Gacha als moderne Wundertüte: die neue Sammelkultur

Gachapon Automaten sind in Japan omnipräsent. Foto: Adobe Stock
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Wir halten uns an den Händen und begeben uns gemeinsam in den tiefen Kaninchenbau des Prinzips Gacha. Dafür widmen wir uns bekannten Anfängen. Fast jeder kennt noch die guten alten Wundertüten. Für kleines Geld gab es ein Papiertütchen , in dessen Innerem etwas Klimbim. Für Kinder ein absolutes Highlight. Wir packen diese wunderbare Nostalgie ein und fliegen über den Pazifik nach Japan, dort hatte der gigantische Spielzeughersteller Bandai in den 1960er Jahren die Idee eines Spielzeug ausspuckenden Automaten und nannte diesen Gashapon. In einem Gashapon befinden sich mehrere Plastikkugeln, die über ein bestimmtes Sortiment an Spielzeug verfügen. Man wirft umgerechnet einen Wert zwischen 1 bis 5 Euro in den Münzschlitz, dreht an einem Regler und dann fällt eine der Plastikkugeln heraus. Der Inhalt ist Zufall, aber immer äußerst sammelfähig.

Gachapon Automaten haben Gacha fest etabliert. Für wenig Geld gibt es da den vollen Sammelspaß. Foto: Adobe Stock

Aus Gashapon wurde Gachapon, da das Geräusch des Automaten wie „Gacha“ und „Pon“ klingt. In Japan findet man mittlerweile ganze Hallen voll mit Gachapon-Automaten, in denen man fast alles bekommen kann – von der süßen Sammelfigur bis zur Unterhose. „Gacha“ hat sich im Laufe der Zeit als ein festes Prinzip etabliert, dass vom Zufall bestimmt wird. Wer jetzt an Überraschungseier denkt, liegt goldrichtig: wer die Spielzeuge sammelt und dafür die Überraschungseier kauft, ist bereits dem Prinzip des „Gacha“ begegnet. Wir stellen weitere Ausprägung des „Gacha“ vor.

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Gacha und die Trading Card Games / Sammelkartenspiele

Auf der Jagd nach der wertvollsten Karte: Trading Card Games haben Gacha seit den 90ern fest etabliert. Foto: Mareike Hanke

Während Corona hat vor allem das Pokémon Trading Card Game – kurz TCG – einen Riesenhype erfahren. TCGs gibt es darüber hinaus schon sehr lange. Magic: The Gathering entstand 1993 und war damit eines der ersten weltweit erfolgreichen TCGs. Pokémon folgte 1996 mit dem ersten Set an Sammelkarten. Der besondere Clou des TCGs: man kann es spielen und/oder sammeln. Und beim Sammeln sind wir wieder beim Gacha. Denn in der Regel bekommt man seine Spielkarten über sogenannte „Booster“. In diesen Boostern ist eine feste Anzahl an Karten. Nur ein bis zwei Karten sind dabei potentiell wertvoller als Sammelkarte. Welche Karte man aus einem Booster zieht, ist Zufall. Man kann hunderte Booster öffnen und tausende Karten ziehen, ohne die gewünschte Karte zu bekommen.

„Wieso kauft man nicht einfach gezielt, was man will?“, könnte man denken. Dahinter steckt ein komplizierter Mechanismus aus Biochemie und Psychologie, oder anders gesagt: wir haben keine Ahnung, aber Booster öffnen und sich überraschen lassen macht einfach ziemlich Bock. Das Gefühl, die gewünschte Karte zu ziehen, ist ein besonderer Adrenalinkick, der nur mit dem Glücksgefühl frisch gebackener Mütter vergleichbar ist. Kleiner Scherz, aber mal ehrlich: wer mal seine Wunschkarte gezogen hat, kann den Vergleich vielleicht verstehen. Nicht umsonst ist die Zielgruppe der TCGs die Welt der Erwachsenen. Wer nämlich erfolgreich sammeln will, braucht vor allem eines: Money, Money, Money – und dann wird‘s funny.

Mobile Gacha Games: das neue Gaming-Genre

Beim Mobile Gacha Game Arknights gibt es beim aktuellen Banner erhöhte Raten auf bestimmte Spielfiguren, beispielsweise Fiametta oder Exusiai. Foto: Mareike Hanke

Dieser Artikel wird gesponsert von Raid Shadow Legends! Scherz, aber wem die Werbung bekannt vorkommt, der ist über eines der am aggressivsten beworbenen Gacha-Games der letzten Jahre gestolpert. Gacha beschreibt dabei nicht die Spielmechanik. Das kann alles sein – vom Tower Defense bis zum Turn Based Role Play Game. Gacha wird es in dem Moment, wo man die Spielfiguren im Game über sogenannte „Pulls“ oder „Summons“ bekommt. Beispiel: im Spiel kommt die Ankündigung, dass neue Spielfiguren eingeführt werden. Die gibt es aber nicht einfach so. Wer die neuen „Units“ haben will, braucht Ingame-Währung. Diese Währung kann man auf „Banner“ anwenden. Bei einem Banner besteht eine erhöhte Chance, eine bestimmte Unit zu bekommen.

Die Chancen auf die Wunsch-Unit variieren, sind aber in der Regel recht klein, sodass man viele Pulls machen muss. Geht einem die Währung aus, muss man im Spiel erneut sammeln oder – Ingame-Währung mit Echtgeld kaufen. Aber wer gibt Echtgeld für ein PNG-Bild aus? Wir befinden uns bereits tief im Kaninchenbau. Haltet ihr euch noch an den Händen? Der Sog des Gacha-Games ist verführerisch. Vielleicht kommt die Frage auf, ob wir uns da nicht bereits im Glücksspiel befinden. Tun wir, wobei so ein Gacha-Game noch viel gefährlicher ist. Man könnte sein Geld für Miete, Familie oder Überleben verwenden, aber das alles ist keine supercoole neue Unit, mit der man richtig krass spielen kann. Also immer schön auf den Geldbeutel achten!

Lucky Bags / Mystery Boxen

Was ist in der Box? Das weiß man nicht, daher begegnet uns auch bei der Mystery Box das Gacha Prinzip. Foto: Mareike Hanke

Ob nun Snacks oder Merchandise – Mystery Boxen sind eine reizvolle Sache. Es sind die eigentlichen Wundertüten des 21. Jahrhunderts. In Japan nennt man die Lucky Boxen Fukubukuro. Traditionell wird zum Jahreswechsel in Japan von so gut wie jedem Geschäft ein Fukubukuro angeboten. Das gilt für kleine Shops ebenso wie für große Ketten. Die Überraschungsboxen kann man als Geschenk verwenden oder sie natürlich für das eigene Vergnügen öffnen. Manchmal bekommt man in Mystery Boxen, beziehungsweise Lucky Bags echte Schätze, manchmal hat man Pech und es wurden nur unliebsame Dinge aus dem Lager entsorgt. Ein Lucky Bag ist auf jeden Fall immer eine spannende Angelegenheit, die unsere Neugier schürt. Auch, wenn man in der Regel nicht gezielt nach einem bestimmten Gegenstand sucht, sind die Lucky Bags doch vom Zufallsprinzip bestimmt. Mancher Inhalt löst totale Euphorie aus, manche Lucky Bags sind dafür eine totale Enttäuschung. Auch das ist Gacha. Wichtig bei einer Mystery Box oder einem Lucky Bag: das Preis-Leistungs-Verhältnis sollte stimmen. Deswegen aufpassen und nicht über’s Ohr hauen lassen! Wer möglichst sicher gehen will, kauft dort, wo auch Kundenrezensionen einsehbar sind.

Blind Boxes / Gachapon

In einer Blind Box befindet sich ein Pool aus einer Figuren-Serie. Man zieht dann aus dem Karton – der Blind Box – eine zufällige Figur. Foto: Mareike Hanke

Das Prinzip der Blind Box kennt man vom Überraschungsei. Obwohl man weiß, was drin sein könnte, hat man keine Chance, den Inhalt einzusehen. In dem Sinne ist es ein Blind Egg. Von den Wortspielen mal ab, gibt es das Prinzip der Blind Box noch in anderen Varianten. Wie bereits in der Einleitung beschrieben, ist die Kapsel aus einem Gachapon-Automaten ebenfalls eine Blind Box, zumindest, wenn die Kapsel nicht transparent ist. Und selbst, wenn die Kapsel transparent ist, weiß man ja nicht, welche man aus dem Automaten zieht.

Weitere Beispiele für Blind Boxen sind die Überraschungstüten für die Lego Minifiguren, oder die L.O.L Überraschungsminifiguren, die ebenfalls in einer bunten Plastikverpackung nicht einsehbar sind. Hersteller wie Pop Mart oder Tokidoki verkaufen verschiedene Figurenserien rein als Blind Boxen. Dazu zählt Unicorno oder Pucky. Aus einer Reihe von 8 bis 12 Figuren steckt in jeder Blind Box eine zufällige Figur der Serie. Auch hier macht der Überraschungseffekt den Reiz der Blind Box aus. Bekommt man die gewünschte Figur, geht chemisch im Gehirn die Post ab. Wenn man etwas Doppeltes oder was Unbeliebtes zieht, hatte man zumindest den Moment der Aufregung. Viele verbinden mit dem Ziehen der gewünschten Figur, Karte, oder sonstigem Gegenstand besondere Erinnerungen. So wird die Blind Box zum Ereignis. Im Gegenzug ist der Click auf den Kaufbutton bei einem konkreten Gegenstand einfach ein weniger erinnerungswürdiges Event. Besonders tricky an Blind Boxen: manche Figuren sind seltener als andere, sogenannte „Secret“ oder „Hidden“ Figures, was den Sammelreiz nochmal anheizt.

Fazit zum Gacha

Gacha hat durchaus seinen Reiz. Fast alles, was nach dem Gacha Prinzip funktioniert, ist auch extrem erfolgreich. Siehe TCGs oder Mobile Games. Ein Mix aus Neugier, Adrenalin und Überraschung verleitet einen schnell, sich ins Abenteuer Gacha zu begeben. Ein bisschen Spannung im Alltag schadet auch nicht, und an die „guten Pulls“ erinnert man sich noch lange. Dann gibt es da noch die dunkle Seite des Gacha. Meistens ist es ein Geldgrab. Wer TCGs sammelt oder Gacha Games spielt, wird in der Regel schnell viel Geld los. Dahinter steckt natürlich auch eine Suchtgefahr. Deswegen sollten vor allem junge Menschen nur angeleitet mit dem Thema konfrontiert werden. Und auch Erwachsene sollten die Anziehungskraft der Gacha-Sucht nicht unterschätzen. Es ist und bleibt ein Hobby, dass vor allem Freude bringen sollte. Geht man das Ganze zu verbissen an, ist vielleicht besser Abstand angesagt. Ansonsten können wir nur noch gute „Pulls“ und viel Spaß beim Sammeln wünschen!

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