Nickelback in Köln: Weit mehr als nur ein Song

Nickelback sind mit ihrer "Get Rollin'"-Tour aktuell in Europa unterwegs. Am 30.5. war Stopp in Köln. Foto: Richard Beland
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Mit ihrem 2022 erschienenen Album „Get Rollin'“ sind Nickelback endlich wieder zurück auf Tour und machen gleich zwölfmal Halt in Europa, darunter dreimal in Deutschland. Wir haben für euch den Köln-Gig in der Lanxess Arena besucht und viele positive Eindrücke mit nach Hause genommen.

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Nickelback in Köln: Haters gonna hate

Es gibt Musik, die erfolgreich ist und gefühlt alle lieben – es gibt aber auch Musik, die viel Erfolg hat und gleichzeitig von sehr vielen so gar nicht gemocht wird. Bei der kanadischen Hard-Rock-Band Nickelback wurden die negativen Stimmen konsequent immer lauter, je größer der Erfolg wurde, und der wuchs bis Mitte der 2000er permanent an. Mit dem fünften Album „All The Right Reasons“ erreichten Frontmann Chad Kroeger und seine drei Bandmitglieder den Peak und verkauften stolze 18 Millionen Einheiten, womit die LP zu den weltweit erfolgreichsten des laufenden Jahrtausends zählt.

Doch parallel zum Erfolg musste die Band viel Häme und Hass aushalten. Als einer der ersten Acts überhaupt wurden sie die Zielscheibe vieler vernichtender Kommentare im Internet und mit Memes lächerlich gemacht. Einer der Hauptaspekte: Ihre Musik klinge immer gleich.

13.000 Fans allein in Köln

Mit 13.000 verkauften Tickets ist die Lanxess Arena in Köln am 30.5., Fronleichnam, nicht ausverkauft, aber zu gut 80 Prozent gefüllt. Im Innenraum wird noch nicht gekuschelt, viel Platz ist jedoch am Ende der stehenden Menschen auch nicht mehr. Der Unterrang ist ebenso gut voll, lediglich im Oberrang hätte man noch ordentlich Auswahl gehabt.

Das ist das Album „Get Rollin'“, zu dem aktuell die Tour läuft. Foto: BMG

Nickelback sind mittlerweile zu einer generationsübergreifenden Band geworden, so bringen viele junge Eltern auch ihren Nachwuchs mit, der selbstverständlich wie Mama und Papa das passende Tourshirt trägt. Auch wenn nach dem Supererfolg in den 2000ern das Interesse weniger wurde und das letzte Album sowie das aktuelle, 2022 erschienene „Get Rollin'“ verkaufstechnisch eher enttäuschten, ist die Lust auf Live so gar nicht verflogen. Nachdem man zwischen Januar 2023 und April 2024 bereits rund 60 Shows in den USA und Kanada spielte, wird es nun Zeit für die Fans in Europa. Die deutschen Fans dürfen sich gleich auf drei Gigs freuen, was nach vier Shows in UK das zweitgrößte Angebot ist. Die restlichen fünf Auftritte der „Get Rollin'“-Europatour sind in der Niederlande, der Schweiz, Österreich, Italien und Tschechien. In Deutschland ist die Band das erste Mal seit 2018, das erste Mal in Köln wieder seit 2016.

The Lottery Winners & Nickelback in Köln

Solange sich so viele Konzerte weiterhin lohnen, kann man zweifelsfrei von Erfolg sprechen. Außerdem hat sich die Band als Support nicht irgendwen aufdrücken lassen, sondern selbst ausgesucht: The Lottery Winners, eine aus UK stammende und mittlerweile ziemlich erfolgreiche Indie-Pop-Band, deren letztes Album in ihrer Heimat auf die 1 ging, drehten zur Coronazeit eine Coverversion von Nickelbacks Megahit „Rockstar“ – und der kam in seiner individuellen, irisch-geprägten Art besonders gut bei Chad und der Band an, sodass sie schon damals entschieden, bei der nächsten Europa-Tour, die Band im Vorprogramm spielen zu lassen.

Und das kommt wirklich verdammt gut an. Mit einer Spielzeit von 45 Minuten starten The Lottery Winners schon um 19:30 Uhr und machen exakt das, wozu sie eigentlich da sind: Sie bringen starke Stimmung in die Arena, animieren die Besucher:innen zum Mitklatschen und Mitsingen. Frontmann Thom zählt sämtliche Vokabeln auf, die er auf Deutsch kennt. Das ist einerseits ganz schön schräg, andererseits aber super unterhaltsam und witzig. Selten werden Vorbands dermaßen bejubelt.

Hier scheinen Nickelback einen sehr guten Riecher zu haben. Als Dankeschön für die perfekt erledigte Arbeit vorab darf die Band im Mittelteil der Hauptshow nochmal zurück auf die Bühne und gemeinsam mit den Kanadiern den Oasis-Klassiker „Don’t Look Back In Anger“ performen – auch das wird frenetisch und mit viel Stadiongesang von Tausenden von Menschen im Raum unterstützt.

Zig Hits und zwei womöglich zukünftige „Rockstars“

Doch auch wenn die Coverversion von allen textsicher mitgegrölt wird, so gibt es davor und danach noch viele weitere Songs, die mit starker Atmosphäre durch den Innenraum bis hoch zur obersten Oberrang-Reihe schallen. Um 20:48 Uhr startet der Headliner. Nickelback spielen gute 100 Minuten. 17 Titel stehen auf der Setlist, darunter gerade einmal zwei vom Album, das für die Tour als Pate fungiert. Die Band weiß natürlich, dass es auch viele Gelegenheits- oder Radiohörer:innen gibt, die beim Konzert vorbeischauen, und der Großteil ihrer Hits schon etwas her ist. Deswegen hält man sich nur kurz im Hier und Jetzt auf und spielt stattdessen einen Querschnitt aus der gesamten Historie. Aus zehn Longplayern haben sie aus acht Lieder ausgewählt, darunter gleich fünf vom Superseller „All The Right Reasons“.

Wer seit dem Millennium nur hin und wieder das Radio oder damals noch das Musikfernsehen eingeschaltet hat, kennt locker die Hälfte der Setlist. „Far Away“, „Someday“, „When We Stand Together“, „Photograph“, „How You Remind Me“, „Gotta Be Somebody“ und das in Deutschland mit Platin veredelte „Rockstar“ sind alles Ohrwürmer, die im gut abgemischten Sound in der Lanxess aus den Boxen ballern. Zum Letztgenannten werden zwei Frauen aus dem Publikum auf die Bühne geholt, die mit der Band singen und performen dürfen. Beide machen das mit solch einer Lockerheit, als ob sie täglich kaum etwas anderes tun. Selfies zum Abschluss und der „Once in a Lifetime“-Moment ist perfekt.

Ein Patzer. Aber wirklich nur genau einer.

Chad singt weiterhin tonal sicher die Leadstimme, auch wenn seine Stimmfarbe um einiges heller wirkt, als man es von den Studioversionen gewöhnt ist. Besonders im Zusammenspiel mit dem zweiten Gitarristen Ryan, der weit mehr ist als nur ein Background, klingt der Gesang super. Beide haben neben ihren regulären Mikrofonen noch jeweils ein zweites, das mit unterschiedlichen Effekten belegt ist. Hat man lediglich die Hits im Ohr, wird man besonders von einigen restlichen Titeln überrascht sein, denn die knallen oftmals mit wesentlich mehr Härte. Hier zeigen Nickelback klar ihre Grunge-Herkunft, sodass man zum Opening „San Quentin“ sowie zum Finalsong „Burn It To The Ground“ wirklich erstaunt sein kann, wie wenig soft das Quartett, das bei einigen Songs von einem weiteren Instrumentalisten ergänzt wird, spielen kann.

Mittig der Show gibt es übrigens jeden Abend eine Überraschung, nämlich einen wechselnden Track. Der ist in Köln das eher funkig angehauchte „She Keeps Me Up“ aus 2014, das zuletzt vor sechs Jahren live gespielt wurde. Der funktioniert nicht auf Anhieb, Chad setzt falsch ein – und genau das ist ein gutes Zeichen dafür, dass hier wirklich etwas probiert wird, es sich immer noch um eine Live-Inszenierung handelt und man neben der ansonsten routinierten Show sich und den Fans einen Mehrwert bieten mag. Coole Idee.

Nickelback in Köln: Stadionrock, wie man ihn braucht

Nickelback liefern neben ihrer bekannten Batterie an Hits generell ein richtig gutes Konzert ab. Zwischendrin erwarten einen spontane Anmoderationen mit deutschen Lieblingsausdrücken wie „Geile Scheiße“. Die farbintensiven Visuals mit einem mit Vollgas fahrenden Auto auf der Leinwand, die zwischenzeitlich sogar über kleinere Bildschirme an den Rängen einmal rund um die Arena projiziert werden, sowie eine angenehme Lichtshow sind die einzigen Showeffekte. Das genügt aber allemal, um ein klassisches Stadionrockkonzert wie eben jenes hochzukochen. Da gibt es krachende Momente, da gibt es Augenblicke für mehr Intimität, da wechseln sich Rockballaden, Metal-Phrasen und Country-Pop-Rocker ab.

Hookig ist fast alles – und warum ist das falsch? So langsam sollten wir alle wirklich aus dem ewigen Diss heraus sein. Niemand braucht sich für ein Genre oder einen Artist zu schämen, den er:sie mag. Solange man es mag, ist das auch ok und ausreichend. Ende. Und ganz ehrlich: Da gibt es wirklich sehr, sehr, sehr viel schlechtere Acts, die keinen Hate aushalten müssen und sehr viele andere Acts, die weitaus monotoner klingen als Nickelback. Somit: Schluss mit Guilty Pleasure, lasst uns alle gemeinsam schmettern: „This is how you remind me of what I really am…“

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Keine weiteren NRW-Termine angekündigt, der nächste Deutschland-Termin ist am 8.6. in der Olympiahalle in München.

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