La Dispute im Interview: From Michigan with Love

Foto: Pooneh Ghana
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La Dispute sind zurück. Die Post-Hardcore-Band aus Michigan hat ihr viertes Album „Panorama“ veröffentlicht und betourt mit neuem Sound die europäischen Bühnen. Wir haben mit Sänger und Frontmann Jordan Dreyer über die neuen Songs, soziales Engagement und seine musikalische Reise gesprochen.

Mit jedem Album verändert ihr ein bisschen euren Sound – auch nach dem Hören von „Panorama“ scheint es, als würdet ihr eine neue musikalische Reise antreten. Ist das beabsichtigt oder passieren diese Veränderungen einfach?
Wir haben immer Wert darauf gelegt, unseren Ansatz für jede Veröffentlichung zu ändern. Im Allgemeinen gehen wir zuerst von einem thematischen Konzept aus, aus dem sich dann eine Art Klangpalette aufbaut, die wir dann nutzen. „Wildlife“ zum Beispiel war geprägt von tragischen Geschichten, die sich auf die schwere, emotionale Seite des Lebens beziehen. „Rooms of the House“, das Nachfolgeralbum, wurde eher zurückhaltend, weil die Storys hinter den Lieder ein wenig gesetzter waren. Nachdem wir uns für das neue Album so viel Zeit genommen haben, haben wir uns allerdings ein wenig von dieser Herangehensweise entfernt. Ich hatte zu viele Ideen gesammelt und es war schwer zu entscheiden, auf welche davon es sich lohnt zu konzentrieren. Musikalisch gesehen waren wir alle irgendwie in der Denkweise gefangen, sich in eine ähnliche Richtung bewegen zu müssen oder wollen, wie wir es bei „Rooms of the House“ getan haben. Nach fast zwei Monaten beschlossen wir, alles, was wir geschrieben hatten, zu streichen und neu anzufangen. Dabei haben wir uns wohl gezwungen, uns auf unsere Instinkte als Musiker zu konzentrieren und die Songs entscheiden zu lassen, wohin sie gehen sollen – so kitschig das auch klingt. Kurz gesagt, ich denke, diesmal ist einfach passiert, was in der Vergangenheit etwas berechenbarer war.

Wie hast du deine persönliche musikalische Reise bisher erlebt? Gibt es einen gewissen Einfluss durch besondere Charaktere – Philosophen, Dichter, bestimmte Künstler?
Neben der Nähe zu Geschichten und Charakteren aus meinem unmittelbaren wirklichen Leben ist das, was mich am konsequentesten zum Arbeiten und Schreiben inspiriert – und ich stelle mir vor, dass meine Bandkollegen das Gleiche sagen würden – die Kunst der anderen. Für mich ist ein großer Teil dieser Künstler Schriftsteller, meist Belletristiker, aber auch einige Dichter und zunehmend Filmemacher. Und natürlich auch andere Musiker. Wahrscheinlich sehr klischeehaft, aber ich fühle mich immer angezogen, wenn Künstler Grenzen überschreiten. Zum Strengen oder zum Dramatischen, was, wie ich annehme, wahrscheinlich nicht ganz überraschend ist.  

Hast du zu einem eurer Songs eine ganz besonders starke Verbindung? Und wenn ja, warum?
Das verändert sich mit der Zeit. Manchmal entwachse ich einem Gefühl, das ein Lied inspiriert hat, und manchmal bekommt ein altes Lied angesichts veränderter Umstände eine neue Bedeutung. Die beiden Songs, mit denen ich mich am direktesten verbinde, sind die letzten beiden Songs auf unserer neuesten Platte. Sie sind Statements der Liebe auf einem Album, das sich, auch wenn es sich streckenweise auf die Ängste und Unwidrigkeiten im (Beziehungs)Leben konzentriert, um genau das dreht: Die Liebe, anhaltend und unsterblich. 

Gibt es auch Songs oder Texte, mit denen du dich nicht mehr identifizieren kannst?
Sehr viele. Obwohl, wie ich bereits erwähnt habe, einige durchaus eine neue Bedeutung annehmen. An jedem Tag, den man erlebt und an dem man wächst, bewegt man sich von Dingen fort, die sich einst dringend und ewig angefühlt haben. Wenn man ein Lied an einem bestimmten, sehr emotionalen Zeitpunkt im Leben geschrieben hat und sich von diesem Punkt entfernt, sich weiter entwickelt, passiert es natürlich, dass man auch die ursprüngliche Motivation, die einen zum Schreiben genau diese Liedes angehalten hat, überholt. Alles könnte dann etwas ganz anderes bedeuten, oder auch nicht, aber es ändert sich definitiv.

Ihr seid in Michigan aufgewachsen – wie hat sich das auf eure Musik ausgewirkt? Ihr schafft in eurer künstlerischen Arbeit oft eine Verbindung zu eurer Heimatstadt, spürst du diesen Einfluss?
Es ist unser Zuhause. Es wird immer unser zu Hause sein. Dort haben die meisten von uns die meiste Zeit verbracht, wir sind fast alle dort aufgewachsen Und, was vielleicht am wichtigsten ist, auch wir als Band sind dort zusammen -und gemeinsam gewachsen. Ohne Michigan und die Stadt Grand Rapids wären wir keine Band. Und dort kennen wir die Landschaft, die Menschen und die Kultur am besten. Und ja, deshalb ist Michigan ein immer wiederkehrender Einfluss auf unsere Musik und alles, was wir machen.

Neben dem Musikmachen engagiert ihr euch stark im sozialen Bereich – zum Beispiel euer Beitrag zum Bewusstsein für ICE Raids und die aktuelle US-Einwanderungskrise durch Raicestexas, sowie der Erhebung eurer Stimme für Umstände, die eurer Meinung nach angesprochen werden müssen – denkst du, dass ihr dazu in gewisser Weise verpflichtet seid, weil ihr, anders als andere Menschen, bereits eine Bühne habt, die ihr dafür nutzen könnt?
Ehrlich gesagt, denke ich, dass die einzige Verpflichtung, die wir als Musiker empfinden, darin besteht, uns treu zu bleiben und keine Kompromisse einzugehen. Dieses Motiv leitet unsere kreative Arbeit, aber auch uns, als Menschen. Wenn wir keine Plattform hätten, wären wir immer noch wütend darüber, wie diese Welt bestimmte Menschen behandelt, wir würden immer noch schreien und bei Protesten auftauchen und an Menschen spenden, die sich für den Schutz dieser Menschen einsetzen. Ich denke auch, dass die Punk-Szene, die uns aufgezogen hat, absolut untrennbar mit sozialem und politischem Engagenment und Bewusstsein verbunden ist. Punkrock bedeutet für uns, eine Community für jeden zu bieten, der bereit ist, daran zu arbeiten, eine bessere Welt für alle zu schaffen. Aber um auf die Frage zurückzukommen, denke ich, dass es eine Verschwendung wäre, die Plattform, die wir haben, nicht zu nutzen. Außerdem sind die Leute, die unsere Musik  hören und auf unsere Konzerte kommen einige der engagiertesten, mitfühlendsten und großzügigsten Leute, denen ich je begegnet bin.

Glaubst du, dass mehr Menschen mit einer gewissen Reichweite ein anderes Gefühl der Dringlichkeit verspüren sollten, sich vehementer für die Anliegen einzusetzen, denen sie sich verpflichtet fühlen?
Ich denke, fast jeder hat Reichweite, auch wenn es nur ein oder zwei Menschen sind. Es obliegt uns allen als Menschen, zu treten und zu schreien, wenn wir Ungerechtigkeit in irgendeiner Form sehen. Die Welt wird nur dann besser, wenn wir dafür kämpfen, sie zu verbessern. Und der Wandel beginnt vom Boden aus und geht nach oben. Nicht umgekehrt.

Wenn du nicht Musiker geworden wärst, wohin hätte dich das Leben gebracht? Wo wärst du dann gerade?
Oh Mann. Ich weiß es nicht. Es ist fast unmöglich, sich an mein Leben „davor“ zu erinnern. Schon bevor wir aktiv Musik gemacht haben, waren wir alle darin vertieft, hatten diese Leidenschaft in uns. Vielleicht wäre ich aufs College gegangen. Vielleicht würde ich schreiben oder unterrichten. Ich weiß es nicht, ehrlich gesagt. Das Leben, das ich momentan führe, ist seit fast der Hälfte der Zeit, in der ich lebe, mein Leben. Es ist schwer, sich etwas anderes vorzustellen.

Wenn du einen beliebigen Ort auf der Welt wählen könntest, an dem du auftreten könntest – welcher wäre es, und warum?
Ich weiß es nicht wirklich. Ich glaube nicht, dass mir ein bestimmter Veranstaltungsort in den Sinn kommt. Ich möchte in mehr Ländern und in mehr Städten spielen, mehr Orte sehen, die ich noch nie gesehen habe und mehr Leute treffen.  

Das Interview führte Viktoria Colizzi

La Dispute: 29.6.,Bürgerhaus Stollwerck, Köln 

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