80s Kult: Depeche Mode schließen Tour in Köln ab

Depeche Mode sind seit März 2024 auf Tour. Am 8.4. findet die "Memento Mori"-Tour in Köln ihr Ende. Das Foto stammt vom Auftritt in Madrid vergangenen Sommer. Foto: picture alliance/dpa/EUROPA PRESS | Ricardo Rubio
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Am 24.3.2023 erschien mit „Memento Mori“ das aktuelle Depeche Mode-Album. Es ist das 15. der Band, aber das erste ohne Gründungsmitglied und Keyboarder Andrew Fletcher. Einen Tag vor der Veröffentlichung startete die dazugehörige Livetour, die insgesamt 112 Gigs in rund 54 Wochen umfasst und in wenigen Tagen ihr Ende findet. Die letzten drei Shows sind in der Kölner Lanxess Arena. Wir waren bei der ersten dabei.

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Depeche Mode: Nun nur noch ein Duo

Für eine Band, die seit 44 Jahren – was eine Zahl – existiert, sind gerade einmal fünf Bandmitglieder verdammt wenig. Drei von ihnen sind von Beginn an dabei. Keyboarder Andrew Fletcher verstarb im Mai 2022 mit gerade einmal 60 Jahren an einer schweren Krankheit. Doch Dave Gahan am Gesang sowie Keyboarder, Gitarrist und Sänger Martin Gore führen das Lebenswerk als Duo weiter. Schließlich redet man hier von nicht weniger als nach einer der 20 erfolgreichsten, nach Verkaufszahlen, aber wohl noch mehr stilistisch einflussreichsten Bands der Musikgeschichte. Ihr Synthie-Pop mit Rock-Elementen, New-Wave-Einstreuungen, Dark- und Dream-Pop-Akzenten ist unverkennbar. Welche andere Band präsentiert ihre Hooks so oft eher in den Instrumentals statt in den Gesangsmelodien?

Auch beim Auftritt im Olympiastadion in Berlin im vergangenen Sommer zeigte Dave Gahan seine Moves, währenddessen Martin Gore die prägnanten Gitarren-Motive zockt. Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

112 Gigs in Nordamerika und Europa, nahezu alle sold out

45 Shows in Nordamerika, 67 in Europa, davon 16 in Deutschland. Wer also Lust hatte, hatte einige Möglichkeiten, dabei zu sein. NRW kommt gleich fünfmal auf seine Kosten – erst vergangenen Juni zweimal in der Merkur Spiel-Arena in Düsseldorf, zum Abschluss der gesamten Tour nun das große dreiteilige Finale in der Lanxess Arena zu Köln. Die Jungs sind mittlerweile Ü60, so ist zwischen den Shows immer mindestens ein Off-Tag ohne Auftritt geplant. Den Auftakt der letzten drei Gigs gab es am 3.4., Teil 2 am 5.4. und die wirklich letzte Runde am 8.4. Mit etwas Glück gibt es noch vereinzelt Tickets für Plätze seitlich der Bühne.

Dave Gahan besitzt auch mit 61 Jahren noch eine sehr einzigartige Bühnenpräsenz, der man sich nur schwer entziehen kann. Foto: picture alliance/dpa | Jan Woitas

Dave Gahan & Martin Gore: Starke Präsenz, starke Persönlichkeiten

Zu wissen, dass dort Menschen stehen, die einfach weit mehr als zwei Drittel ihres Lebens auf der Bühne bereits verbringen, ist höchst beeindruckend. Erstmalig sind sie jedoch im Kern als Schaffende nur noch zu zweit. Der Song „Behind the Wheel“ vom 1987 erschienen „Music for the Masses“ ist ihrem verstorbenen Kollegen Andrew gewidmet. Die Widmung fällt kurz aus, ein Bild von ihm wird eingeblendet, Dave Gahan sagt kurz ein paar Worte, wirft dem Foto einen wehmütigen Blick sowie eine Geste mit der Hand zu.

Ansonsten ist Gahan wesentlich expressiver unterwegs. Er dreht sich unzählige Male schnell im Kreis, hat mit seinen weißen, spitzen Schuhen Elvis-Moves drauf, als ob Rock’n’Roll durch die Boxen dröhnt, geht hier und da für einige Sekunden explizit auf Fans in der ersten Reihe zu, um Blickkontakt zu suchen. Das hat stets etwas künstlerisches. Ein Traumtänzer, der in seiner Musik abtaucht. Andererseits steckt aber auch sein Image in seinen Poren tief fest, sodass er nach den Songs mal auf die Bühne spuckt, obszöne Bewegungen an seinem Mikrofonständer ausübt oder sich genussvoll in den Schritt greift.

Zwei der berührendsten Momente gehören in Köln ganz allein Martin Gore. Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Depeche Mode: Intimität trotz größter Konzerthalle Deutschlands

Daneben steht der eher milde und introvertiertere Martin Gore, der auch mit 62 Jahren noch wunderbar luftige, schöne und klare Vocals präsentiert, die über der betörenden Bassstimme Gahans schwebt. Beide klingen live wahnsinnig gut und für ihr beachtenswertes Alter tonal noch sehr treffsicher. Gore bekommt im Mittelteil zwei Soli und darf bei „Strangelove“ und „Home“ nur von mit Klaviersounds bespickten Synthies die intimsten, ruhigsten Momente sein Eigen nennen, was bei einer ausverkauften Lanxess mit bis zu 20.000 Besucher:innen sowieso nur selten passiert.

Für Fans gipfelt die Rührung wohl nur noch in der ersten Zugabe „Waiting for the Night“, in der Dave und Martin beide den in den Golden Circle ragenden Steg nutzen, um ganz vorn bei ihren treusten Anhänger:innen zu sein. Begleitet wird der Moment von ihren zwei langjährigen Begleitmusikern Peter Gordeno und Christian Eigner, die – routiniert wie sie sind – von Beginn an fantastische Arbeit leisten. Der Sound in der Lanxess ist stimmig abgemischt, besonders die Bassdrum kickt einige Male richtig tief und lässt Körper vibrieren. Neben den großen Persönlichkeiten, die dort stehen und Musik eines Genres präsentieren, das sie quasi erfunden haben, gibt es sonst wenig, was ablenkt. Die Musik bleibt Fokus, auch wenn die wirklich riesige Leinwand hinter der Band stets sehr schöne, aber nie zu wirre Visuals zeigt und das Licht stimmig leuchtet, aber nicht übertrieben knallt.

Von den Megahits gab es mit „Enjoy The Silence“, „Just Can’t Get Enough“ oder „Personal Jesus“ gleich mehrere. Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

22 Songs aus vier Dekaden und von neun Alben

15 Alben hat die Band herausgebracht, neun davon liefern Songs für den Konzertabend. Vier sind von dem aktuellen „Memento Mori“ entnommen, der Großteil kommt von sämtlichen großen Erfolgen aus den 80ern und 90ern, aus den 2000er-Jahren sind gerade einmal zwei Songs dabei. Einige Male sind die Fangesänge nach Titeln so laut, dass es spontan eine verlängerte Version gibt. Besonders laut wird es natürlich bei den konsequent am Ende platzierten Dauerbrennern „Enjoy The Silence“, „Just Can’t Get Enough“, „Never Let Me Down Again“ und „Personal Jesus“, zu denen wild gewinkt und geklatscht wird. Auch auf den Rängen, die bis zum äußersten Rand unterm Dach voll sind, sitzt man bei nahezu keinem Song und bewegt sich stattdessen mit den sphärischen Beats.

Depeche Mode sind Kult, ziemlich einzigartig und auch im hohen Alter noch massenbewegend. „Memento Mori“ ist das achte Nummer-1-Album der Briten in Folge und hinter den Rolling Stones das zweiterfolgreichste Werk des vergangenen Jahres. Es hinderte sogar Herbert Grönemeyer an seinem Platz 1, der es gelassen nahm. Wer mit Anfang 60 immer noch so groß vorne mitspielt, muss was ganz Besonderes haben. Und ja, das konnte man in Köln in 130 Minuten zweifellos erkennen. Wer weiß, wie viele Chancen es noch für Liveshows dieser Atmosphäre und Größenordnung gibt – auch wenn’s hoffentlich nicht die letzte war, so wäre es doch umso ärgerlicher, wenn man sie nicht wahrgenommen hätte.

Die „Memento Mori“-Tour geht nach über 100 Gigs nun in Köln zu Ende. Foto: Anton Corbijn

Weitere Termine: 5.4. + 8.4., Lanxess Arena Köln
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