Jan Ammann: „Du musst kein Arzt sein, um zu helfen“

Jan Ammann geht mit "This is the greatest Show" auf Tour. Foto: Markus Werner
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Jan Ammann wollte Arzt werden, ist nun aber Musicalstar. Im Interview mit Sandra Heick erzählt er von inneren Kämpfen, seiner Nachtvogelzeit – und warum er auch gerne mal Zirkusdirektor ist.

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Auf Tour: „This is the greatest Show“

Im Februar startet die große „This is the greatest Show“-Tour, die auch in NRW zu sehen sein wird. Worauf freust du dich am allermeisten, Jan?

Darauf, wieder in die Rolle von Zirkuspionier P. T. Barnum zu schlüpfen! Der macht mir von der Inhaltlichkeit, Verrücktheit, Buntheit und Ernsthaftigkeit her unglaublich viel Freude. Und ich mag den Gesangsstil sehr. Hugh Jackman hat im Film „Greatest Showman“ eine tolle Vorlage geliefert, hat eine tolle Stimme und eine unglaublich positive Wirkung. Umso schöner ist es, das Privileg zu haben, seine Rolle spielen zu dürfen. Das macht mich stolz.

Die Songs aus dem Film bieten viele Anknüpfungspunkte, um als Künstler gut hineinzufinden, oder?

Die Songs wie „A million Dreams“ und „From now on“ haben solch eine Tiefe! Es ist in meinen Augen eine neue Art von Musicalfilm, er geht in eine andere Musikalität als das Gewohnte. Diversität steht im Scheinwerferlicht, die Großartigkeit des Menschen in vielerlei Facetten – und auch Abgründe bleiben nicht im Dunkeln. Wie das alles erzählt wird – es gefällt mir. Damit kann man hervorragend arbeiten.

Jan Ammann: „Er haut dich um“

Der Showman-Block, das konnten viele schon auf der Tour 2022 erleben, haut einen um. Er hat eine ganz besondere Kraft.

Ganz genau das. Er haut dich um – auch als Künstler. Der musikalische Stil ist herausfordernd, ich habe zur Vorbereitung auch Gesangsunterricht genommen. Egal, wie lange man im Geschäft ist, auch wenn man ein gestandener Sänger ist – man sollte immer an sich arbeiten. Das finde ich ganz, ganz wichtig. Es gibt so viel zu erkunden. Jeder Tag ist ein neues Aufwachen. Wenn ich aufstehe und mir morgens meinen Kaffee mache, dann habe ich eine neue Chance, etwas in mir zu entdecken. Wenn mich etwas so begeistert wie die Musik des Showman-Films, entwickle ich großen Ehrgeiz und bin ein Beißer. Koste es, was es wolle: Ich bretter‘ mit meinem Kopf durch vier, fünf Wände, egal ob‘s wehtut. Hauptsache, das Resultat stimmt.

Wie sieht deine Vorbereitung denn aus?

Ich habe mir zum Beispiel die Texte oben an eine Türzarge geklebt und immer an diese Zarge gesungen, um den Kopf zu heben. Das Ding ist: Da ich eher klassisch ausgebildet wurde, bin ich geneigt, eine sehr grade Haltung zu haben und das Kinn ein wenig runterzunehmen. Das ist technisch korrekt, aber für das Gefühl des Zuschauers nicht immer zuträglich, weil da keine unmittelbare Erreichbarkeit ist. Aus diesem Grund war es mir wichtig, zu verinnerlichen, Kinn und Blick nach vorne zu richten. Ich will mich nicht auf das verlassen, was war, sondern auf das vorbereiten, was kommt. Das ist so etwas, das ich in mir entdeckt habe.

Warum funktionieren die Songs so gut, deren Texte du so oft an die Zarge gesungen hast?

Es ist Legit-Gesang, klassisch geprägt, angelehnt ans Kommerzielle. Was der Masse gefallen soll, braucht musikalische Abstriche, um einen gemeinsamen Nenner zu finden. Diese Abstriche gibt es im Film – ohne, dass die Songs beliebig sind, wie es Radio-Pop oft ist. Da ist ein perfekter Spagat gelungen. Addiere dann noch tolle Tänzer und Kostüme, und schon rockt die Show!

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Jan Ammann tat sich lange schwer mit Musicalfilmen

Hast du den Film mit Hugh Jackman oft gesehen?

Ja! Wobei ich, wenn ich ehrlich bin, sagen muss: Als ich ihn zum ersten Mal zusammen mit meiner Frau gesehen habe, war ich alles andere als begeistert. Der Film hat mich nicht abgeholt. Ich konnte  Musicalfilme ja eigentlich nie leiden. „La La Land“, sie tanzen auf der Autobahn – das ist doch bescheuert, dachte ich mir. Vollkommen unrealistisch! Ich war nicht bereit dafür. Aber dann habe ich mir „La La Land“ ein zweites Mal angesehen und Gefallen gefunden. Weil die Story toll ist.

Als Sänger habe ich einfach folgendes Problem: Wenn in einem Film gesungen wird, lenkt mich das von der Story ab. Ich denke zu viel mit, analysiere den Stil, gleiche meinen damit ab. Da muss ich von weg, um mich auf die Handlung und die Emotionen einlassen zu können. Es hat auch bei „The greatest Showman“ mehr als einen Anlauf gebraucht, aber dann habe ich den Film gefeiert.

„We can live in a world that we design“ heißt es im Song „A million Dreams“. Wie sähe eine Welt aus, die du gestalten würdest?

„Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt…“ Da würde ich es wie Pippi Langstrumpf angehen. Würde alles ein bisschen kreativer, bunter und wertfreier gestalten. Es würde weniger demonstrativ agiert und mehr für Akzeptanz geworben. Es würde weniger Gräben geschaufelt. Aktuell wird immer und überall gegraben – und das nervt mich! Zudem würde ich als Mann gerne mein Schwert in der Hand halten dürfen, ohne schief angeguckt zu werden.

Als archaischer Kämpfer?

Ich gehe einfach gerne in den Kampf und bin mal kurz das Alphatierchen, das sich auf die Brust trommelt. Also stehe ich jeden Morgen um 4.15 Uhr auf, mache Sport und kämpfe gegen die Gewichte, bevor es ins Eisbad geht. Anfangs habe ich mich kaputtgelacht und mir gedacht: „Was mache ich denn hier?“ Aber dann habe ich mich nach den Gründen dafür gefragt, dass ich immer intensiver Sport machte. Klar: Ich war nicht zufrieden mit mir. Das Problem kennt jeder. Aber meine Probleme waren so groß, dass sich Frustration entwickelt hat.

Inzwischen weiß ich: Ich mache den Sport nicht, um für andere gut auszusehen und auch nicht wirklich, um für mich gut auszusehen – sondern weil er mir innere Ruhe gibt. Letztens habe ich zu meiner Frau gesagt: „Wenn ich morgens keinen Sport mache und nicht in diesen Kampf gegangen bin, dann kämpfe ich den ganzen Tag gegen den Alltag.“ So aber bin ich gechillt.

Warum Jan Ammann dachte, ein Nachtvogel zu sein

4.15 Uhr ist ziemlich früh…

Ich habe lange gedacht, dass ich ein Langschläfer bin. Als ich Graf von Krolock in „Tanz der Vampire“ gespielt habe, dachte ich mir, ich sei wirklich ein Nachtvogel. Aber ich war dieser Nachtvogel nur, weil ich viele Probleme und Hürden nicht angepackt habe. Das lange Schlafen – es war im Grunde ein permanentes Wegrennen. Aber jetzt sehe ich die Sanduhr meines Lebens vor mir, die umgedreht wurde. Sehe den Sand dahinrinnen… Und er rinnt so schnell! Das macht mich sehr nachdenklich, und darum will ich auch nicht mehr lange schlafen.

Zudem verzichte ich inzwischen auf Alkohol, abends gibt es kein Gläschen Wein mehr und auch keinen Gin-Tonic. Wenn man den Drang verspürt, sich zu betäuben, sollte man doch mal in sich gehen… Und auch eine Autoimmunerkrankung spielt beim Verzicht eine Rolle – ich vertrage den Alkohol schlecht, hab das aber lange nicht realisiert. Mein Ernährungswissenschaften-Fernstudium hilft, körperliche Prozesse zu verstehen. Nun gibt es abends alkoholfreien Gin Tonic oder Tee oder Wasser – und ich bin viel glücklicher als zuvor. Habe viel mehr Spaß am Leben. Der Wendepunkt hätte gerne früher in meinem Leben kommen können, aber am Ende eines Dornenwaldes bist du vor allem eins: dankbar.

Vatersein, die Musical-Shows, deine Rolle bei Unter Uns, das Fernstudium, der Sport… Du hast ein ziemlich hohes Pensum, oder?

Schon. Aber weil das Leben auf dieser Erde so kurz ist, mache ich gerne viel. Auch gerne zu viel. Du brauchst halt vor allem eins: Begeisterung. Sie macht so vieles leichter. Trotzdem hätte ich manchmal neben der Begeisterung auch gerne vier Arme, vier Beine und drei Hirne…

Aber: Das größte Glück ist es für mich, andere glücklich zu machen. Ich sehe es als Teil meiner Aufgabe auf dieser Welt an. Einst wollte ich Arzt werden, aber mein Vater sagte: „Wenn du das machst, dann enterbe ich dich. Bleib lieber Künstler. Damit bist du besser dran.“  Womit er Recht hatte. Doch du musst kein Arzt sein, um zu helfen. Das kannst du auch als Künstler. Auch, indem du Dinge ansprichst und Tabus brichst. Wir vernuscheln und zerkauen viel zu oft unsere innerliche Zerrissenheit, dabei sollten wir darüber reden. Das ist so wichtig. Ich kann bestimmt nicht alle Türen öffnen – aber ich kann an einigen klopfen. Dann muss jeder selbst entscheiden, ob er sie öffnet.

Termine in NRW:
11.03.2023 19:00 Uhr Halle / Westfalen OWL EVENT Center
15.03.2023 20:00 Uhr Bochum RuhrCongress
16.03.2023 20:00 Uhr Aachen Eurogress
17.03.2023 20:00 Uhr Düsseldorf Capitol Theater Düsseldorf
18.03.2023 14:30 Uhr Düsseldorf Capitol Theater Düsseldorf
18.03.2023 20:00 Uhr Düsseldorf Capitol Theater Düsseldorf

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