Das Runde auf dem Eckigen: Die besten Fußball-Dokus

Auch wenn gerade kein Spiel läuft, könnt ihr euch mit Fußball-Dokus eine sportliche Zeit vor dem Fernseher machen. Foto: Adobe Stock
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Nice try, American Football und Extrembügeln: Fußball ist und bleibt der beliebteste Sport der Welt. Daran können auch die „Experten“, die bei FIFA und UEFA das Sagen haben, nichts ändern (und sie geben sich wirklich Mühe). Dass man mit Fußball auch außerhalb von Live-Übertragungen und Berichterstattung Geld verdienen kann, haben natürlich auch die Streaming-Anbieter für sich entdeckt und fahren seit ein paar Jahren hochwertig produzierte Fußball-Dokus über Turniere, Vereine und einzelne Spieler:innen auf, von denen einige wirklich sehenswert sind. Andere auch nicht, aber das ist für diesen Artikel egal.

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Sunderland ‚til I Die

Ganz schön martialischer Titel, aber so ist er, der englische Fußball in den Arbeiterstädten des Nordens. Die Fußball-Doku von Netflix über die Saison 2017/2018 sollte den frisch abgestiegenen Traditionsverein AFC Sunderland bei seiner ruhmreichen Rückkehr in die erste Liga begleiten. Aus Spannungsgründen sagen wir jetzt nichts zum Ergebnis der Saison, nur, dass es eine zweite Staffel gibt. Was ja nichts heißen muss. Beide Staffeln sind für deutsche Fußball-Fans besonders sehenswert, weil sie uns zeigen, warum es vielleicht doch keine gute Idee ist, wenn Fußballvereine zum Spielzeug von Investor:innen werden. Wir sind hautnah dabei, wenn in der letzten Minute des Transferfensters doch mal deutlich mehr Geld für einen vermeintlichen Top-Stürmer gezahlt wird (dabei war Will Grigg doch „on fire“). Gleichzeitig werden neben Spielern und Funktionären aber auch die „kleinen Leute“ gezeigt, die Fußballvereine eigentlich ausmachen, zum Beispiel die Ladies vom Fish & Chips-Stand vor dem Stadion.

Underground of Berlin

Von den englischen Arbeitervierteln in die Kieze der deutschen Hauptstadt. Hier steht der Straßenfußball im Fokus, geil! Die DAZN-Doku zeigt den Werdegang der „goldenen Generation“ von Hertha BSC. Vom Bordstein bis zur Skyline, vom Straßenkicker bis in die Nationalmannschaften. Die Doku schwankt dabei zwischen Plattitüden wie „Im Käfig gab’s auf Knochen“ und wirklich spannenden Einblicken in die Jugend und den Fußball im Brennpunkt. Wer mit den Namen Änis Ben-Hatira, Chinedu Ede, Kevin-Prince Boateng, Ashkan Dejagah und Patrick Ebert nichts anfangen kann, scrollt entweder weiter oder guckt genau deshalb rein. Alle anderen holen schon mal die Pöhler aus dem Schrank und rufen ihre Freund:innen an. Der Käfig ruft! (Alle Folgen der Fußball-Doku gibt’s übrigens gratis bei YouTube. Ehre, DAZN!)

All or Nothing

Zugegeben, der Titel ist unter den ersten drei Ideen, die wahrscheinlich jedem für eine Fußball-Doku einfallen würden. Austauschbarer geht’s kaum, liebes Amazon Prime. Der Inhalt begeistert dafür aber umso mehr. In jeder Staffel begleiten wir als Zuschauer:innen einen anderen Verein aus dem europäischen Spitzenfußball (und Tottenham, hehe). Nah dran, intensiv und sau emotional. So muss das sein. Da bekommen sogar ein neureicher Verein wie Manchester City und Pep Guardiola etwas Menschliches. Auch wenn die beste Staffel natürlich die über Arsenal London mit dem fantastischen Mikel Arteta ist. „Oooh to be a Gooner…“

Für Comedy-Fans interessant: Die Spezial-Ausgabe über den WM-Auftritt der deutschen Mannschaft in Katar, mit Hansi Flicks jetzt schon legendärer Graugans-Ansprache. Freund:innen von Jerks und Stromberg sollten ihre Freude haben.

Deutschland, ein Sommermärchen

Der deutlich bessere Film über die Nationalmannschaft. Sönke Wortmann nimmt uns nochmal mit in den Jahrhundertsommer, den uns Kaiser Franz 2006 bescherte (RIP). Klar, wir alle wissen, dass Italien am Ende eine Nummer zu groß für die Klinsmann-Elf sein wird. Klar, wir wissen auch, dass bei der WM-Vergabe nicht alles mit rechten Dingen zuging („Nein! Doch! Oooh!“). Für ein bisschen Nostalgie und eine ganz leichte Gänsehaut lohnt es sich aber trotzdem, nochmal in Erinnerungen an ein Turnier zu schwelgen, dass sich irgendwie nur positiv anfühlte, aber trotzdem Schuld an einigen Scheußlichkeiten ist (Deutschlandflaggen an Autospiegel, wtf?). Als die Nationalmannschaft noch nicht „Die Mannschaft“ war.

PS: Den Film über die WM 2014 ignorieren wir an dieser Stelle, weil er einfach nur glattpolierte PR von der FIFA ist. Wir tun das, weil wir ein absolut reines Gewissen haben.

Being Mario Götze

Die WM 2014 bringt uns aber zum Protagonisten der nächsten Doku-Empfehlung. Mario Götze war seit Beginn seiner Karriere das Wunderkind, die neue deutsche Fußballhoffnung und jeder andere Superlativ, den ihr euch denken könnt. Dass ausgerechnet dieser Mario Götze das entscheidende WM-Tor schießt, ist daher eigentlich auch schon wieder so kitschig, dass man es aus einem Drehbuch rausstreichen würde. Viel interessanter und dramatischer wird es aber, wenn es darum geht, was nach dem WM-Tor kam: (Zu) hohe Erwartungen, Karriereknick, eine semi-erfolgreiche Rückkehr nach Dortmund und eine ominöse Verletzung bzw. Erkrankung. Ein junger Mann, der zum einen sagt, dass er nicht immer an dieses eine Tor erinnert werden will, zum anderen aber ein großes Bild von sich mit WM-Pokal im Kraftraum hängen hat. Wir erhalten einen Einblick darin, wie es ist (bzw. war) Mario Götze zu sein und können uns fragen: Würde ich das wollen? (Auch hier alle Folgen der Fußball-Doku bei YouTube, was da los, DAZN?)

Tom meets Zizou – Kein Sommermärchen

Thomas Broich war ein begnadeter Fußballer in einer Zeit, in der Deutschland nicht so viele begnadete Fußballer hatte (Die Phase des „Rumpelfußballs“, danke für diesen Ausdruck, Kaiser Franz). Deswegen wurde er schon früh als Hoffnungsträger für die Nationalmannschaft gehandelt, schaffte es am Ende aber (leider) nie bis ganz nach oben. Wobei Gladbach, der 1. FC Köln und der „Glubb“ aus Nürnberg jetzt auch keine schlechten Stationen sind. Stattdessen ging es für Thomas nach unten, „down under“, um in Australien sein Glück wieder zu finden. Bei den Brisbane Roar fand er seine Leichtigkeit wieder, wurde zur Legende und 2014 zum Spieler des Jahrzehnts in der australischen Liga. Diese Fußball-Doku beleuchtet seine Karriere und zeigt, wie der „etwas andere Fußballprofi“ (quasi eine Bezeichnung für alle Fußballer, die öffentlich zugeben, dass sie lesen können) seine etwas andere Karriere beschritt. So sehenswert wie einer seiner Freistöße.

Beckham

Sehenswerte Freistöße gibt es auch in der Netflix-Dokuserie über David Beckham zu sehen. Und das in Massen. Dazu kommen viele Frisuren, die Spice Girls und eine Beckham-Puppe am Galgen vor einem Pub. Interviews mit „Becks“, seiner Frau Victoria, seinen Eltern und weiteren Wegbegleiter:innen (ganz groß: Gary Neville) erzählen die Geschichte des ersten Fußball-Popstars der Welt, der einer der ganz Großen war und dann doch wieder nicht. Die Interviews werden mit Archivmaterial (unter anderem aus Beckhams Kindertagen) unterlegt, das die schöne Welt des Fußballs der Jahrtausendwende zeigt. Besonders sehenswert (zumindest als Nicht-Bayern-Sympathisant): Der United-Sieg gegen den FC Bayern in der letzten Minute des Champions League Finals 1999. Gleichzeitig gibt es Einblicke in den Kleiderschrank (bzw. die Kleiderschränke) und die Küche der Beckhams und wir erfahren, ob Victoria aus der Arbeiterklasse kommt.

Schwarze Adler

Von der schönen Welt des Fußballs der 00er Jahre zu den eher unschönen Seiten der vergangene Jahrzehnte: Wie ist das eigentlich so, als Schwarze:r in und sogar für Deutschland Fußball zu spielen? Und das nicht 2023, sondern schon in den 70ern und 80ern? Der Film beleuchtet das in Interviews mit 14 Spieler:innen aus fünf Jahrzehnten, ergänzt um historisches Archivmaterial. Dabei sind unter anderem Gerald Asamoah, Erwin Kostedde und Steffi Jones. Wir sehen und hören dabei auch, dass Rassismus im Fußball keineswegs ein Thema der 80er und 90er ist – und dass es bei diesem Thema nicht nur um die unfassbar dämlichen Affenlauten auf den Rängen geht.

Zu sehen unter anderem kostenlos bei der Bundeszentrale für politische Bildung.

Unparteiisch: Deutschlands Elite-Schiedsrichter

Stimmt, beim Fußball stehen ja mehr als die 22 Spieler:innen beider Mannschaften auf dem Platz. Eigentlich sollen sie nicht im Mittelpunkt stehen und tun es dann doch unfreiwillig immer wieder: die Schiedsrichter:innen. Sie sind unverzichtbar, reisen um die Welt, verdienen auch ganz gut und trotzdem will den Job eigentlich keiner mehr machen. In den untersten Ligen werden sie angepöbelt, bedroht und sogar angegriffen. In den oberen Ligen ist das zwar etwas ruhiger (zumindest, was die körperliche Gewalt angeht), dafür sind hier der Druck und die Erwartungen auch viel größer. Wie groß, das zeigt diese ARD-Doku in fünf Folgen. Eine deutlich bessere Videoanalyse als der Kölner Keller es jemals bieten kann.

Zu sehen in der ARD Mediathek.

Podcast-Tipp: 11 Leben

Die Nachspielzeit läuft und wir bringen überraschend noch einen Podcast-Tipp rein, um durch eure Defensive zu wirbeln. Ein wahrhaft Mourinho-esker Schachzug. „11 Leben“ heißt das Projekt, das Max-Jacob Ost den Verdiensten von Uli Hoeneß gewidmet hat. Und das sind nicht wenige. Am Verlauf der Karriere des Ulmers beschreibt er dabei quasi im Vorgehen die Entwicklung des FC Bayerns und des gesamten deutschen Fußballs. Und das macht er auch noch so unfassbar gut, dass sogar Bayern-Hassern nicht der Spaß vergeht. Besonders amüsant: Der Abschnitt, in dem berichtet wird, dass Hoeneß örtliche Discounter-Filialen aufsucht, um zu prüfen, ob seine Bratwürste auch korrekt platziert sind. Hier lauert Ost dem Technik-Verweigerer in der Hoffnung auf ein persönliches Gespräch auf. Denn bis zum Ende schwebt über allem die Frage: Wird es eine Audienz in der Hoeneß-Villa am Tegernsee geben? Staffel 2 ist für 2024 angekündigt.

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