Monster Job: Maskenbildnerin an der Deutschen Oper am Rhein

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Menschen in Rokoko-Damen verwandeln oder 40 Jahre altern lassen – was sich anhört wie die Allmachts-Fantasie eines durchgedrehten Wissenschaftlers, ist der Alltag von Isabell Gredig. Die Maskenbildnerin macht ihre Ausbildung an der Deutschen Oper am Rhein und nimmt im März an der Deutschen Meisterschaft teil. Das Motto: Monster. Tossia Corman hat sie besucht.

Schon vormittags ist ordentlich was los an der Düsseldorfer Oper – am Bühneneingang werden riesige Kulissenteile verladen, im Foyer tummeln sich Menschen. Mittendrin: Isabell Gredig. Die 23-jährige Mönchengladbacherin ist Auszubildende in der Maskenbildnerei des Hauses. Als Teilnehmerin aus NRW hat sie sich für die Deutsche Meisterschaft für Maskenbildner in Ausbildung qualifiziert. Als eine von Acht wird sie am 11. März im Rahmen der „make-up artist design show“ , einer Fachmesse für Maskenbildner und Visagisten in der Düsseldorfer Messe um den Titel kämpfen. Das diesjährige Thema: Monster.

Gredig, die im zweiten Lehrjahr an der Oper Düsseldorf ihren Beruf lernt, wusste schon früh, dass sie ans Theater möchte: „Ich hab nach meinem Abi verschiedene Praktika gemacht, beim ZDF, aber auch hier an der Oper. Dadurch hat sich mein Entschluss gefestigt.“ Auch ein Studium in diesem Bereich hatte sie ins Auge gefasst, war in Dresden bei der Aufnahmeprüfung. „Aber nach meinem Praktikum hier habe ich den Ausbildungsplatz angeboten bekommen – da hab ich sofort zugeschlagen“, lacht die sympathische junge Frau. Während sie erzählt, macht sie sich an die Arbeit: Die Maske ist eingerichtet, Schminkutensilien liegen ordentlich aufgereiht vor dem großen Spiegel. Praktikantin Hanna wird heute verwandelt. In Frankensteins Braut. Passend zum Thema der diesjährigen Meisterschaft. Wie sie ihre persönliche Horrorvision zum Leben erwecken, dürfen sich die Teilnehmer selber ausdenken. „Ich habe mich im Vorfeld total viel mit der Marterie auseinandergesetzt, viele Bücher gelesen, Bilder geschaut“, erzählt Gredig. Entschieden hat sie sich – ganz klassisch – für einen Vampir.

Ihren Entwurf hat sie dann als Bewerbung an das Wettbewerbs-Komitee geschickt, unter vielen Teilnehmern wurde sie ausgesucht. Am Wettbewerbstag selber wird sie dann ihre Idee auf das Model übertragen. Die Kriterien, nach denen bewertet wird, sind streng überwacht von einer internationalen Jury. Bernd Uwe Staatz, der Chef-Maskenbildner der Deutschen Oper am Rhein, hat den Vorsitz. „Das ist natürlich doppelt aufregend, dass mein Chef in der Jury sitzt“, so Gredig. Nicht nur ihr Ausbildungsleiter sei er, sondern auch ihr Vorbild. „Anerkennung von ihm zu bekommen, das ist mir wichtiger als der erste Preis“, erzählt sie mit einem Augenzwinkern. Aber auch eine Trophäe einzuheimsen ist natürlich ihr Ziel. „Man gewinnt einen Geldpreis, aber auch Workshops, zum Beispiel in London.“ Und auch für das Ansehen in der Szene ist so ein Gewinn nicht schlecht. „Natürlich gibt es Konkurrenz, da muss man herausstechen.“ Trotzdemsei die Stimmung herzlich. Auch zwischen den Teilnehmern: „Ich bin total gespannt, was die anderen präsentieren“.

Ein Praktikum zu bekommen sei relativ leicht, sofern es an den Häusern entsprechende Vakanzen gäbe, erklärt Wahl-Düsseldorferin Gredig, während sie die Grundierung bei Hanna aufträgt. Bewährt man sich dann noch beim Eignungstest, ist auch eine Ausbildung in greifbarer Nähe. „Da wird alles mal angerissen, Perücken knüpfen, frisieren, schminken, Masken modellieren.“ Ihr Arbeitsalltag sei stressig, aber schön. Beim Werkstattdienst stellt sie Perücken und Haarteile her, nimmt Gipsabdrücke und modelliert Maskenteile, wie an einem „ganz normalen“ Arbeitstag von 9-17 Uhr. Die Vorstellungsdienste gehen etwas später los. „Da ist man während der Vorstellung am Abend abrufbereit.“ Manchmal hält sie sich auch direkt an der Bühne auf: „Das ist eigentlich der aufregendste Part, da geht es manchmal auch ganz schön stressig zu.“

Manchmal, ganz selten, komme es vor, dass es während einer Vorstellung Komplikationen gäbe und nicht genug Zeit für das Umziehen und Maske-Auffrischen sei. „Dann heißt es, Perücke drauf und ab geht’s“, erzählt sie lachend. Ohne Hose musste allerdings noch nie jemand auf die Bühne. Erklären müsse sie dann und wann, ob ihr Beruf denn ein „richtiger“ sei, das bisschen Schminken könne doch jeder: „Wenn ich dann anfange zu erzählen, was in so einem Haus hinter den Kulissen alles passiert, verstehen die meisten, dass der Job sehr anspruchsvoll ist.“ Und natürlich werde sie im Freundeskreis auch gefragt, ob sie nicht privat jemanden schminken könne. Zu Karneval oder besonderen Situationen wie einer Hochzeit: „Das mach ich auch total gerne. Vor allem, wenn man sieht, wie sehr sich die Leute freuen.“ Das mag sie an ihrem Beruf: Den Moment der Verwandlung, aber auch die Freude danach. „ Wenn man merkt, dass ein Schauspieler durch sein Make-Up mehr in seiner Rolle ankommt, weil ich einen guten Job gemacht habe – das ist toll.“ Man fühle sich schließlich ganz anders, wenn man plötzlich eine Rokkoko-Frisur habe. Auch „hässlich“ muss Gredig manchmal schminken, da hält sich die Freude dann erstmal in Grenzen. „Aber meistens geht das auch schnell vorbei, und gerade die Damen wollen dann immer noch einen draufgesetzt haben“, erzählt die Maskenbildnerin lachend.

Bis zu 90 Minuten kann so eine Verwandlung dauern. Bei der Maske für die Frankenstein-Praktikantin sind es nur 30 Minuten. „Trotzdem, so ganz still zu sitzen, fällt einigen sehr schwer“, berichtet sie, während sie auf dem Gesicht der zu Schminkenden Narben und Wunden aus Silikon modelliert. Mit einem Spachtel trägt sie die Masse auf und formt sie. „Wenn man richtig gruselig aussehen will, muss man da durch“, sagt Gredig, während sie an Frankensteins Braut letzte Hand anlegt und Kunstblut aufträgt. Dann kommen die Haare dran. „Das ist auch ein großer Part eines Kostüms, beziehungsweise der Maske.“

Mittlerweile sitzt auch die Frisur bei Ms. Frankenstein und die Autorin selbst ist neugierig geworden. Kurzerhand nimmt Gredig die Silikontube in die Hand und fängt an, ihr eine Narbe auf der Wange zu schminken. Erfährt man eigentlich viele Geheimnisse während des Schminkens? Immerhin ist die Situation, ähnlich wie beim Friseur, ziemlich intim. „Ja, das ein oder andere bekommt man schon mit. Aber natürlich bleiben meine Lippen verschlossen“, so Gredig lächelnd. Und auf Knoblauch oder Zwiebeln im Essen verzichte sie, wenn sie schminken müsse: „Das ist mir selber unangenehm, man kommt sich ja schon sehr nah.“ Auch die anatomischen Merkmale einzelner Personen kennt sie mittlerweile gut. „Ich erkenne manche Schauspieler schon an der Struktur der Haare“, lacht die angehende Maskenbildnerin.

Und nimmt sie den Job auch mit nach Hause? „Oh ja, ich erwische mich schon manchmal dabei, wie ich zum Beispiel in der Bahn Leute ganz genau anschaue und mir überlege, wie ich bestimmte Faltenverläufe schminken würde.“ Ein weiblich besetzter Beruf sei die Maskenbildnerei, erzählt Gredig. „Das war früher anders, da wurden die Männer von Männern geschminkt und die Frauen von Frauen.“ Heute sei das nicht mehr der Fall.

Vor der Meisterschaft im März stehen im Februar erstmal die Zwischenprüfungen an. „Die Maskenbildnerei ist ein sehr breit aufgestelltes Fach – wir lernen auch Grundlagen von Film-Make-Up, Visagisten-Tätigkeiten und sogar Dermatologie.“ Darum sei der Wettbewerb gerade noch nicht so präsent in ihren Gedanken. Gredig lacht: „Das ist gut, dann mache ich mich nicht schon jetzt völlig verrückt“. Wenn sie die Ausbildung beendet hat, würde sie gerne weiter an einem Opernhaus oder Theater arbeiten. „Das ist auch die sicherste Option, eine Festanstellung zu bekommen.“ Ihre Schwester studiert Modedesign, von ihr weiß sie, wie schwer es auf dem umkämpften Markt der Kreativen sein kann. Die blutige Narbe auf dem Gesicht der Autorin ist mittlerweile fertig. Und die Praktikantin im Frankenstein-Look überlegt, ob sie mit Maske zur Mittagspause gehen soll. „Ich habe direkt in meiner ersten Woche eine Glatze geschminkt bekommen, da muss man durch“, erzählt Gredig lachend.

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