Musik von hier 4/2022: Neue spannende Sounds von NRWs-Szene

Foto: Adobe Stock
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Während das Thermometer weiterhin absolute Topzahlen zeigt, braucht ihr mit Sicherheit auf die Lauscher auch die passende musikalische Untermalung beim Schwitzen. In unserer beliebten Reihe „Musik von hier“ ballern wir euch heute neun EPs und LPs von Künstler:innen aus unserem Bundesland um die Ohren. Wir sind gespannt, wen ihr für euch entdeckt und liebgewinnt.

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OK Kid – Drei

Fast vier Jahre Stille. Zwar kamen bei den Kölnern von OK Kid während der letzten Zeit vereinzelt Singles zum Vorschein, aber das große Ganze fehlte. Das zeigt sich nun in „Drei“, dem – surprise! – dritten Album der Formation rund um MC Jonas Schubert. Es stellt eine Art Zusammenführung aus der Zeit vor Corona, während der Hochphase sowie nun in der Gegenwart da, und ist dementsprechend nachdenklich, manchmal gar trist, aber nie hoffnungslos, dafür immer berührend. Deutsch-Rap mit klugen und klaren Inhalten, die hervorstechende Kleinigkeiten und Randerscheinungen im Leben fokussieren, um auf diese mehr Aufmerksamkeit zu legen. In dem emotionalen „Kein Mensch“ gibt es ein überraschendes Saxophonsolo, das die Stimmung unterstreicht.

Seyran – 2022

Von Baku nach Köln: Seyran ist in Aserbaidschan geboren, aber schon seit mehreren Jahren in dem schönsten Bundesland der Nation ansässig. Er konnte 2019 bereits bei „The Voice of Germany“ auf sich aufmerksam machen und die Jury begeistern – nun greift er mit einer acht Tracks umfassenden EP an, die super professionell produziert klingt und richtig starken Pop bereithält. Problemlos könnte der Künstler damit sein Heimatland beim Eurovision Song Contest vertreten. Die liefern nämlich jährlich ähnlich dramatische, eingängige und dennoch mitreißende Titel. Orientalische Sounds, vier Oktaven Stimmumfang, laszive Augenblicke, queere Beats, stylisches Auftreten und treffsichere Melodien ergeben eine EP mit hoher Qualität. „My Name is Loneliness“ schreit nur so nach Hit.

MAZ’N – On My Mind

Eine EP, bei der der Macher dahinter nicht nur als Produzent fungiert, sondern auch das Klavier, die Synthies und Klarinette eingespielt hat, selbst singt, und das Endresultat dazu noch wie von einem namhaften DJ klingt – so ein Ergebnis bekommt man nicht alle Tage. MAZ’N, bürgerlich Christian Junge, aus Köln hat aber auf seinen vier Songs auf „On My Mind“ genau das gewagt und echt sehr stimmige 13 Minuten erschaffen. Die wandeln zwischen Dream-Pop, House, Electro und Minimal hin und her und fühlen sich wirklich gut an. Frische, tanzbare Rhythmen, die man im Club um fünf Uhr morgens hören mag, kurz bevor das Licht angeht. Das Opening „Hold on“ hat richtige Love-Parade-90s-Vibes. Unbedingt diese Saison noch einmal open air zu tanzen!

Karmakind – Mosaik

Ein spannendes Projekt aus Bochum lässt aufhorchen. Karmakind bieten auf ihrem Debütalbum satte 79 Minuten Musik, aufgeteilt auf zwölf Tracks, die gleich mehrmals die acht Minutenmarke knacken. Klingt vielleicht zunächst erschlagend, ist aber beim Entdecken die perfekte Länge, um abzutauchen. „Mosaik“ ist eine LP, die mit Sprachen spielt – Deutsch, Englisch, Arabisch, Kurdisch, Spanisch – genauso wie mit Instrumenten – Flöte, Synthies, Gitarren – und mit Genres. Hier mag man sich nämlich zwischen House, Goa, Psychedelic, Dubstep und World Music nicht entscheiden, was letztendlich genau die richtige Entscheidung ist. Ob mit hochwertigen Kopfhörern im Bett, um eine Klangreise zu erleben oder live vor der Bühne tanzend: Unangepasst und trotzdem gut zugänglich. Aufgepasst: Ein Remixalbum mit neun Alternativversionen existiert auch schon.

Oliver Wonschik – Schöne Pferde

Oliver Wonschick macht Musik, seit er 15 ist. Und das ist immerhin schon 30 Jahre her. Mit seiner Band Shadows like the Day schrieb er fast 200 Songs. Erfahrung hat der Herr aus Mülheim also allemal. Seit sechs Jahren macht er solo weiter und legt mit „Schöne Pferde“ die vierte LP vor – und die ist atmosphärisch ziemlich gelungen. Schöne, melancholische Gitarrenhooks wechseln sich mit dem etwas düsteren Bassgesang sowie mehrstimmigen Parts ab und ergeben gemeinsam stimmigen Deutsch-Rock, der mal Blues-, mal Country-, mal Singer/Songwriter-Einflüsse zulässt. „Dein Name ist Gemein“ fasst das Konzept gut zusammen. Thematisch stehen schlechte Charaktereigenschaften im Vordergrund, die in manchen Situationen aber weiterhelfen können. Interessante Beobachtungen und Gedankengänge. Genauer zuhören lohnt.

Bloodhoney – Loaded Guns

Wenn Bottrop auf Dorsten und Oberhausen trifft, kommt da glücklicherweise nicht nur eine Ode an die längst geschlossenen Zechen im Umfeld heraus, sondern straight nach vorne gehender Rock mit ordentlichem Punk-Anteil. Die vier Mitglieder Mika, Pat, Moe und Edel von Bloodhoney zocken erst seit letztem Herbst zusammen, haben aber nach wenigen Wochen schon ihren ersten gemeinsamen Auftritt in Marl hingelegt. Seit April 2022 gibt es die erste EP „Loaded Guns“ mit vier Songs, die man früher so in vielen der stark verrauchten Kneipen mit klebrigem Boden gehört hätte. Da wünscht man sich die alte Zeit doch wieder zurück. Sänger und Gitarrist Edel shoutet sich wutgeladen und mit Weltschmerz getränkter Stimme durch die treibenden Tracks. „Get Impressed“ bringt’s gut auf den Punkt. Neues Material und Livegigs sollen dieses Jahr noch folgen. Also stay tuned, guys!

Kasalla – Rudeldiere

Letztes Jahr wäre zehn Jahre Kasalla gewesen. Wirklich groß feiern konnte man das zwar außer mit einer Best-of-Platte nicht, aber dafür gibt es nun mit ein wenig Verspätung das neue Studioalbum. Das ist mit 78 Minuten (!) auch quantitativ sehr umfangreich ausgefallen. Gleich 16 Tracks hält das Kölsche Quintett bereit, und die machen wieder ziemlichen Spaß. Wer dem kölschenen Dialekt nicht ganz abgeneigt ist und die Band noch nicht näher begutachtet hat, sollte die Chance mal nutzen. Weit weg von Karnevalsklischees klingen die Songs von „Rudeldiere“ nämlich viel mehr nach groovigem Gute-Laune-Pop-Rock zum Mitgrölen und Hüpfen. Eine Prise Queerbeat, ein Spritzer Broilers, das Poppige von Revolverheld und eben eine ordentliche Ladung Lyrics, bei denen Nicht-Kölner:innen etwas genauer zuhören müssen. Anspieltipps: Das irisch-angehauchte „Di Leed“ oder das Feature mit Eko Fresh „Jröne Papajeie“

Mambo Kurt – Sommerhits

Warum auch nur Chirurg sein? Rainer Limpinsel aka Mambo Kurt ist Mitte 50, Bochumer und schon längst ein Star der Region, lädt man ihn und seine Heimorgel doch nicht nur zu den Festivals der Area wie Bochum Total ein, sondern gleich zu den ganz großen Wackens dieses Landes. Mambo Kurt zelebriert auf seinem neusten Album die heiße Jahreszeit und liefert 15 herrlich schräge und verschrobene Coverversionen, wobei… 14 sind es plus eine eigene Komposition, die mit ihrer ständig wiederholenden Punchline „Der Sommer wird geil“ nicht mehr so schnell aus dem Gedächtnis verschwindet. Im Background hört man an einigen Ecken seine Nichte Anne. Muttis schwofen zu „Sun of Jamaica“, Ü30er erinnern sich an ihre Teenagerzeit bei „Summer Jam“, die Frisch-Aus-Dem-Ei-Gepellten bekommen „Senorita“ von Shawn Mendes & Camila Cabello.

Mary – Homesick Asylum

„Pop-Punk is not dead“, behauptet die Newcomerin Mary aus Mönchengladbach. Deswegen pfeffert sie den Zuhörer:innen auf ihrer knackigen Fünf-Tracks-EP „Homesick Asylum“ auch nur zackige Töne ins Gesicht, die scheppern. Nicht überproduziert, nicht immer perfekt in tune, sondern eben rotzig, frech und glaubwürdig. Sie schreibt die Titel, steht an der Gitarre und am Mikro, alles andere wurde nach ihren Wünschen ergänzt. Wer das Sagen im Ring hat, ist somit klar. „Steps“ könnte auch ein Outtake des Twilight-Soundtracks sein, mit „Witches Burn“ steht Mary irgendwo zwischen Avril Lavigne und Garbage. Obacht: Zu ihrem Soloprojekt gehört auch eine Akustiknummer am Vertikaltuch. Was für Augen und Ohren also.

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