Curvy Model Kristin Linkamp im Interview: „Lasst uns anders sein!“

Im Interview macht Curvy Model Kristin Linkamp deutlich: "Es kommt auf das Innere an!" Foto: privat
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Zu sich selbst stehen. Den eigenen Körper lieben lernen. Wie das geht, hat Curvy Model Kristin Linkamp aus Gelsenkirchen Annika Makowka im Interview verraten.

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Der „Fräulein Kurvig“-Kalender und die „Fräulein Kurvig“-Gala

Kristin, du bist eins von zwölf Models für den „Fräulein Kurvig“-Kalender 2023. Das ist jetzt ja kein 08/15-Modelprojekt. Wie kam es dazu und was macht das Projekt so besonders?

Ich habe mich damals erstmal neu orientieren wollen und bin dann auf die Seite von „Fräulein Kurvig“ gestoßen. Das hat mir vorher jetzt auch noch nicht so viel gesagt – leider – weil, es steckt ja echt eine wichtige Botschaft dahinter. Und dann habe ich gedacht „Ach, da bewirbst du dich einfach mal.“ Ich fand das ganz toll, dass es Leute gibt, die sich mit Body Positivity beschäftigen und auch dafür kämpfen, dass man mit Stolz sagen kann: „Wir sind alle schön, egal, wie wir aussehen!“ und „Versteckt eure Kurven auf keinen Fall, sondern zeigt euch so, wie ihr seid!“. Und da stehe ich auch zu 100 Prozent hinter.

Beim letzten Kalender war das übergeordnete Thema „Deine innere Heldin“. Da waren auch ein paar Bilder gephotoshoppt, also dass zum Beispiel eine Dame in den Spiegel gesehen hat und ihr Spiegelbild sah eben aus wie Supergirl. Dieses Mal ist das Kalender-Thema „All Natural“ – es ist alles sehr natürlich gehalten. Ich hatte zum Beispiel die Ehre, ein Wassershooting zu machen.

Wassershooting, sehr natürlich – da denken jetzt vielleicht einige an Nacktbilder. Wie freizügig zeigt ihr euch in dem Kalender wirklich?

(lacht) Nein, also nackt sind wir da jetzt nicht zu sehen, aber ich habe schon nur einen Bikini an. Ich habe das Shooting mit mehreren Damen gemeinsam gemacht und wir hatten einfach sehr viel Spaß dabei. Wichtig zu erwähnen ist vielleicht noch, dass die Bilder ohne großartige Retuschen auskommen und auch nicht wirklich nachbearbeitet werden. Aber genau darum geht es ja auch: Dass man uns sieht, wie wir wirklich sind und dass wir unsere Kurven auch zeigen dürfen.

Außerdem machst du bei der „Fräulein Kurvig“-Gala mit. Was ist der Gedanke hinter der Veranstaltung? Auch wenn sich manche vielleicht an eine Misswahl erinnert fühlen, soll ja explizit NICHT die Schönheit auf der Bühne im Fokus stehen, richtig?

Genau, also es findet schon auch noch die „Fräulein Kurvig“-Wahl statt, da geht es natürlich auch um die schönsten Kurven, aber eben nicht ausschließlich. Dieses Jahr hat zum Beispiel Annika Ernst gewonnen, die nur 1,48 m groß ist. Das wurde vom Publikum so entschieden und es geht in erster Linie darum, sich in seiner eigenen Haut wohlzufühlen und das nach außen so auszustrahlen. Daneben wurde dann auch noch der „Mister Big“ gewählt, also da zeigen dann die Männer, die etwas aus der Norm rausfallen, mit Stolz ihren Körper.

Außerdem treten bei der Gala auch immer die „Big Twisters“ auf, da bin ich nächstes Jahr auch als Tänzerin mit dabei. Und das Besondere ist einfach, dass wir die Mode ja auch mit Choreographien präsentieren. Also wir machen nicht nur einfach einen Walk, sondern tanzen auch noch dabei und leben unsere Freude aus. Das ist alles etwas lockerer als eine klassische Modenschau. Wir duften beim letzten Mal beim Eröffnungssong am Start sein. Da war der Name „Lasst uns anders sein“ einfach Programm. Es macht einfach sehr viel Spaß, wenn man die Mode da mal auf ganz andere Weise präsentieren kann.

Dass das Modeln nicht nur schlanken Menschen vorbehalten ist, zeigt Curvy Model Kristin Linkamp auf dem Laufsteg nur zu gern. Foto: privat

Wie waren denn bei dir im Umfeld die Reaktionen, als du gesagt hast, dass du dich bei „Fräulein Kurvig“ bewerben möchtest?

(lacht) Ich hab das tatsächlich erstmal gar keinem erzählt, weil ich das für mich selber verarbeiten wollte und gucken wollte, wie weit ich überhaupt komme. Und erst als ich unter den Top 100 war, hab ich allen Bescheid gesagt, dass ich da mitmache. Die Resonanzen waren durchweg positiv, muss ich sagen. Also ich bin da auch wirklich in der glücklichen Position, dass ich bisher immer nur positives Feedback bekommen habe. Ich weiß, dass es leider auch anders geht.

Curvy Model Kristin Linkamp: „Dieses Schubladendenken muss aufhören!“

Du sprichst da gerade einen sehr wichtigen Punkt an. Vor allem auf Social-Media-Kanälen gibt es viel Hate Speech und unschöne Kommentare. Du bist damit also bisher noch nicht in Berührung gekommen?

Nee, tatsächlich gar nicht. Aber unter den „Fräulein Kurvig“-Teilnehmerinnen haben wir uns natürlich auch ein wenig ausgetauscht und da war es schon heftig, was andere Frauen erlebt haben. Zum Beispiel auch durch die eigene Chefin, die immer wieder auf der Figur rumgeritten ist und im Gegenzug immer betont hat, dass sie selber ja nur ’ne Größe 34 trägt. Im Endeffekt ist das dann so weit gegangen, dass meine damalige Mitstreiterin gekündigt hat und jetzt einem neuen Beruf nachgeht. Und eine andere Kandidatin vom Kalender war sich zum Beispiel auch unsicher, ob sie überhaupt ein Interview geben soll, weil sie eher in einer konservativen Gemeinde wohnt – sie hatte einfach Angst, dass dann alles ins Negative gezogen wird. Und sowas finde ich einfach total schade. Ich lese mir auch die Kommentare bei anderen durch. Da steht dann teilweise „Ich bin ja offen für alles, aber muss der jetzt als Mann Frauenklamotten anziehen?“. Da wird dann die Toleranz vorgespielt, aber wenn tatsächlich jemand seine Individualität auslebt, ist das auf einmal nicht mehr in Ordnung. Und davon müssen wir auch weg. Ich würde mir als Mutter ja auch denken „Mir ist doch gerade viel wichtiger, dass mein Kind glücklich ist, als dass es irgendwelchen Normen folgt und sich verstellt.“ Dieses Schubladendenken muss einfach aufhören.

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Hast du denn das Gefühl, dass du als Curvy Model in Schubladen gesteckt wirst?

Auf jeden Fall. Man hört auch ganz oft den Spruch oder das Vorurteil „dicke Leute sind krank“ oder „dicke Leute lassen sich gehen“. Das kann ich so definitiv nicht unterschreiben. Ich lauf auch meine vierzehntausend Schritte am Tag oder klettere mit meiner Tochter auf das Klettergerüst. Ich mache all das, was auch ein schlanker Mensch macht. Und umgekehrt ist ja nicht jede:r Dünne auch gesund. Da muss auf jeden Fall auch noch ein Umdenken stattfinden.

Wie war das bei dir? Warst du schon immer so selbstbewusst, was deinen Körper angeht?

Ich war früher sehr schlank und hab auch sehr viel Sport gemacht. Dass ich dann etwas kurviger wurde, kam erst mit der Schwangerschaft. Da ich Gott sei Dank auch den Halt meiner Familie habe und auch meiner Freunde und mich alle einfach so mögen, wie ich bin, war das kein bewusster Prozess. Ich habe mich immer wohlgefühlt, weil ich diesen Rückhalt hatte. Das wurde nie thematisiert, also es hat nie jemand gesagt: „Jetzt hast du aber zugelegt“ oder so. Mich haben immer alle so akzeptiert, wie ich bin.

Das ist ja wahrscheinlich auch sehr spannend, wenn man selbst eine Tochter hat, dass man das dann so weitergeben kann.

Ganz genau, also mir ist auch ganz wichtig, dass sie wirklich frei aufwächst. Dass sie auch nicht vorurteilsbehaftet ist. Wenn wir irgendwo jemanden sehen, zum Beispiel ein homosexuelles Pärchen, dann sage ich ihr auch „Das ist okay, man kann sich ja aussuchen, wen man liebt.“ Ich möchte sie da so aufwachsen lassen, dass sie auch mal nach rechts und links schaut und mit Akzeptanz durch das Leben geht.

Plus Size Model Kristin Linkamp wird im „Fräulein Kurvig“-Kalender 2023 zu sehen sein. Foto: privat

Auch bei „Fräulein Kurvig“ geht es ja nicht nur um ein positives Körperbild, sondern auch um Selbstakzeptanz, egal wie man ist. Ist es das, was für dich das Projekt so besonders macht?

Ja, ich finde, das ist ein ganz tolles Thema. Also ich arbeite auch mit Menschen mit Behinderung und da ist man es leider gewohnt, wenn man in der Gruppe unterwegs ist, dass viele Leute noch gucken und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Aber mir ist es wichtig, dass jeder Mensch so akzeptiert wird, wie er ist. Letztendlich zählt der Charakter und nicht, ob jemand eine Behinderung hat oder dick, dünn, dunkelhäutig, transsexuell ist. Das Innere zählt.

Kristin Linkamp von „Fräulein Kurvig“ über innere Werte und Selbstakzeptanz

Bin ich ok so wie ich bin? Vor allem Frauen sind oft von Selbstzweifeln betroffen. Foto: Adobe Stock

Manchmal steht man ja trotzdem vorm Spiegel und denkt „Gott, wie seh‘ ich denn heute aus?!“. Wie holst du dich aus diesem negativen Selbstbild wieder heraus?

Ja, ich denke einfach, dass es wichtig ist, es auch zuzulassen. Man darf auch mal nicht so gut drauf sein. Klar, habe ich das manchmal auch. Mir ist das zum Beispiel auch schonmal passiert, dass ich für den Spaziergang mit dem Hund ein unvorteilhaftes Shirt anhatte und ich dann von irgendwem gefragt wurde, ob ich schwanger bin. Dann sag ich mit ’nem Lächeln: „Nee. Ich bin einfach nur dick“, und dann ist das auch meistens geklärt. Vielleicht wissen sie dann auch fürs nächste Mal Bescheid, dass man sowas einfach nicht fragt oder kommentiert. Aber um nochmal auf deine Frage zurückzukommen: Man sollte einfach auch mal zulassen, wenn es einem nicht gut geht. Ich spreche dann mit meinem Partner darüber, dann nimmt er mich in den Arm, ich atme einmal tief durch und wenn einem zum Weinen zumute ist, ist das doch auch ok.

Was würdest du Menschen sagen, die immer wieder an sich selbst zweifeln? Hast du Tipps für mehr Body Positivity?

Besinnt euch einfach auf eure eigenen Stärken. Guckt nicht immer auf Andere, ob die jetzt fünf Kilo mehr oder weniger wiegen. Letztendlich wird ja auch so ein Schönheitsideal vermittelt, das ist aber überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Man sollte sich auf seine inneren Werte und seine inneren Stärken verlassen. Jeder hat ja auch etwas, was er besonders gut kann. Und ich finde, man sollte einfach von innen heraus strahlen. Wenn du mit dir selber zufrieden bist, dann wirkt man nach außen ja auch ganz anders. Der Charakter ist das, was einen Menschen schön macht.

Der Kalender für 2023 ist unter www.digistore24.com/product/392638 zu bekommen. Mehr über das Projekt und die Gala unter www.schoenundumfangreich.com/Fraeulein-Kurvig

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