Hexen der Moderne: Wie sie das 21. Jahrhundert verzaubern

Hexen gehören nicht nur der Vergangenheit an, auch heute gibt es sie noch. Foto: Unsplash
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Ihr kennt sie vermutlich als buckelige alte Frauen mit Hakennase und fliegendem Besen – die Hexen. Schon vor hunderten von Jahren gehörten sie zu den Schreckgestalten der Nacht und auch heute finden sich dazu noch unzählige grausige Kostüme an Halloween und Karneval. Doch es gibt immer mehr Frauen, die sich schön und stolz als Hexen bezeichnen. Aber warum eigentlich? Was genau verbirgt sich hinter dem Phänomen und wer bedient sich in Zeiten der Digitalisierung überhaupt noch an Hexerei?

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Die dunkle Vergangenheit der Hexen

Seid ehrlich: Wenn ihr an eine Hexe denkt, kommt euch im ersten Moment eine unheimliche Frau in den Sinn, mit krausen Haaren, langen Fingernägeln und einem schauderhaften Lachen. Oft lebt sie abgeschieden meist in einem dunklen Wald, braut aus Pflanzen und Tierknochen giftige Tränke und verwandelt Eindringlinge unverzüglich in hässliche Kröten – oder schiebt sie nach einer Mästung in den Ofen. Aber woher kommt dieser Aberglaube eigentlich?

Das Wort Hexe wurde aus dem Althochdeutschen abgeleitet und beschreibt ein Wesen, das auf einer Hecke sitzt. Mit einem Bein hängt dieses Geschöpf in unserer Welt und mit dem anderen in einem magischen, uns unbekannten Dasein – ziemlich unheimlich, wenn ihr uns fragt. Geht man noch weiter in der Zeit zurück, wird deutlich, dass mit Hexerei dämonische Kräfte wie Sünden, Besessenheit und Krankheit in Verbindung gebracht wurden. Auch der Glaube an schwarze und gute Magie findet sich bei diversen alten Völkern. Wo jedoch Männer, die angeblich Magie wirken konnten, als Berater auftraten, entsprach das frauentypische Bild einer Hexe den Einzelgänger:innen – dem Unbekannten und Bösen.

Zu den grausamsten Katastrophen der Menschheitsgeschichte gehören auch die weltbekannten Hexenprozesse und -verfolgungen ab dem 15. Jahrhundert. Plötzlich wurde vermeintlichen Hexen Ketzerei und Teufelsverehrung vorgeworfen, die eine unbrauchbare Ernte, eine Seuche oder einen einfachen Unfall zur Folge hatte. Es reichte aber auch schon schöner, klüger, schneller und besser als andere zu sein – stand einmal eine Anklage im Raum, war der Tod eigentlich unausweichlich. Etwa 50.000 Opfer in ganz Europa und Russland mussten aufgrund des fälschlichen Teufelsglaubens ihr Leben lassen – circa dreiviertel davon Frauen. Die negative Haltung zu Hexen hallt bis heute noch nach.

Lange Zeit galten Hexen als bösartige Teufelsanbeterinnen. Foto: Unsplash

Hexen im 21. Jahrhundert

Mit Harry Potter, Sabrina – Total Verhext! und gesundem Menschenverstand wandelte sich das stereotypische Bild der Hexe als Horrorfigur. Heutzutage ist die Hexerei sogar schon zum Teil im Mainstream angekommen. Kaum eine:r wird mehr schief angeschaut, wenn mit Räucherstäbchen hantiert, eine pflanzliche Salbe auf die Haut aufgetragen oder behauptet wird, bei Vollmond nicht gut schlafen zu können. Viele stellen sich bei dem Wort Hexe zwar noch immer ältere und schrullige Damen vor, die den Enkeln vermeintlich die Zukunft vorhersagen und belächeln die Bezeichnung sogar, aber die klassische Schadenzauberin verschwindet immer mehr in der Vergangenheit. Die schwarze Katze soll also in Ruhe die Straße überqueren und der Kessel kann durch einen stinknormalen Kochtopf ersetzt werden.

Das Bild einer modernen Hexe ist allerdings ein ganz besonderes. Bei der modernen Hexerei geht es nämlich vielmehr um die Selbstbestimmung der Frau, verknüpft mit Feminismus, Naturverbundenheit und Spiritualität. Frauen, die sich Hexe nennen, tun das mittlerweile mit hoch erhobenem Kopf und verstecken sich nicht, um der Wasserprobe zu entkommen. Die Hexe ist zu einem regelrechten Sinnbild einer starken Frau geworden, die ohne einen Mann oder ein Kind an ihrer Seite definiert werden kann und auch unbedingt sollte. Die Bezeichnung Hexe wird Stück für Stück zurückerobert, von all denjenigen, die sich dem Patriarchat entgegenstellen und ihrem eigenen Pfad folgen. Hexe nennen kann und darf sich also jede:r, die:der die Stärke des Empowerments im Inneren verspürt und als die Magie ansieht, die es ist – völlig unabhängig vom Gender. Die beliebte Netflix-Serie The Witcher ist der perfekte Beweis dafür.

Hexen praktizieren nach ihrem eigenen Willen

Starke Frauenbilder, Unabhängigkeit und Auflehnung – schön und gut, definiert sich eine Hexe aber nicht auch durch Rituale und besondere Praktiken? Muss man kein Totem aufhängen oder wenigstens eine schwarze Kerze entzünden?

Klar, neben der richtigen Einstellung geht es bei der Hexerei natürlich auch darum, diese auf eine gewisse Art und Weise nach außen zu tragen. Dabei ist sie allerdings sehr breit gefächert und reicht von Energiepraktiken und Weissagungen bis hin zu einfachen Selfcare-Ritualen und Kräuterkunde – sie ist genauso individuell wie die Hexe, die sie praktiziert. Man muss also nicht zwingend mit Toten sprechen oder nackt um ein Feuer tanzen.

Um mal einige Beispiele zu nennen, hier vier gängige Hexenarten:

  • Kosmische Hexe: Bei dieser Hexenart spielen die Planeten und Sterne eine besonders große Rolle. Zauber und Rituale erfolgen hier genau nach den verschiedenen Zyklen der Himmelskörper. Allein das Zuschreiben bestimmter Charaktereigenschaften zu den einzelnen Sternzeichen kann eine Art der Hexerei sein.
  • Kristallhexe: Ob zum Wahrsagen, Heilen oder zur Meditation – diese Hexe nutzt die Kraft verschiedener Kristalle und Edelsteine, um ihre Magie zu wirken. Auch die Verwendung eines Rosenquarz-Rollers im Gesicht – momentan sehr beliebt in der Beauty-Szene – kann schon dazu gezählt werden.
  • Elementarhexe: Feuer, Erde, Luft und Wasser – die Elementarhexe beruft sich bei ihrer magischen Arbeit auf die vier Elemente. Hierzu zählt unter anderem das Verbrennen eines aufgeschriebenen Wunsches auf Papier, damit dieser in Erfüllung geht. Und ihr habt doch sicherlich schon einmal Geburtstagskerzen ausgeblasen 😉
  • Grüne Hexe: Diese Hexe ist eng mit der Natur verbunden und betreibt ihre Praktiken meist im Freien. Für ihre Rituale nutzt sie hauptsächlich natürliche Ressourcen. Oft werden hier aus Zweigen, Blättern und anderem Schutztotem gebastelt, die negative Energie fernhalten sollen.

Es gibt noch viele weitere Hexenarten, die sich ganz nach den eigenen Interessen und Glaubenssätzen des Praktizierenden richten. Wie eine Hexe ihre Magie entfalten möchte, ist also gänzlich ihr überlassen. Es gibt allerdings zahlreiche Handbücher und Internetseiten, die sich mit dem Thema befassen und Tipps geben. Ob man sich nun allerdings mit Astrologie und dem Mondzyklus oder lieber nur mit der Natur befassen möchte, liegt in den Händen jede:r einzelnen. Und dabei geht es nicht darum, sich von der „realen“ Welt zu entfremden, sondern Stärke im Glauben an sich selbst, die Natur und/oder eine:n Gott:Göttin zu finden.

Wer mehr über Hexerei erfahren möchte, kann in Mya Spalters Buch Witchcraft einiges über das magische Leben erlernen.

Mya Spalter, Witchcraft, Paperback, Goldmann, 240 Seiten 

Hexerei auf Social Media

Dank Social Media wird der Hexenkult langsam aber stetig zu einem echten Trend und immer mehr junge Menschen entscheiden sich in die Welt der Hexerei abzutauchen. Was gut ist, schließlich geht es bei der Hexerei um die Stärke der Ausgestoßenen, um eine gesunde Natur und ein bewusstes und zufriedenes Selbst.

Besonders auf TikTok teilen tausende Hexen unter #witchtok ihre magische Welt mit neugierigen Zuschauer:innen und animieren dazu, sich mit dem Hexenkult auseinanderzusetzen. Auch auf Instagram finden sich zahlreiche sogenannte „Witchfluencer“, die jungen Hexen Tipps und Tricks an die Hand geben und für Aufklärung sorgen. Hexen profitieren also ebenfalls von der Digitalisierung – auch wenn die Vorstellung von einer Hexe, die ihren Zauberspruch vom Handy abliest, irgendwie unpassend erscheint.

Isabella beispielsweise befasst sich auf Instagram ausgiebig mit der Wirkung von verschiedenen Kristallen und Edelsteinen und gibt Einblicke in ihre magische Welt. Außerdem betreibt sie einen eigenen zauberhaften Edelsteinshop.

Die Magie im Selbst

So viele Hexen es auf Instagram, TikTok oder Facebook auch geben mag, und so viele Hexenpraktiken durchgeführt werden können – am Ende des Tages geht es bei der Hexerei um das seelische Selbst. Moderne Hexen sind frei in ihrem Tun, unabhängig und selbstbewusst. Sie lassen sich in keine Schublade stecken und ihre Hexerei ist ebenso breit gefächert wie unsere Welt selbst.

Also, wenn ihr nur gerne Tarotkarten legt und euch als Hexe bezeichnen möchte, dann tut genau das. Es gibt keine magischen Grenzen oder Rituale, die überschritten oder durchgeführt werden müssen, um Magie zu wirken. Ein rührendes Wort, eine helfende Hand oder euphorisierende Musik – all diesen Dingen liegt ein Zauber inne. Und solange man selbst davon überzeugt ist, magische Energie im Inneren zu verspüren, existiert sie. Auch dann noch, wenn sie sich auf ganz andere Weise äußert als in Märchen geschrieben steht.

Hex, hex!

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