Ein Spielzeitüberblick bis zum Sommer von Ariane Schön.
Dreifacher Mord
Mörderisch starten gleich drei Opernhäuser ins neue Jahr: „Herzog Blaubarts Burg“ als einaktige Oper von Béla Bartók kommt in Wuppertal, Essen und Hagen raus. Man lernt, dass es nicht immer ratsam ist, alles über die Expartnerinnen erfahren zu wollen – auch Judith hätte ihren Geliebten Blaubart besser nicht befragt. Doch Blaubarts blutige Vergangenheit löst eine ernste Beziehungskrise aus. Dieses Psychogramm in Batóks impressionistischer Klangwelt schlägt jeden Paartherapeuten in die Flucht.
In Hagen folgt der Kurzoper eine Tanzchoreografie mit dem verlockenden Titel „Der wunderbare Mandarin“. Dahinter steckt eine Story rund um Kriminalität und Prostitution, das 1926 uraufgeführte Werk (ebenfalls von Bartók) war seinerzeit ein Skandal. Unter der Leitung von Kevin O’Day wirft das Ballett-Ensemble einen tiefen Blick in menschliche Abgründe. Der im Februar am Hagener Schauspiel angekündigte „Hamlet“ passt thematisch perfekt dazu (Regie „Blaubart“ & „Hamlet“: Francis Hüsers) und nach Shakespeares Intrigantenspiel geht es mit „Parsifal“ unter die Rittersleut.
In Richard Wagners Mammutwerk absolviert der titelgebende Held einige Prüfungen auf dem Weg zum Gralskönig, an der Wuppertaler Oper ist es der „Tannhäuser“, der als rebellischer Außenseiter mit der Gesellschaft hadert. Um einen Mann und dessen Wandlung ins andere Geschlecht geht es in „Hedwig and the angry Inch“, ein mitreißendes Rock-Musical zur Transgender-Thematik, zu sehen ab 5.2. am Gelsenkirchener Musiktheater.
Stückentwicklungen in Dortmund
Am Dortmunder Schauspiel begegnen sich im Januar der Revolutionär Pierre und die feine Dame Eve im Totenreich, so jedenfalls hat es Jean-Paul Sartre in „Das Spiel ist aus“ von 1943 vorgesehen. Experimenteller wird’s in der Stückentwicklung „The head in the door“. Darin entwirft der aus Film und Fernsehen bekannte Schauspieler Milan Peschel mit sieben Schauspielern eine „rasende Komödie über den Stillstand“. Vielversprechend klingt auch die geplante Theaterexpedition „Danach“, in der die Regie führende Selma Spahic mit den Schauspieler:innen alles auf null setzt: Was wäre, wenn wir alles vergessen hätten und eines morgens in einer Stadt erwachen, aber nicht mehr wissen, was es heißt, in ihr zu leben?“
Andere Fragen stellt sich das Dortmunder Schauspiel-Ensemble gemeinsam mit Anje Prust, ihr geht es um den Körper in Bewegung. Sie entwickelt eine Performance für die Hinterbühne rund ums Tanzen, eine Annäherung an die Kulturgeschichte und eine Untersuchung des Rauschhaften. Deshalb heißt es ab Februar: „Und ihr wolltet tanzen, also: tanzt!“
KI statt Autor?
Das Ende der Autorenschaft steht kurz bevor, denn am Theater an der Ruhr entsteht die „Müllermaschine“, ein Text frei nach Heiner Müllers „Hamletmaschine“, der ganz autark von einer selbstlernenden künstlichen Intelligenz geschrieben wird. Anhand von Müllers assoziativer Bilderwelt entstehen Szenen und Dialoge, die ohne weitere dramaturgische Eingriffe auf die Mülheimer Bühne kommen. Parallel dazu schreibt sich der Text im Internet fortwährend weiter.
Spannend ist auch die monatliche Online-Live-Serie basierend auf Hunter S. Thompsons Romanen „The Rum Diary“ und „Fear and Loathing in Las Vegas“. In sechs Folgen begleiten die Zuschauer sechs Darsteller:innen durch ein Amerika der 60er Jahre mitsamt Drogenexzessen; in Echtzeit können Bilder, Videos, Sounds oder Texte beigesteuert werden. Ab Februar gibt’s dann noch zwei Produktionen mit dem italienischen Kollektiv Anagoor („Germania. Römischer Komplex“, „Vom Licht“), beides unter der Leitung des international gefeierten Regisseurs Simone Derai.
Und jede Menge große Stoffe…
„Wann treffen wir drei uns das nächstemal bei Regen, Donner, Wetterstrahl?“ fragt sich die erste Hexe im schottischen Hochland zu Beginn von Shakespeares „Macbeth“. Mal schauen, wie der Bochumer Intendant Johan Simons dem brutalen Gemetzel ab Januar begegnet. Mehrfach verschoben wurde der musikalische Abend „Mit anderen Augen“. Das erfolgreiche Duo Selen Kara und Torsten Kindermann verspricht ab 12.2. eine sinnliche Reise in die Welt der Wahrnehmung mit Geräuschen, Songs und Texten über das Sehen.
Im Musical-Genre bewegt sich ein Stückimport aus Zürich am Schauspielhaus Bochum: „Der Streik“ ist eine von Regisseur Nicolas Stemann entwickelte und hoch gelobte Inszenierung nach einem Roman von Ayn Rand, in dem mit viel Ironie und Melodramatik die Kapitalismusfrage durchgespielt wird. Ein Blick zum Grillo-Theater Essen: Bereits zum zweiten Mal beschäftigt sich dort Thomas Ladwig mit einem Roman von Bestseller-Autor Jonathan Safran Foer. Es geht um „Extrem laut und unglaublich nah“, eine Identitätssuche im Angesicht der Anschläge vom 11. September. Eine weitere Dramatisierung folgt mit „Das achte Leben“ von Nino Haratischwili in der Regie von Elina Finkel. Verhandelt werden die Schicksale von acht georgischen Frauen, eng verwoben mit historischen Ereignissen der letzten 100 Jahre.
Nicht kleckern, sondern klotzen heißt es in Düsseldorf, große Titel stehen bevor: Friedrich Schillers „Maria Stuart“, Virginia Woolfs „Orlando“, Thomas Manns „Der Zauberberg“ und „Dorian“ nach Oscar Wildes berühmter Vorlage in einer Fassung von Darryl Pinckney und Robert Wilson. Da fällt die Entscheidung schwer.
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