeit für mich, ich darf mir kein Trödeln erlauben. Wenn unsere Tochter ein bisschen beschäftigt ist oder schläft, nehme ich mir die To-Do-Liste und arbeite sie ab. Früher hat man da viel mehr geschoben. Deswegen arbeite ich nun aber auch schneller und effektiver. Das Touren ist schwieriger, weil wir sie mitnehmen und genau planen müssen. Man fährt im Auto, singt die ganze Zeit Lieder, spielt mit einer Quietsche-Ente und ist eigentlich schon fix und alle, wenn man an der Location ankommt. Auch die Organisation, dass das Baby dann beim Konzert nicht weint oder Hunger hat, dazwischen Mrs. Greenbird-Merchandising aufbauen, mal was essen, die Show spielen, ohne ans Baby zu denken – das finde ich schwierig.
Steffen: Da sie aber eh in einem eher außergewöhnlichen Jahr geboren wurde, wissen wir gerade sowieso noch nicht, wie es nun wird. Deswegen nehmen wir die Situation, wie sie kommt. So waren wir schon immer. Man arrangiert sich drumherum. Das ist einerseits eine Herausforderung, macht aber andererseits auch sehr viel Spaß.

Konzerte sind immer noch schwierig zu organisieren. Nehmt ihr alle Konzepte, die irgendwie angeboten werden mit, oder seid ihr eher „Wenn, dann aber auch richtig“? 
Sarah: Wir sind da flexibel und haben eigentlich auch schon alles durch, was irgendwie geht. Seitdem unsere Tochter da ist, fragen wir schon genauer, ob auch genügend Tickets verkauft wurden. 700 Kilometer zu fahren, wenn nur 20 Menschen Tickets haben, von denen zehn sich nochmal spontan überlegen, wegen hohen Coronazahlen doch nicht zu kommen – da muss man sich echt überlegen, ob man es nicht doch erneut verschiebt, damit das Publikum auch mehr Spaß hat und sich alle trauen. Wir machen dann kein Minus und die Veranstalter auch nicht, was besonders wichtig ist, wenn man zwei Jahre eh schon nicht spielen durfte und dann noch draufzahlen müsste. Ein bisschen Angst hat man auch immer, muss ich sagen. Auf manchen Konzerten kommen nun viele ohne Maske, was manchmal ein unwohles Gefühl macht.

2022 wird ein spannendes Jahr für Mrs. Greenbird

Was passiert ansonsten für euch 2022?
Steffen: Wir haben erstmal unser Albumrelease vor der Brust. Außerdem haben wir uns ein paar Studioprojekte ausgedacht, an denen wir arbeiten wollen. Wir wollen also nach dem Album direkt wieder anfangen, etwas Neues zu schreiben – vielleicht auch mal aus der Situation heraus ein paar Kinderlieder. Das haben wir schon lange auf dem Zettel. Wir planen noch unsere Tour für den Herbst, da stecken wir in der Organisation. Wir wollen einen kleinen Urlaub machen. Offiziell hatten wir nämlich noch keine Flitterwochen nach unserer Hochzeit Ende 2019. Wir gucken auch immer nach anderen Künstlern, mit denen wir arbeiten könnten. Oder wir weiten unsere Label-Aktivitäten aus? Gerade in dem Bereich Folk/Americana gibt es da nicht so viel in Deutschland. Einfach alles, wofür wir nicht zu viel reisen müssten. Ideen gibt’s genug.
Sarah: Wir sind keine Menschen, die „Wo möchtest du in fünf Jahren hin?“-Pläne machen. Bei den aktuellen Umständen sollte man eher jeden Tag genießen und dankbar sein, gesund sein zu können und dass die Sonne scheint.

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