Straßentheater 2.0: Das sind Wallfahrer

Bereit für ein bisschen Action? Fotos: Wallfahrer
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Sie nennen es selbst „immersives Theater“. Theater, das nicht nur durch den Beifall des Publikums lebt, sondern ohne Publikum gar nicht erst funktionieren kann. Wallfahrer brauchen ihre Freiwilligen, die ihnen bei ihrem Programm helfen und mit ihnen gruselige, spannende, aufregende und verzauberte Wege beschreiten. Wir stellen das außergewöhnliche Duo aus Witten vor.

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Gestatten: Damon & Torx

Damon und Torx sind die Protagonisten der Wallfahrer-Show. In den aufwendigen Kostümen stecken der Heilpädagoge Norman Hesse und Sozialarbeiter Jens Esser, die erst vor knapp drei Jahren das Konzept entwickelten. Den Namen haben die beiden ausgewählt, weil sie einen alten, deutschen Schlagbegriff wollten, der im Kopf bleibt. Ansonsten darf der Zuschauer entscheiden, was er darin sehen mag. Wandern? Spiritualität? Freie Wahl!

Jens & Norman – die Jungs hinter Wallfahrer

Wallfahrer ist in erster Linie ein in einer Fantasiewelt stattfindendes Theaterstück, bei dem die Zuschauer permanent mit eingebunden werden. Gleichzeitig beinhaltet es viel schwarzen, sarkastischen Humor, kleine Horrormomente und Zauberei. Obwohl der Schwerpunkt auf das Theater gesetzt wird, funktioniert die unkonventionelle Idee auch außerhalb geschlossener Räume. Die Jungs, die sich im Movie Park kennenlernten und schnell eine gemeinsame Ebene fanden, ziehen mit ihrem gemieteten 3,5 Tonner durch das Land und bauen in mühevollster Kleinstarbeit in fünfeinhalb Stunden ihre ganz eigene Bühne auf. Danach ist noch gut 90 Minuten Schminken und Umziehen angesagt.

In der Szene stechen sie hervor

Mit ihrem ersten gemeinsamen Projekt, das in kurzer Zeit extrem gut ankam und viele Fans fand, haben Norman und Jens eine Nische für sich entdeckt. „Was Straßentheater angeht, ist ein derartiger Umfang an Technik ungewöhnlich groß“, erklärt Jens. Die Beiden stellen sich eben nicht mit drei Jonglierbällen hin und erzählen dazu einen toterzählten Kalauer. „Allein mit einem Wort zu beschreiben, welches Genre wir spielen, ist unmöglich“, ergänzt Norman, da sowohl das Storytelling als auch die Inszenierung im Vordergrund stehen.

Besser nicht zu nahe kommen!

Das, was nach einer riesigen Produktion aussieht, ist ausschließlich durch die beiden Ruhrgebietler entstanden. Norman kümmert sich um Booking, Marketing und Technik, Jens um Storyline, Kostüm und Requisite. Niemand anderes bastelt mit, stattdessen werden zunächst unauffällige Materialien so bearbeitet bzw. gebaut, dass sie wie aus einer anderen Zeit wirken und anschließend stilvoll in die Show integriert.

Viel Vorerfahrung?

Dass beide vorher noch nie in der Richtung was gemacht, sich ihre Skills selbst beigebracht haben und sich neben ihren eigentlichen Jobs in der Freizeit darum kümmern, überrascht. Beide sind sich sicher, dass sie ihre Show auch nicht vergrößern könnten, ohne mindestens eine Person anstellen zu müssen.
Ein angenehmer Grat zwischen Zeug für Nerds und dem mainstreamigen Publikum. Jens baut permanent Gimmicks aus der Popkultur ein, die Insider erkennen können. Auch Feuer, Elektrizität und Wasser finden ihren Weg in die Trickkiste. Gleichzeitig nutzen die Zwei die Faszination für Halloween bzw. Horror, um sich daraus Elemente zu schnappen, die sie familientauglich einbauen können. Die Zielgruppe richtet sich nämlich an jeden – angefangen bei den Kleinsten, endend bei den Größten. Private Kindergeburtstage und Altenheime passen demnach gleichermaßen, aber eben klassisch als interaktives Zusammenkommen aller Anwesenden. „Alle reden immer von der Digitalisierung. Wir können aber sagen, dass es zurück zum Analogen geht. Die Menschen wollen etwas Physisches sehen“, sagen beide einstimmig.

Wo es die Jungs dieses Jahr zu sehen gibt, findet ihr auf ihrer Homepage.

Und genau hier liegt aktuell der Knackpunkt. Regulär spielen Wallfahrer unter freiem Himmel. Als der Frühling 2020 einkehrte, kam Corona, sodass der volle Terminkalender mit allen großen Festivals, Gaukler- und Mittelaltermärkten und auch Grusellabyrinthe bis auf einen Auftritt gestrichen werden musste. Glücklicherweise werden fast alle Veranstaltungen einfach um ein Jahr verschoben und die Einladungen bleiben bestehen. Dass sie allein schon dermaßen breitgefächert Beachtung genießen, zeigt, dass eine einzelne Schublade ihnen nicht genügt. Da sich die Show Stück für Stück stätig verändert und an Professionalität gewinnt, können auch diejenigen, die die Beiden bereits sehen durften, getrost ein weiteres Mal vorbeischauen und einige Veränderungen finden. Obendrein gibt es mit der Crowdfunding-Aktion „Patron des Bösen“ die Möglichkeit, Wallfahrer in der schweren Zeit zu unterstützen, exklusive Inhalte zu erfahren und Teil der Fan-Community zu werden.

Frische Ideen brauchen Unterstützung

In ihrem Bereich gehören Norman und Jens, die es zwischendrin auch mal wagen, von ihrer Leidenschaft leben zu können, zu den Jüngsten und geben damit der old-schooligen Straßenkunst einen individuellen und frischen Anstrich. Gerade in Deutschland droht diese Unterhaltungsform auszusterben. „Häufig werden bei Straßenfesten Künstler aus ganz Europa eingeflogen, weil hier Newcomer zu wenig unterstützt werden“, berichtet Jens. Norman ergänzt: „Dabei bekommen wir regelmäßig von Fachleuten sehr gutes Feedback und man sagt, dass wir ein Alleinstellungsmerkmal besitzen“. Das sollte natürlich auch gefördert werden.

Letztes Jahr wären Norman und Jens bei dem Kleinkunstfestival auf der Insel Usedom aufgetreten, bei denen sich die Besten des Genres duellieren. Wenn das dieses Jahr nachträglich klappt, wäre ein Sieg für zwei junge Talente aus dem Ruhrgebiet mehr als wünschenswert.

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