Wirklich Trash? 6 Gründe, warum Reality-TV gute Unterhaltung ist

Das ist ein Teil der aktuellen Staffel von "Kampf der Realitystars", die gerade auf RTL Zwei gestartet ist. Foto: dpa-Bildfunk, RTL Zwei
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Hate it or love it – Wir sind definitiv Team Love it, denn Reality-TV macht einfach unglaublichen Spaß. Und selbst wenn wir nur eine:n oder zwei von euch davon überzeugen können, dass das Klischee „Das ist doch nur Müll“ nicht stimmt, haben wir mit diesem Artikel alles erreicht. Ab dafür!

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Trash-Musik finden doch auch alle geil

Das Allerwichtigste zuerst: Wir müssen aufhören, uns für irgendetwas zu schämen, was wir gerne mögen. Auch wenn der Begriff „Guilty Pleasure“ cool klingt, so ist die Bedeutung gar nicht so nice. Sie sagt, dass wir etwas mögen, aber es uns peinlich ist, dass es so ist – und das ist doch mies! Es hat viel zu lang gedauert, dass Bubblegum-Pop wie Britney, die Spice Girls, die Backstreet Boys und der ganze andere gute Scheiß von der breiten Masse anerkannt wurde, dabei lieben wir sie doch alle aus tiefstem Herzen. Und so darf das auch mit Filmen, Serien und eben Reality-TV sein – das, was dich glücklich macht, dich unterhält, dir eine Identifikationsfläche bietet oder auch einfach nur ein wenig für Ablenkung vom Alltag sorgt, ist notwendig. Sollen doch die anderen in der Zeit die Buddenbrooks lesen, who cares? Wenn die berühmte Kolumnistin Anja Rützel öffentlich zu ihrer Trash-Liebe steht, kannst du das auch.

Trash-TV: Vielfältiger als du denkst

Reality-TV ist richtig vielfältig. Ja, wirklich jetzt. Oder haben „Traumfrau gesucht“, „Die Alm“, „Ninja Warrior“ und „Germany’s Next Topmodel“ auf Anhieb viel gemeinsam? Es gibt so viele Richtungen, dass man gar nicht alles mögen kann, aber mit großer Sicherheit irgendwas findet, was einem Spaß macht. Die einen schauen eben lieber Castings, bei denen es darum geht, mit einem bestimmten Talent die anderen Teilnehmenden auszustechen, andere mögen Datingshows, die so in der Nachbarschaft stattfinden können, manche genießen schöne Bilder auf Inseln, auf denen sich mal gezofft und dann wieder vertragen wird und ganz andere wollen körperlichen Einsatz und ein Über-Sich-Hinauswachsen. Alles hat für sich seine ganz besonderen Merkmale. Manches ist spannend, anderes berührend, vieles einfach nur witzig. Und nur weil man erst den Bachelor haben wollte, dann im Dschungel gewonnen und zwischenzeitlich eine Runde Tanzen gelernt hat, heißt das nicht, dass man danach nicht auch noch bei „Wer wird Millionär?“ landen kann – siehe Evelyn Burdecki.

Reality-TV ist eine ganz eigene Bubble

„Haha, wer kennt den denn?“, „Das ist doch kein Star!“, „Wer ist das?“, „Die ziehen doch ihre eigenen Promis heran!“ – ja, wer im Trash-Game nicht drin ist, kennt enorm viele Gesichter nicht, die immer wieder im TV auftauchen. By the Way: So ist das auch mit YouTuber:innen oder TikToker:innen. Die meisten Reality-Stars starten in einem Castingformat wie „Deutschland sucht den Superstar“ oder „Das Supertalent“, andere suchen die vermeintlich große Liebe bei „Der Bachelor“, „Bauer sucht Frau“, „Are You The One“, „Temptation Island“ oder „Love Island“. Die Chance, bei einer dieser Shows mitzumachen, bekommen ziemlich viele.

Ob sie es danach dann noch ein zweites Mal ins Fernsehen schaffen, liegt vor allen Dingen daran, wie gut sie unterhalten haben. Manche sind ein wenig durchgeknallt, schräg und witzig, manche besonders einfühlsam und liebenswürdig, andere zickig und unglaublich anstrengend. An oberster Stelle steht: Sei ein:e Entertainer:in! Hast du das geschafft, ist der Weg in die ersten Gameshows wie „Kampf der Realitystars“, „Forsthaus Rampensau“, „Prominent getrennt“ oder „Couple Challenge“ so gut wie geschafft, bevor es dann in die erfolgreichsten Formate wie „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ besser bekannt als das Dschungelcamp, „Big Brother“ oder „Das Sommerhaus der Stars“ geht. Die besonders schicke Variante wäre noch „Let’s Dance“.

Ist man just ins Rabbit Hole abgetaucht, gibt es selten ein Entkommen, denn hat man nur einmal in eine Show reingeschaut, will man schnell wissen, wer wie weit kommt. Das Mitfiebern dauert bei vielen Formaten circa zehn Shows lang, dann sind die Staffeln meist vorbei. Hat man einige Sendungen gesehen, sieht man schnell bekannte Gesichter immer wieder, da diejenigen, die gut performen, auch in weiteren Formaten mitmachen. Absolute Größen des Genres: Kader Loth, Désirée Nick, Gina Lisa Lohfink, Claudia Obert, Calvin Kleinen, Matthias Mangiapane, Elena Miras, Paul Janke, Thorsten Legat, Menderes Bagci, Djamila Rowe und Jenny Elvers.

Reality-TV ist ein Sozialexperiment

Der Punkt, über den sich wohl am ehesten streiten lässt: Reality-TV erzeugt große Emotionen. Viele davon sind manipuliert, gar keine Frage. Natürlich werden bestimmte Situationen kreiert, um bei den Teilnehmenden bestimmte Gefühlszustände zu entfachen. Aber mal Real Talk: Das ist bei einem Hollywood-Film auch nicht so anders. Da wird die Handlung auch so konzipiert, dass wir beim Zuschauen anfangen sollen, zu heulen. Trotzdem ist der Grat zwischen „Das ist richtig gutes Entertainment“ und „Das ist wahnsinnig unangenehm und entwürdigend“ natürlich schmal. Was einem zu viel wird, ist totale Geschmacksache. Einfach testen.

Bestimmt gab es in der Vergangenheit sehr viele Produktionen, bei denen Menschen vorgeführt, nicht vernünftig bezahlt und somit ausgebeutet wurden, ohne es selbst zu merken. Das wollen wir 2024 natürlich schon längst nicht mehr. Wir gehen aber davon aus, dass besonders regelmäßig auftretende Reality-Promis sehr genau wissen, was sie da tun, daraus einen Beruf gemacht haben, damit eben auch gutes Geld verdienen und später nichts bereuen. Aber selbst wenn sie es tun: Haben wir nicht alle im Leben schon mal was Dummes gemacht? Mittlerweile sollte bei allen angekommen sein, wie solche Shows in etwa ablaufen. Auch bei denjenigen, die bei „Schwiegertochter gesucht“ mitmachen.

So oder so ist es einfach wahnsinnig spannend, mitverfolgen zu können, wie Menschen in Extremsituationen – man ist mit vielen Fremden für eine gewisse Zeit in einer Villa, schläft schlecht, trinkt zu viel Alkohol, möchte gewinnen und ist somit motiviert und angefixt, gönnt anderen ihren Erfolg nicht, … – miteinander agieren und Probleme lösen. Oder auch nicht lösen. Das erinnert ein wenig an Teenie-Drama während der Schulzeit. Man fühlt sich als Zuschauer:in mit Abstand sicher, denkt, es besser zu können, weiß aber, wenn man mal die Hand aufs Herz legt, dass man es auch nicht immer alles so gut hinkriegt. Und vielleicht nimmt man aus dem einen oder anderen Verhalten etwas mit, reflektiert sich und weiß, wie man es nicht oder gerade erst recht machen möchte. So anders sind die privaten Inhalte bei Debatten doch auch nicht, come on.

Endlich mitreden können

Die Einschaltquoten sprechen für sich: Reality-TV gucken verdammt viele Menschen. Aber so richtig viele. Und solange so viele einschalten, werden die Sender diese Formate auch weiterhin produzieren, schließlich kosten sie recht wenig, bringen aber ordentlich etwas ein. Und damit du beim nächsten Mal auch mit deinen Leuten auf der Arbeit ordentlich schnacken kannst, solltest du dem Ganzen einfach mal eine Chance geben. Nimm auch ruhig ein paar der kultigen O-Töne mit in deinen täglichen Sprachgebrauch, solang es nicht „Good morning in the morning“ vom Wendler ist.

Es ist ein Vorurteil, dass Trash-TV dumm macht. Ja, es bildet nicht wie eine wissenschaftliche Doku auf Arte – ach was? Aber Fernsehen muss auch nicht immer dafür da sein, dass wir am Ende alle genügend Basiswissen haben, um Astrophysik zu studieren. Sich einfach mal auf die Couch fläzen und berieseln lassen, ist auch wichtig. Am Ende kannst du entscheiden, wie du beurteilst, was du siehst: Machst du dich einfach nur darüber lustig? Ist keine so schöne Art, ums Ego zu pushen und sich selbst erhaben zu fühlen, aber bekommt ja keiner mit, solange du es nicht groß herumposaunst. Suchst du nach Identifikationsfiguren? Coole Idee. Denn hier kommen auch Menschen ohne Schulabschluss groß heraus, People of Color sind immer mit dabei, on top bekommen queere Charaktere eine Plattform und diejenigen, die in der Schule wegen ihres Andersseins gemobbt wurden, sind die heimlichen Lieblinge. Ob du dich nun über die Protagonist:innen stellst oder mit ihnen solidarisierst: In beiden Fällen stärkt es deine Lebenszufriedenheit.

Besonders die erst großkotzig wirkenden Prolls, die dann zeigen, was sich hinter ihrer Fassade befindet, werden zu Heroes, denn dann werden sie für uns so schön normal und greifbar. Nachvollziehbare Geschichten gibt es eben nicht so oft in Spielfilmen und -serien. In Polittalks lernen wir auch eher selten etwas über die Gäst:innen kennen und checken vom Inhalt maximal ein Drittel. Aber hier kullern echte Tränen wegen Beleidigungen, Wut kommt auf, weil man betrogen wurde oder auch ein lautes Freuen erklingt, weil man seine Höhenangst überwunden hat – einfach der perfekte Nährboden für ein wärmendes Gefühl beim Gucken. So wird aus einem „Wie peinlich“ ein „Das möchte ich auch mal erleben“.

Reality-TV-Stars: Menschen wie du und ich

Auch wenn man es nicht wahrhaben mag, aber Reality-TV zeigt die Mitte der Gesellschaft. Von allem etwas. Leute, die bereits in ein reiches Elternhaus geboren wurden, aber eben auch Leute aus dem Plattenbau. Manche haben die Schule geschmissen, andere haben bereits einen Uni-Abschluss. Warum sie da trotzdem mitmachen? Einfach, weil sie ein bisschen Fame wollen. Weil es ihnen Spaß macht und sie gern im Rampenlicht stehen. Und nach zwei Wochen, in denen in Südafrika oder Thailand gefilmt wird, mit ein paar Tausis und mehr Insta-Follis nach Hause gehen.

Ob man das selbst machen möchte, steht auf einem anderen Blatt Papier. Mit Sicherheit ist vielen Reality-TV zu extrem im Prozedere und womöglich etwas zu viel Aufmerksamkeit. Ist doch auch ok. Der Preis im Gegenzug sind oft unzählige Memes und Häme. Wenn wir es aber wollten und damit klarkämen, könnten wir wohl fast alle ein Stück vom Kuchen abhaben und uns bewerben. Dass andere es für uns machen, kann man für sich auch positiv nutzen, indem man es schlichtweg als Unterhaltung ansieht. Durch das Phänomen der parasozialen Beziehung – wir haben das Gefühl, die Menschen im TV zu kennen und sehr zu mögen, obwohl sie uns nicht kennen – fühlen wir uns betreut, weniger allein und die Laune geht nach oben. Alles wie bei einem Spielfilm, nur nahbarer und realistischer. Betonung: RealistiSCHER. Nicht unbedingt komplett realistisch. Aber dazu könnten wir nun auch eine Doktorarbeit schreiben. Ein andermal vielleicht. Bis dahin bingen wir noch ein wenig RTL+ leer.

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