Im September 2019 starb Peter Lindbergh, der seit den 1980er-Jahren zu den bekanntesten und einflussreichsten Modefotografen gezählt hat. 140 seiner Arbeiten sind bis Juni im Kunstpalast Düsseldorf zu sehen. Die Ausstellung hat Peter Lindbergh noch selbst geplant.
Ende August letzten Jahres kam die lang erhoffte SMS von Peter Lindbergh. Die Ausstellung sei fertig. An diesen Moment erinnert sich Referentin Felicity Korn, die zusammen mit Kunstpalast-Direktor, Felix Krämer, die Ausstellung organisiert hat. Die Freude war groß, denn zwei Jahre der intensiven Zusammenarbeit fanden in der finalen Zusammenstellung von 140 Arbeiten ihren ersten Höhepunkt. Der Schock muss umso größer gewesen sein, als kurze Zeit darauf die Nachricht von Lindberghs Tod kam.
„Peter Lindbergh – Untold Stories“ bleibt daher die erste und einzige Ausstellung, die der Fotograf selbst geplant hat. Die Idee dazu sei angetrieben gewesen von der Frage, wie ein vielschaffender Fotograf auf sein eigenes Werk zurückblickt. „Welche Bilder sind für ihn persönlich die wichtigsten“, so Felix Krämer. Für diese Art der Auseinandersetzung wurde Peter Lindbergh freie Hand gegeben, lediglich die Anzahl der Arbeiten wurde begrenzt. Es muss eine Mammutaufgabe für ihn gewesen sein, der aus abertausenden Fotos der letzten 40 Jahre wählen musste. In dem Katalog zur Ausstellung erzählt Lindbergh zu diesem Prozess, dass die Auswahl ein Kampf um Leben und Tod gewesen sei. Die Bedeutung wird mit dieser Aussage deutlich: „Als ich meine Fotos das erste Mal an der Wand im Ausstellungsmodell sah, habe ich mich erschrocken, aber auch auf positive Weise. Es war überwältigend, auf diese Art vor Augen geführt zu bekommen, wer ich bin.“
In diese visuelle Autobiografie tauchen Besucher ein, wenn sie die Installation „Manifest“ betreten, die eigens für die Ausstellung entwickelt wurde. Auf die monumentalen Fototapeten, dessen Arrangement Lindberghs Idee von Modefotografie darstellen, folgt der ebenso imposante Hauptteil der Präsentation. Hierfür hat er essenzielle Werke seines langjährigen Oeuvres arrangiert und die großzügige Architektur der Räume mit acht Meter hohen Wänden voll ausgenutzt. Viele seiner ikonischen Fotografien mit den Supermodels der 1990er-Jahre fehlen, dafür tauchen neben zahlreichen intimen Porträts Landschaften auf, viele Straßenszenen oder Stilleben, eines davon farbig, ein Delfin, nackte Körper, grob statt glatt, einer Statue gleich festgehalten. Referenzen zur Fotografie der Neuen Sachlichkeit wie Anspielungen an den Film öffnen sich wie an das Industrielle, die möglicherweise auf seine Kindheit in Duisburg verweisen. Immer wieder sind Frauen mit Schutzhelm zu erkennen.
Lindberghs oft gelobte Leistung war es, die Modefotografie durch ein narratives Moment erweitert zu haben, indem er Situationen schuf, in denen die Fotografierten agieren konnten. Seine Bilder erzählen keine Geschichten im klassischen Sinne, sondern wecken Assoziationen. Mit seinem persönlichen, unkommentierten Foto-Essay scheint er eben eine solche Situation geschaffen zu haben, ob mit den Fototapeten, den Gruppierungen sowie mit der abschließenden Filminstallation „Testament“ von 2013. Der Film zeigt eine stumme Auseinandersetzung mit Lindberghs Kamera und Elmer Carroll, einem verurteilten Mörder. Die Besucher wandeln frei zwischen diesen Arbeiten und schaffen eigene Erzählungen über Lindbergh und sich selbst – eben solche „Untold Stories“.
Peter Lindbergh – Untold Stories: bis 1.6.2020, Kunstpalast, Düsseldorf
Kunst ist Trumpf