Reisejournalist Lutz Jäkel: Der Toleranz-Aktivist

Foto: Lutz Jäkel
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Syrien ohne Krieg – heute schwer vorstellbar. Doch genau davon berichtet der Reisejournalist Lutz Jäkel in seinen Live-Vorträgen. Bis 2011 war er regelmäßig vor Ort. Wie er zum Reisen gekommen ist und was ihn antreibt, hat er uns erzählt.

Ende März verkündete Donald Trump, die letzte Bastion der IS-Miliz im syrischen Baghus sei eingenommen. Wie beurteilst du die Lage in Syrien?
Zunächst sind Zweifel angesagt, ob Donald Trump Recht hat. Es scheint so zu sein, dass die Terrormiliz IS weitgehend vertrieben werden konnte. Der IS ist damit zwar militärisch besiegt, aber ideologisch noch lange nicht. Der Krieg in Syrien ist nicht durch den Kampf gegen die Islamisten und Dschihadisten angefacht worden, sondern durch die zunächst friedlichen Proteste der Syrer für politische Freiheiten und gegen Unterdrückung. Diese Proteste wurden seitens des Regimes brutal unterdrückt, wodurch sich auch die Proteste radikalisierten. Erst später wurde daraus auch ein Kampf gegen Islamisten. Inzwischen ist die Situation unüberschaubar geworden. Daher spreche ich bewusst vom syrischen Krieg, nicht vom Bürgerkrieg.

Vor dem Ausbruch des Krieges 2011 hast du regelmäßig Reisen nach Syrien unternommen. Vom „Land ohne Krieg“ schilderst du in Live-Vorträgen. Wie hast du Syrien erlebt?
Syrien ist für mich das spannendste, vielfältigste Land in der arabischen Welt. Ein historisch, kulturell und vor allem menschlich reiches Land. Das betone ich auch in meiner Live-Reportage und zeige es anhand von Fotos und Erzählungen. Die Menschen in Syrien begegnen einem in der Regel mit Neugier und Offenherzigkeit. Das habe ich kaum in einem anderen Land so intensiv erlebt, und es steht in Kontrast zur Außenwirkung des Landes, das man fast nur noch als Land des Krieges wahrnimmt. Selbst vor dem Krieg haben nicht wenige das Land als eines der Länder „der Achse des Bösen“ verortet. Das ist tragisch, eigentlich ist – jenseits des politischen Systems – Syrien das Gegenteil.

Wann und wie hast du bemerkt, dass dich die Ferne reizt?
Ich glaube, behaupten zu können, dass mir das fast in die Wiege gelegt wurde. Durch den Beruf meines Vaters haben wir einige Jahre in Istanbul gelebt. Da war ich noch ein Kind, und diese Zeit war für mich sehr prägend. Ich habe mich sehr wohl gefühlt in der Türkei und tue es noch. Somit war orientalisches Ausland schon immer Teil meiner Kindheit, damit Teil meines Lebens, das mir vertraut erscheint. Schon als Kind habe ich mich gerne auf Flughäfen aufgehalten. Menschen aus aller Welt, das wollte ich erleben. Genau das tue ich als Fotojournalist und Autor, der beruflich viel durch die Welt reisen darf. Ich habe einen Traumjob, das ist mir bewusst.

Foto: Lutz Jäkel

Wie kamst du dazu, von deinen Erfahrungen zu berichten?
Eher durch die Hintertür. Ich bin während des Studiums viel gereist, meist mit dem Rucksack. Ich habe fotografiert, Freunden von den Reisen erzählt, angefangen, darüber zu schreiben. Bis irgendwann Freunde gesagt haben, dass ich das wohl ziemlich gut kann. Und da mir das ja selbst eine große Passion ist, habe ich das zum Beruf gemacht. Und nicht einen Tag bereut.

Welche Erfahrungen hast du mit Vorurteilen gemacht?
Ich bin studierter Islamwissenschaftler und habe mich auf den arabischen Raum spezialisiert, auch wenn ich in vielen anderen Teilen der Welt unterwegs bin. Wenn man mit den Themen Islam, Muslime, Migration und Geflüchtete zu tun hat, wird man ständig mit Vorurteilen konfrontiert. Gerade in diesen Zeiten. Das ist nicht immer einfach. Aber darin sehe ich meinen Ansporn und meine Aufgabe, diesen Vorurteilen entgegenzutreten. Hardy Fiebig, einer der Gründer von Grenzgang, nannte mich kürzlich einen „Toleranz-Aktivisten“. Das gefällt mir, das trifft es sehr gut.

„Reisen veredelt wunderbar den Geist und räumt mit all unseren Vorurteilen auf“: Dieses Wilde-Zitat ziert deine Homepage. Was gibst du Reisemuffeln und Fremdelnden mit auf den Weg?
Genau diesen Satz zu beherzigen. Wenn man nicht reisen kann oder möchte, sollte man zumindest gut zuhören. Meist ist das Verbindende mit dem vermeintlich Fremden größer als das Trennende. Man muss nur genau hinschauen, so können sich auch Vorurteile abbauen.

Zur Homepage von Lutz Jäkel

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