Auf den Befehl von Christoph Schlägers Computer setzen sich 15 Abbauhämmer in Bewegung. Sie rattern, pochen, fauchen. Bergbau-Historie erwacht zum Leben, schafft eine moderne Soundlandschaft. Das „Abbauhammerkonzert“ des Soundkünstlers ist Teil des attraktiven Beiprogramms der Mega-Ausstellung „Kunst & Kohle“, die von Mai bis September den Übergang des Ruhrgebiets in die Zeit nach dem Bergbau-Ende begleitet.
17 Häuser aus dem Verbund der RuhrKunstMuseen ziehen für „Kunst & Kohle“ an einem Strang. In 13 Städten sind dann künstlerische Projekte unterschiedlichster Art zu sehen – ein beispielloser Akt, der beweist, dass Kooperation eine gehütee Tradition im Ruhrgebiet bleiben soll.
Der Unterschied zur großen Schau „Das Zeitalter der Kohle“, die kurz vorher im Ruhrmuseum Essen eröffnet wird, ist, dass es bei „Kunst & Kohle“ nicht in erster Linie um die geschichtliche Auseinandersetzung mit dem Bergbau-Zeitalter geht: „Mir gefallen gerade die absurden, geistigen Momente, die über das Zweckgerichtete des industriellen Prozesses hinausgehen“, sagt Ferdinand Ullrich, der das Ausstellungsprojekt organisiert hat. „Ich bin im Ruhrgebiet sozialisiert worden, habe selbst unter Tage gearbeitet bevor ich mein Kunststudium aufgenommen habe.“ Schon als sich der Verbund der RuhrKunstMuseen im Kulturhauptstadtjahr 2010 gründete, war dem damaligen Leiter der Museen der Stadt Recklinghausen klar, dass sich die Museen der Region dem Ende des Steinkohlebergbaus widmen müssten.
Das aufwendigste und spektakulärste Projekt, das er dafür ins Boot geholt hat, findet allerdings gar nicht in einem Museum statt, sondern am Schloss Strünkede in Herne, weil die städtische Galerie gerade saniert wird. Der ghanaische Künstler und Teilnehmer der documenta 2017 Ibrahim Mahama verhüllt große Teile des Daches und der Fassade des Wasserschlosses mit Jutesäcken. Mit helfenden Händen von Ruhrgebietsbewohnern hat Mahama die Säcke, in denen in seiner Heimat auch Kohle über weite Strecken transportiert wird, im April auf der Zeche Westerholt in Gelsenkirchen vernäht. Aufwendig ist das Projekt auch deshalb, weil es nicht nur wegen Brandschutz-Vorschriften auf der Kippe stand, sondern für das Schloss sogar ein Fledermaus-Gutachten eingeholt werden musste.Klassischer geht es zum Beispiel im Museum Quadrat Bottrop zu, wo Arbeiten Bernd und Hilla Bechers ausgestellt sind. Sie setzten mit ihren dokumentarisch fotografischen Arbeiten ein Zeichen gegen das Vergessen und bewahren mit klaren Strukturen und nüchternem Blick ein Bild, das knapp 250 Jahre das bestimmende des Ruhrgebiets war: Zechen, Fördertürme, Hochöfen und Gasometer.
Das Museum unter Tage in der Bochumer Situation Kunst heißt „Schwarz“ und widmet sich mit Vertretern der Postminimal Art der konkreten Kunst der Wirklichkeit des Materials: Die Arbeiten spielen mit der Schwärze von Kohle und thematisieren die Sichtbarkeit von Verborgenem sowie Dunkelheit in der Kunst seit den 1960er-Jahren bis heute. Das sichtbare Material Kohle in ein unsichtbares verwandelt die Künstlerin Helga Griffiths am Kunstmuseum Mülheim: Über das Verfahren der Destillation will sie die Essenz der Kohle gewinnen und zu einem Parfüm veredeln. Der Duft soll an die Herkunft des fossilen Energieträgers aus den Urwäldern des Karbonzeitalters erinnern.
Die auf das Thema Comic spezialisierte Ludwiggalerie Oberhausen hat unter dem Titel „Glück auf!“ Zeichnungen zum Thema von Wilhelm Herbert Kochs Kumpel Anton über Jamiri bis Walter Moers zu Tage gefördert. Und zur großen Vielfalt der künstlerischen Genres in der Schau gehört auch ein Theaterstück: Die Dresdner Cie. Freaks & Fremde erzählt in „Carbon“ mit Figurentheater vom Leben mit, von und ohne Kohle in Sachsen, dem Ruhrgebiet und Kolumbien. Premiere ist am 12. Mai auf dem Festival FIDENA in den Flottmannhallen Herne.
Kunst & Kohle: 4.5.-16.9. an verschiedenen Orten des Ruhrgebiets; ruhrkunstmuseen.com