Kluterthöhle: Ins Reich der Steinkorallen

Das Perlboot ist deutlich erkennbar und nur ein fossiler Schatz der Kluterthöhle. Foto: Alex Mayschak
Teilen
Teilen

Die Kluterthöhle in Ennepetal ist ein Nationales Naturmonument. Mareike Hanke
hat sich in die verschlungenen Gänge des versteinerten Korallenriffs getraut.

Nur ein kleines schmiedeeisernes Tor deutet auf die Welt in den Gesteinsmassen des Ennepetals hin. Schon nach wenigen Metern wäre ich völliger Dunkelheit ausgeliefert, doch spezielle LED-Lampen in regelmäßigen Abständen erhellen den Boden und die Wände der Höhle. Zeit ist hier in den Tunneln des Berges etwas nicht greifbares. Keine Jahreszeiten. Kein Tag und Nacht. Kein Wind. Eine gleichbleibende Temperatur von 10 Grad.

Die Gänge der Höhle neigen sich zu allen Seiten. Foto: Alex Mayschak
Inhaltsverzeichnis [verbergen]

Ein Erdzeitalter als Stillleben

Die Kluterthöhle in Ennepetal ist 385 Millionen Jahre alt. 380 Gänge durchziehen den Klutertberg wie ein Netz. Ohne unsere Höhlenführerin Sarah Droska wäre ich in dieser stillen, rauen Welt verloren. Ich frage sie, wie es in Nordrhein-Westfalen ein Korallenriff geben konnte. „Zu der Zeit, als das Korallenriff entstand, waren diese Landmassen viel näher am Äquator“, erklärt Droska. 385 Millionen Jahre – das Zeitalter des Karbon.

Überbleibsel eines Zeitalters: Überall im Stein finden sich die hellen Fossilien der Korallen.

Mit unserer Weltkarte von heute hat dieses Erdzeitalter wenig zu tun. Keine Säugetiere, tropisches Klima. Hier sind nicht nur Korallen, sondern auch die Zeit versteinert.

Während der Führung ähnelt kein Gang dem anderen. Die Wände neigen sich von rechts nach links, gewaltige Risse durchziehen die Decke, ab und an kommen wir an kleinen Flüssen und stillen Seen vorbei. „Einige Seen hier unten sind so klar, dass wir ein Pendel benutzen, um die Oberfläche in Bewegung zu setzen. Sonst könnte man nicht mal erkennen, dass hier Wasser ist“, erzählt Droska und zieht am Pendel. Was ich für Leere hielt, gerät nun in Bewegung.

Es ist offensichtlich, dass es sich bei einigen Elementen in der Höhle nicht um Fels handelt. Foto: Alex Mayschak

Nationales Naturmonument

Es geht weiter hinein in die Kluterthöhle. Die teils sauber erkennbaren Gesteinsschichten werden von einem ungewohnten Anblick abgelöst. Weiße Flecken übersäen die Gänge. Sarah Droska erklärt: „Wir sind hier mitten im Korallenriff. Jeder dieser Flecken war eine Koralle, ein Schwamm oder auch eine Schnecke, Muschel oder Perlboot.“ Ich erkenne winzige Kämmerchen und zarte Röhren im Gestein. Eine Schlammlawine, erzählt Droska, hat vor Millionen von Jahren das Riff bedeckt und es so für die Nachwelt quasi versiegelt.

Obwohl es Scherbenfunde bereits um 1200 gab und die Höhle damit schon viele hundert Jahre von Menschen genutzt wurde, fingen ernsthafte Forschungen erst in den 70ern an. Damals wurden auch die Gänge durch das Korallenriff freigelegt.
Was in den 70ern Menschen erledigt haben, ist vorher durch Chemie entstanden. Stark säurehaltiger Regen drang durch die Risse im Gestein hinein in die Kalkmassen und löste diese auf. Zurück blieben die Gänge und all das, was gegen den sauren Regen unempfindlich war.

Fast schon unheimlich: Immer wieder finden sich in der Kluterthöhle Spuren wohl längst verstorbener Menschen. Foto: Alex Mayschak

Immer noch wird in der Höhle rege geforscht und längst sind nicht alle Geheimnisse der Gänge und Zeiträume, die hier entstanden und verstrichen sind, gelöst. „Normalerweise kennen wir Korallenriffe nur im Zusammenhang mit kristallklarem Wasser. Wir vermuten aber, dass das Wasser dieses Korallenriffs trüb gewesen ist. Deswegen gibt es hier auch so viele versteinerte Schwämme einer Gattung, die danach ausgestorben ist. Die Schwämme filterten das Wasser,“ klärt mich Droska auf, als wir immer wieder an besonders großen, runden und weißen Gebilden im Korallenriff vorbeikommen. Die Kluterthöhle macht einem bewusst, wie klein, verwundbar und jung man ist. Menschliche Zeiträume werden in den Dimensionen des Gesteins einfach verschluckt.

Erlebniswelt mit Heilwirkung

Geradezu bizarr mutet es an, als uns regelmäßig Stühle und Liegen begegnen, die in den Gängen verteilt sind. Droska führt dazu aus: „Die Höhle wird schon seit Jahrzehnten für Therapien benutzt. 1950 entdeckte August Bartz, dass die saubere Luft bei Atemwegserkrankungen hilft. Die Menschen können hier unten einfach besser atmen. Mittlerweile haben wir auch viele Long Covid-Patienten.“ Nicht nur die reine Luft der Höhle wird genutzt, sondern auch ihr einmaliger Klang. „Hier finden auch öfter Konzerte statt. Die Höhle bietet einfach ein einmaliges Ambiente und damit außergewöhnliche Erfahrungen.“
Ich erfahre außerdem, dass in der Höhle auch geheiratet werden kann.

Ob heilen oder heiraten – die Höhle wird vielseitig genutzt. Foto: Alex Mayschak

Während der Führung kommen wir immer wieder an schmalen und engen Abzweigungen vorbei. Tatsächlich krabbeln Menschen hier regelmäßig in die schmalen Schlunde. Das ist Teil der Actionführungen, die vor allem für Abenteurer:innen und Herausforder:innen gemacht sind. Natürlich gibt es auch für entspannte Flanierer:innen wie mich die passenden Touren.
Dass wir der Außenwelt wieder näherkommen, kann ich riechen bevor ich es sehe. „Wer aus der sauberen Luft der Höhle kommt, merkt erstmal, wie verschmutzt unsere Luft draußen ist.“ erklärt Sarah Droska. Die Kluterthöhle zu verlassen erfüllt mich mit einer gewissen Wehmut. Zwischen den versteinerten Korallen wird man ruhiger, demütiger. Die Führung hat mir eine einzigartige Welt gezeigt, in der man viel erleben und noch mehr lernen kann.

Atmosphärisch: Das Licht spielt eine große Rolle bei der Wahrnehmung der Kluterthöhle. Foto: Alex Mayschak

Kluterthöhle
Gasstr. 10, Ennepetal
Führungen mehrmals monatlich, genaue Termine und Buchungen auf der Website

Anzeige
Anzeige

Beste Events, Trends und Reportagen für die Rhein-Ruhr-Region

Inhaltsverzeichnis
Home