Interview: Carolin Kebekus über ihr feministisches DCKS-Festival

Carolin Kebekus ist mit neuen Folgen ihrer "Die Carolin Kebekus Show" zurück - und mit einem besonderen Festival. | Foto: WDR/Boris Breuer
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Warum gibt es eigentlich so verdammt wenige Frauen bei Musikfestivals? Carolin Kebekus geht diesem unschönen Phänomen auf den Grund – und bietet gleichzeitig einen Gegenentwurf an. Am 6.6., Pfingstmontag, findet erstmalig das „DCKS-Festival“ statt, „Das Carolin Kebekus Show-Festival“, bei dem nur weiblich gelesene Künstlerinnen auf den Bühnen stehen werden. Christopher Filipecki sprach mit der kultigen Comedienne in der heißen Vorbereitungsphase.

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Kebekus‘ Ansicht von Feminismus

Eine einfache oder doch schwierige Frage: Was ist für dich Feminismus, was ist es nicht?
Für mich ist Feminismus, dass man sich dafür einsetzt, alle Menschen gleich zu sehen, sodass sie die gleichen Rechte haben, gleichbehandelt werden und sich gleich entfalten können mit denselben Chancen. Feminismus ist für mich nicht, wenn man sagt, wir wollen alle Männer abschaffen. Davor haben viele auch Angst, aber das ist es nicht.

Nenne deine drei Feminismus-Vorbilder!
Da fällt mir als erstes Simone de Beauvoir ein. Ihre Bücher sind immer noch total aktuell. Dann bin ich großer Fan von Margarete Stokowski. Ich finde, dass sie immer wieder Texte über Themen schreibt, von denen ich zunächst denke, dass ich darüber alles weiß, aber man dann doch merkt, welch anderes Bild man noch im Kopf hat. Und ein ganz persönliches Vorbild ist Charlotte Roche, mit der ich auch privat eng befreundet bin und die mir wahnsinnig viele kleine Stupser gegeben hat.

DCKS-Festival von Carolin Kebekus: So viel Orga steckt dahinter

Du organisierst nun dein erstes Festival und dann auch noch das erste Festival dieser Art. Bist du aufgeregt?
Ja, natürlich. Jeden Tag. Wir haben ständig Calls zum „DCKS Festival“. Es gibt so viele Sachen zu bedenken, aber auch so viele Menschen, die da gerne auftreten möchten. Unglaublich, wie viele Bewerbungen wir bekommen haben. Wenn mir jetzt noch einmal jemand sagt, es gäbe keine weiblichen Bands oder Bands mit weiblicher Frontperson, dann lache ich nur noch hysterisch. Das ist wirklich krass, wir könnten allein 20 Newcomer-Festivals daraus machen.

Kannst du denn Skills aus deinem bisherigen Job anwenden oder begibst du dich auf völlig neues Terrain?
Doch, da ist schon viel, was sich überschneidet. Einfach der Showablauf und die Organisation einer Veranstaltung – damit kennen wir uns aus. Es kommen aber neue Sachen dazu, zum Beispiel der Wechsel von einer Künstlerin zur anderen. Was brauchen die? Was haben die für Technikansprüche? Wenn ich selbst auf Tour bin, habe ich ein festes Setting und mehr passiert dann nicht. Bei dem Festival ist jeder Gig anders. Ich lerne also viel Neues dazu.

Du bist aber auch in allen Bereichen involviert?
Am Anfang war ich in allem involviert. Jetzt sind wir aber in einer Phase, in der es eher Arbeitsgruppen gibt. Meine Aufgabe ist nun mehr inhaltlich.

Carolin Kebekus: „Wenn es ein Startschuss in eine neue Zeit wäre – das fänd‘ ich total geil.“

Wie hast du denn die Künstlerinnen überhaupt ausgewählt? Wart ihr schon vorher vernetzt, waren das Vorschläge aus deinem Team, haben sich Künstlerinnen direkt beworben?
Es ist eine gute Mischung aus allem gewesen. Wir hatten recht schnell eine Liste mit Leuten zusammen, die wir gerne haben wollten, mussten dann aber bald feststellen: „Oh, die sind selbst auf Tour! Und die können gar nicht! Ach, die kommen gar nicht, wenn wir anrufen, weil sie selbst was zu tun haben und stehen gar nicht zur Verfügung?“ (lacht).
Die Favoritinnen, die Zeit hatten, haben jedoch alle sofort zugesagt, sodass es schnell nur noch wenige freie Slots gab. Wir überlegten dann, was wir damit nun machen wollen, weil sich auch so viele Newcomer-Frauen beworben haben. Es wäre ja schade, wenn wir viele gar nicht sichtbar machen könnten.

Es gibt parallel Musik und eine Talkbühne!
Genau, auf der Talkbühne haben wir so fantastische Leute wie Hazel Brugger, Judith Holofernes oder Auma Obama, die Halbschwester von Barack Obama. Ich glaube, das wird super spannend und dass wir viele tolle Themen bearbeiten können.
Ich hoffe, dass wir auch ein paar Leute bekommen, die an entscheidenden Stellen in der Musikbranche sitzen und uns berichten können, wie genau eigentlich die Abläufe sind und warum so viele Frauen durchflutschen. Es muss doch einen Ansatz geben, an dem man dann ansetzen kann! Alle sind sich einig, dass es zu wenig Frauen auf Festivals gibt. Es gibt auch niemanden, der sagt: „Wir wollen keine Frauen, Frauen sind blöd!“, sondern alle sehen das Problem.
Deswegen ist es für mich auch kein Festival, mit dem wir auf andere mit dem Finger zeigen. Wir wollen einfach ein Zeichen dafür setzen, dass man ein cooles Festival nur mit Frauen machen kann.  Wenn es ein Startschuss in eine neue Zeit wäre – das fänd‘ ich total geil.

Trittst du eigentlich selbst auch bei dem Festival auf oder bist du nur die Moderation?
Nein, ich trete auch selbst auf. Ich werde das Festival sogar musikalisch mit einer fulminanten Openingnummer eröffnen. Es lohnt sich also, pünktlich da zu sein – auch, damit ich mich nicht blöd fühle, wenn sich alle Zeit lassen. (lacht)

Es gibt nicht genügend spannende weibliche Acts für ein Festival? Darüber kann Carolin Kebekus nur noch lachen. | Foto: WDR/Boris Breuer

„Aber letztendlich […] ist den Zuschauern doch völlig egal, welches Geschlecht da oben steht“, so Kebekus.

Dein Festival und deine Show „Die Carolin Kebekus Show“ wird mit „DCKS“ abgekürzt und könnte somit also auch als „Dicks“ gelesen werden. Haben Frauen „Den Größeren“ beziehungsweise „Die dickeren Eier“ der Gesellschaft?
Ach, keine Ahnung. Eier haben ja alle. Wir sogar teilweise mehr schon in uns drin, quasi seit der Geburt. Aber letztendlich, um ein schönes Festival zu machen, ist den Zuschauern doch völlig egal, welches Geschlecht da oben steht. Man muss einfach gute Musik machen und wer die dickeren oder mehr Eier hat, sollte am Ende egal sein.

Was glaubst du, warum sich überhaupt so eine männerdominierte Lineup-Szene entwickelt hat? Was ist deine Theorie?
Naja, wir leben in einem patriarchalischen System. Das sind männliche Strukturen, die so gewachsen sind. Wenn man möchte, kann man auch ganz früh ansetzen, als Frauen noch gar nicht öffentlich Instrumente spielen oder ihre Kompositionen veröffentlichen durften. Das ist zwar schon länger her, aber eben noch nicht lange genug.
Auch die Arbeitsbedingungen ändern sich für Frauen nur sehr langsam. Wenn eine Frau Mutter wird und dann mit dem Kind auf Tour gehen möchte, müsste sie schon Pink sein, damit sie sich das überhaupt leisten kann. Das ist wirklich eine Herausforderung.
An den entscheidenden Punkten sind eben immer noch männliche Personen diejenigen, die Entscheidungen treffen. Auch an Musikhochschulen gibt es wesentlich weniger Frauen, die ihren Abschluss machen. Oder der Frauenanteil bei öffentlich-rechtlichen Big Bands – da ist es genau eine Person in ganz Deutschland. Mir kann aber wirklich niemand erzählen, dass es keine Frau gäbe, die das nicht gern machen möchte.

Hättest du denn, wenn es gut läuft, Lust, daraus eine regelmäßige Reihe zu machen?
Absolut. Wenn ich jetzt schon sehe, was sich im Hintergrund von diesem Festival alles an Organisation vernetzt, ist das wirklich viel und toll und zeigt das Potenzial. Ich hoffe also, dass wir es weitermachen.

Ist Carolin Kebekus „die einzige, wahre Comedienne“?

Viele betiteln dich gerne als „die einzige, wahre Comedienne“ Deutschlands, obwohl es eigentlich noch sehr viele neben dir gibt. Ehrt dich das oder stresst dich das eher?
Natürlich ist es eine Ehre, wenn jemand sagt, ich sei die Lustigste von allen. Aber wenn man das ein bisschen hinterfragt, stimmt die Aussage oft nicht. Lange war es Anke Engelke, dann kam Cindy aus Marzahn, dann ich – als würde es nur eine geben, was ja totaler Schwachsinn ist. Es ist so gelernt, dass man es gerade in Deutschland am besten erträgt, wenn nur eine die Lustigste ist und man alle anderen dann mit der vergleicht.
Es gibt gar keine Vielfalt in der Wahrnehmung. Dabei sind die Comediennes so unterschiedlich und reden auch über ganz unterschiedliche Themen. Alle werden miteinander verglichen und gerne wird auch gesagt, dass doch eine sogar reicht. Besonders, wenn’s ‘ne Frau ist, die etwas lauter ist und ihren Platz einfordert – dann haben alle direkt den Eindruck, dass die aber sehr viel Platz einnimmt und sehr viel haben will.

Gab es denn Momente, in denen du dachtest: „Wenn ich jetzt ein Mann wäre, wäre alles so viel einfacher und zielführender“?
Das hatte ich besonders in Momenten, wenn’s um Verhandlungen ging, also um Geldsachen. Da dachte ich immer: „Wenn ich jetzt der oder der wäre, würde ich eine ganz andere Summe kriegen.“ oder auch in Momenten, in denen ich gesagt habe, was mir nicht passt. Ein männlicher Kollege hätte durchgegriffen und es wäre cool gewesen, bei mir wird es als zickig gewertet, weswegen ich unterbewusst auch immer ein bisschen probiere, das zu umgehen.

Würdest du denn sagen, dass es heute immer noch genügend Frauen gibt, die den Chauvinismus der Männerdomäne einfach hinnehmen oder gar nicht spüren?
Ich glaube, dass es immer noch Frauen gibt, die das so gewohnt sind, dass es ihnen gar nicht auffällt. So wie auch mir und meinen Freundinnen – ganz besonders den älteren – lange gar nicht aufgefallen ist, dass bestimmte Sachen total scheiße sind. Man wächst mit gewissen Sachen auch einfach auf.
Ich zum Beispiel habe gelernt, dass wenn ich abends rausgehe, mich so verhalte, dass ich kein Opfer werde. Das habe ich ganz lange nicht hinterfragt. Natürlich gehe ich abends in einem kurzen Rock nicht alleine in Köln entlang, wo es nicht beleuchtet ist. Ich biete sozusagen keine Gelegenheit. Das ist für viele einfach so und man hinterfragt es nicht als ungerecht, dass die potenziell schwächeren Menschen sich so verhalten müssen, dass sie kein Opfer werden.

Du hattest außerdem zu dem Thema letztes Jahr dein Buch „Es kann nur eine geben“ herausgebracht. Würdest du sagen, dass Feminismus gerade etwas ist, womit du dich nun noch intensiver auseinandersetzt? Dass du dieses Thema vielleicht auch in anderen Bereichen ausweiten möchtest?
So ein Festival könnte man natürlich auch im Comedy-Bereich machen. Wir könnten die ganze Technik einfach stehen lassen und am nächsten Tag ein Comedy-Festival machen. Das Thema ist etwas, was mich wirklich interessiert. Zu dem Buch habe ich auch echt gerne recherchiert.
Das ist tatsächlich auch etwas, worin ich mich jeden Tag neu hinterfrage. Bin ich wirklich immer mit den Frauen solidarisch oder so geprägt, dass ich erstmal dem mächtigen Mann beipflichte? Jeden Tag gibt es Situationen, die spannend sind. Wenn man sich mal vornimmt, nicht nach dem Motto „Es kann nur eine geben“ zu denken und andere Frauen nicht immer als Konkurrenz anzusehen, sondern sie eine Bereicherung werden, macht das einfach so vieles auf.

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