Wirklich eintauchen in die hundertjährige Geschichte der Kunst- und Architekturschule Bauhaus kann der Besucher in einem dunklen Hinterraum des Düsseldorfer NRW-Forums. Hier liegen Virtual-Reality-Brillen bereit, die die 90 Jahre alte Werkbundausstellung „Film und Foto“ wiederauferstehen lassen. Damals lernte das deutsche Kunstpublikum zum ersten Mal, dass zum Bauhaus selbstverständlich auch die Fotografie gehört.
„Bauhaus und die Fotografie“ heißt die Düsseldorfer Schau, die Teil des Jubiläumsprogramms 100 Jahre Bauhaus ist. Die Ausstellungsmacher im NRW-Forum verstehen es, ein junges Publikum in den Bann zu ziehen: freitags und samstags ist bis 21 Uhr geöffnet, minimalistische Popmusik von Nils Frahm dringt vom coolen Café in der Museumsmitte durch alle Räume. Die Arbeit, die die erste Aufmerksamkeit heischt, erinnert an Pop-Art: Viviane Sassen hat auf ihren großformatigen Fotoarbeiten knallbunte halbtransparente Farbflächen in Wüsten-Szenarien gestellt. Sie dominieren die Szenerie, sind eine Referenz an die farbigen Quadrate des abstrakten Malers und Bauhaus-Meisters Josef Albers. Realistische Landschaftsfotografie und Abstraktion kommen hier zusammen, überlagern einander.
Knallige Farbigkeit
Viviane Sassens Werkgruppe „Umbra“ von 2014 ist gut positioniert, weil sie auf den ersten Blick einfach zu konsumieren ist und durch ihre knallige Farbigkeit in die Schau hineinzieht. Konzept der Ausstellung, die im Untertitel „Zum Neuen Sehen in der Gegenwartskunst“ heißt, ist, mit zeitgenössischen Positionen dem Erbe der Bauhaus-Fotografen nachzuspüren. Und das ist nicht immer so einfach zu durchdringen wie in dieser ersten Arbeit. Zum Konzept der Schule des Neuen Sehens, die sich ab Mitte der 1920er-Jahre im Bauhaus entwickelte, gehörte nämlich unbedingt das Experiment mit dem neuen Medium.
László Moholy-Nagy, der Fotografie im Bauhaus lehrte, war zum Beispiel für seine Fotogramme bekannt – also Arbeiten auf lichtempfindlichem Fotopapier, die ohne Kamera entstanden. Mit farbigen Großformaten spürt Daniel T. Braun heute dieser Technik nach, nennt seine Arbeiten „Raketogramme“, weil er das Fotopapier in physischen Kontakt zu abbrennender Pyrotechnik bringt. Die Ergebnisse erinnern an Action Painting. Offensichtlich direkt auf einen Werkausschnitt László Moholy-Nagys bezieht sich die Architektur-Fotografin Antje Hanebeck. Moholy-Nagy hatte 1925 von einer Aussichtsplattform des Berliner Funkturms steil nach unten fotografiert und durch die spektakuläre Perspektive für eine Wahrnehmungsirritation gesorgt. Hanebecks schwarz-weißen Motive sind allerdings nicht dokumentarisch, sondern durch das Zusammenbasteln von grafischen und fotografischen Elementen entstanden – spannende, zu entwirrende Rästelbilder.
Wie politisch war das Bauhaus?
Eine wichtige Frage stellt die Ausstellung, wenn sie die Anti-Brexit-Kampagne des berühmten Fotografen Wolfgang Tillmanns mit den historischen Werken in Beziehung setzt: Inwieweit war das Bauhaus politisch ausgerichtet? Ein Vorwurf, den sich die Fotografie-Experimente des Neuen Sehens gefallen lassen mussten, war der des Ästhetizismus – dass sie also nicht wie die künstlerische Avantgarde der Moderne auch auf radikale gesellschaftliche Veränderungen zielten. Wolfgang Tillmanns bringt in der Plakat-Kampagne die entrückten Horizont-Bilder seiner Serie „Vertical Landscapes“ mit Slogans gegen den EU-Austritt Großbritanniens zusammen: „No man is an island. No country by itself.“
Selfies und Elefanten
Zwei echte Hingucker hat die Ausstellung außerdem mit Dominique Teufens „Selfiepoint“ vor einer Bergkulisse, die sich beim zweiten Hingucken als zusammengesetztes Papiergebirge erweist. Und auch die riesige, dreiteilige Videoinstallation „Play Dead, Real Time“ von Douglas Gordon ist eine Schule des Sehens, weil nur bei oberflächlicher Betrachtung ein sterbender Elefant im White Cube zu sehen ist.
Bauhaus und die Fotografie: bis 10.3., NRW-Forum, Düsseldorf
Auch interessant