Die Weinbar Emma 2 in Rüttenscheid hat 931 Weine im Angebot. Dazu serviert Inhaber Rainer Podzuck Köstlichkeiten aus der kalten Küche – von bretonischen Sardinen bis zu Tiroler Bergkäse. Jedes Detail im Lokal ist handverlesen. Von Fachvorträgen über Wein hält Podzuck allerdings nichts.
Das Emma 2 in Rüttenscheid ist ein Ort der Details. Man muss Inhaber Rainer Podzuck nur ein Stichwort geben, dann sprudelt es aus ihm heraus. Die lange Tafel im Thekenraum? Ist eine hundert Jahre alte Werkbank aus London und betont den geselligen Charakter der Weinbar. Hier sitzen auch Gäste zusammen, die sich nicht kennen. Die mächtige Fleischschneidemaschine auf der Theke? Funktioniert rein mechanisch, ein Motor würde den Geschmack der Lebensmittel verändern. Die Küche? Podzuck serviert ausschließlich kalte Speisen zum Wein und lässt sich von kleinen europäischen Erzeugern beliefern. Besonderes Fleisch und Käse kann er oft nur in kleinen Mengen erwerben.
Die Hauptsache jedoch ist und bleibt der Wein. Podzuck bestellt bei Winzern in Deutschland, Österreich, Italien und Frankreich – oder bringt Neuentdeckungen von Reisen mit. Ein Glas Wein bei Emma 2 kostet zwischen fünf und 60 Euro. Wer eine Flasche kaufen und zu Hause genießen will, findet im Laden Angebote für zehn, 70 und 150 Euro.
Obwohl Rainer Podzuck in seinem Lokal an der Emmastraße 2 eine Vielzahl feiner Tropfen anbietet – auch solche, die im weiten Umkreis sonst nirgendwo zu haben sind – hält er nichts von Fachvorträgen: „Ich würde nie einen Sommelier einstellen!“ Da hätte er Bedenken, meint er, dass zugunsten einiger Lieblingswinzer die Neugier zu kurz komme. Außerdem solle der Weingenuss nie belehrenden Charakter annehmen. Mit seiner einzigen Mitarbeiterin, der Weinberaterin Bettina Hess, hat er eine Expertin gefunden, die sich hervorragend auskennt und sich gemeinsam mit den Gästen gerne an den passenden Wein herantastet. „Wenn Kunden sagen, was sie suchen, ist das häufigste Wort ‚lecker‘!“, lacht Hess. Und das sei auch völlig in Ordnung.
Nahe der Rü, aber nicht mitten darauf
Als Podzuck sein Lokal 2013 eröffnete, wollte er etwas erfinden, „was es so noch nicht gibt“. Die große Zahl verschiedener Weine, dazu die ausschließlich kalten Speisen – beides war neu in Rüttenscheid. Begonnen hat Podzuck mit 800 verschiedenen Weinen, inzwischen sind es genau 931. Gut 200 sind im Lokal zu haben, 70 bis 80 davon offen. Die restlichen warten in einem nahegelegenen Lager. In manchen Fällen wird es noch fünf oder mehr Jahre dauern, bis Podzuck den Korken zieht. „Das Geschmackspotenzial braucht manchmal eben länger.
Dass Gastronomen Weine so lange liegen lassen, ist aber selten geworden. „Mit seinem ersten eigenen Lokal machte Podzuck ein Hobby zum Beruf, denn er besaß bereits eine umfangreiche Privatsammlung besonderer Weine. Nach jahrelanger Berufstätigkeit als internationaler Vertriebler für ein großes Unternehmen für Haarpflegeprodukte mochte er sich noch nicht zur Ruhe setzen. „Ich wollte nicht einfach ins Nichts fallen… oder am Ende ins Golf spielen!“, erklärt der Wahl-Essener mit einem Grinsen. Die Arbeit im Emma 2 sei beinahe ein Vollzeit-Job, komme ihm nach Jahren mit Geschäften in ganz Europa aber eher vor wie eine Halbtagsstelle.
Das Ladenlokal an der Emmastraße bekam Podzuck durch einen guten Zufall. Früher beherbergten die Räume ein Schneiderstübchen. Podzuck renovierte fast zwei Jahre in Eigenregie, bis er alles perfekt fand. Optimal sei auch die Lage: Nah an der Rü, aber nicht mitten darauf.
Im vorderen Raum von Emma 2 ist zwischen Theke und Weinregal Platz für zehn Personen. Ein zweiter Raum mit kleinen Tischen dagegen hat „loungigen Charakter“. Nach hinten raus warten weitere Tische in einem kleinen Innenhof. Bei warmem Wetter sitzt man hier zwischen heller Hauswand und grünen Büschen. Bei der gesamten Einrichtung stellte sich Podzuck viele Detailfragen. Wie muss sich die Spülmaschine öffnen, damit das Geschirr auf den Regalen nicht beschlägt? Wie groß dürfen die Teller sein, damit sie perfekt auf die Tische passen? Wie müssen Möbel, Küche und Weine gewählt sein, damit ein Besuch bei Emma 2 Erlebnischarakter gewinnt?
Podzuck tüftelte, probierte aus, was bei den Gästen gut ankommt – und leistete in manchen Punkten auch Überzeugungsarbeit. Immer mal wieder erklären muss er zum Beispiel, dass auch mit Geld nicht alles möglich ist.
Podzuck arbeitet mit vielen kleinen Metzgereien und Bergbauern aus Süddeutschland, Frankreich und Italien zusammen, deren Erzeugnisse begrenzt sind. Diese „authentischen Produkte“ aus traditioneller Herstellung entstehen abhängig von Region und Jahreszeit. Das ist für Podzuck der Inbegriff von „Slow Food“: „Wer die Lebensmittel macht, der verteilt sie auch zu seinen Bedingungen. Da geht es um Qualität, es gibt praktisch keine Rabatte. Das ergibt dann eben auch ein anderes Preisgefüge.“ Eine besondere Tomatensorte etwa bekommt Podzuck von einer kleinen italienischen Farm, die drei Frauen betreiben, nur ein einziges Mal im Jahr. Die in Wasser und Öl eingelegten Tomaten sind besonders geschmacksintensiv. „Wenn die alle sind, sind sie alle.“
Alle Ideen erfüllt
Podzucks Plan ging auf, die Gäste wissen sein Konzept zu schätzen. Nur dreieinhalb Jahre nach der Eröffnung hat Podzuck sich „alle Ideen erfüllt“. Ganz oben, das sagt er immer wieder, stehe der Anspruch, dass man sich bei Emma 2 wohlfühlt. Neue Gäste werden persönlich begrüßt und verabschieden sich nicht selten mit Handschlag. Wer nicht genau weiß, was er will, gibt ein Budget vor und lässt sich überraschen.
Eine typische kulinarische Dramaturgie bei Emma 2 könnte etwa so aussehen: Der Abend beginnt mit Fisch, beispielsweise mit Jahrgangssardinen aus der Bretagne, serviert mit Brot und Butter. Als zweite Speise könnte dünn geschnittene Bresaola mit Olivenöl und Parmesan, als dritte individuell zubereitetes kaltes Schweinefleisch folgen. Eine Spezialität ist hier „Tonno in Chianti“ – das ist Fleisch, das in Geschmack und Optik an Thunfisch erinnert. Zum Abschluss süße Apfeltörtchen oder etwas Schokoladiges. Mit jeder Speise wechseln auf Wunsch die passenden Weine. Auch gibt es täglich zehn bis zwölf Käsesorten zur Auswahl.
Wer am Wochenende ohne Reservierung kommt, muss sich unter Umständen in eine Tischgemeinschaft integrieren. Das würden die meisten Gäste gerne mitspielen, erklärt Podzuck – denn bei Emma 2 hat man Lust auf Gemeinschaft. Wem das nicht gefällt, der ist im Weinlokal womöglich falsch. „Es kommt selten vor, aber manchmal beißen Leute sich an ihren Wünschen fest. Dann sage ich auch schon mal: Hör zu, das wird hier kein schöner Abend für dich.“
Im Großen und Ganzen, sagt Podzuck, sei Emma 2 das Ergebnis guter Zufälle. Auch, dass die Weinauswahl immer noch weiter wachse, ergebe sich eher von selbst. Ein Neuzugang im Sortiment ist beispielsweise ein italienischer Wein, den der Neffe des Pianisten Ludovico Einaudi in Italien anbaut. Ein Anruf beim Winzer führte zunächst zu nichts: „Es hieß, man liefere nicht.“ Doch damit gab sich Podzuck nicht zufrieden. Er kaufte Karten für ein Einaudi-Konzert in der Essener Philharmonie, ging mit seiner Frau hin und brachte einen Wein als Geschenk mit. Eine kleine Audienz beim Künstler, und schon war der Fall geregelt – der Wein aus dem Hause Einaudi steht jetzt bei Emma 2 im Regal.
Bei 931 verschiedenen Weinen habe er zwar manchmal Ehrgeiz, die Tausendergrenze zu knacken, gibt Podzuck zu. Aber genauso schnell rudert er zurück und gibt sich bescheiden: „Emma 2 will einfach ‘ne schöne Weinbude sein!“ Dass das funktioniert, zeigen neuerdings auch zwei Auszeichnungen: Jüngst wurde das Lokal zu einem der offiziellen „Gerolsteiner WeinPlaces“ ernannt. Diesen Titel verleiht der Mineralwasser-Hersteller an „gastronomische Orte in Deutschland, an denen Wein als Ausdruck eines Lebensgefühls im Mittelpunkt steht“. Parallel nahm das Gourmet-Magazin „Der Feinschmecker“ Emma 2 in seine Top 40 der besten Weinbars in Deutschland auf. Darüber freut sich Podzuck, aber er bleibt auch gelassen: „Ich wünsche mir, dass es den Laden in 40 oder 50 Jahren noch genau so gibt – und sich hier nicht viel verändert.
Weinbar Emma 2, Emmastr. 2, Essen-Rüttenscheid