Zehn Tracks, keiner länger als anderthalb Minuten: Das ist das neue (Konzept-)Album der Kölner Rockband KMPFSPRT. Großes Thema auf dem selbstbetitelten, siebten Album (auch das kann man schnell aufn Punkt bringen): Köln. Ihrer Heimatstadt nähern sie sich dabei mit viel Kritik, aber auch unverhohlener Liebe. Darüber spricht Gitarrist und Sänger David mit Lukas Vering.
Lieder über Heimatstädte sind entweder Hymnen oder peinlich. Ihr habt einen anderen Weg gewählt: Kurz und hart. Wie kamt ihr auf die Idee, ein Köln-Album in dieser Form zu fabrizieren?
Vermutlich liegt die Antwort schon in der Fragestellung: um genau das Hymnenhafte und Peinliche so gut es geht zu vermeiden. Es gibt so viele Lieder über Köln, wahrscheinlich mehr als über die meisten anderen Städte in Deutschland. Aber so gut wie alle davon sind schunkelnde Karnevals-Schlager, und wir waren der Meinung, dass diese die Stadt mit all ihrer vielfältigen Subkultur eigentlich gar nicht repräsentieren, zumindest nicht ausschließlich. Daher wollten wir über die Stadt, die wir lieben singen, ohne dabei in Klischees oder Lobhudelei abzudriften, sondern sie so darstellen, wie sie sich uns darstellt: Schmutzig, laut, kaputt, dabei aber immer auch liebenswert und voller Herz.
Musikalisch lehnt ihr euch mehr denn je in Richtung Hardcore – wie habt ihr den Sound für das Album gefunden?
Uns war von Anfang an klar, dass die 7“ über Köln kein gewöhnliches KMPFSPRT-Release mit normalen Songs werden würde, sondern ein klarer musikalischer Ausflug in andere Gefilde. Darum gibt’s ausschließlich Hardcore, eine Hommage an die Musik, mit der wir aufgewachsenen sind. Ich weiß auch nicht, wann wir das letzte Mal so viel Spaß mit einer Platte hatten wie dieses Mal. Alles kam wie von alleine zusammen, völlig ohne Mühe und Anstrengung, einfach nur aus dem Spaß an Songs unter 90 Sekunden, die immer nur nach vorne gehen sollten. Fast schade, dass es schon vorbei ist, haha!
Es sind ja nicht nur Liebeslieder an Köln auf dem Album. Also mal Hand aufs Herz: Was stört euch an Köln?
Köln hat sich in den letzten Jahren nicht unbedingt in die Richtung entwickelt, die wir gerne sehen würden: Clubs und Proberaumkomplexe werden geschlossen, die Mieten in der Innenstadt explodieren, Yuppies ziehen in alternative Stadtteile und beschweren sich dann über den Lärm der dortigen Bars und so weiter. Probleme, die jede deutsche Großstadt haben dürfte. Aber es tut einfach weh, Clubs wie das Underground sterben zu sehen. Kultur ist einfach das höchste Gut, das wir haben, und wenn dieses überall dem großen Geld weichen muss, befinden wir uns leider auf dem vollkommen falschen Weg.
Und was liebt ihr trotz allem an der Stadt?
Köln hat eine so starke Mentalität, das kriegen ein paar Schließungen nicht zerstört. Die ganze Stadt liebt und lebt Kultur, an jeder Ecke sind Clubs, Bars, Programmkinos, Galerien, Theater… nach wie vor macht das einen großen Teil der Faszination an Köln aus. Darüber hinaus mag ich wirklich die Menschen hier sehr. Es herrscht eine viel größere Offenheit, Toleranz und Freundlichkeit als in den meisten anderen Großstädten. Solange du niemandem wehtust, kannst du in Köln machen, was du willst. Keiner fragt dich nach deiner Herkunft, Orientierung oder was auch immer. Leben und leben lassen. Wenn aber zum Beispiel die Nazis hier aufmarschieren, hast du eine ganze Stadt auf den Beinen, die dagegen demonstriert – nicht nur die Punks oder Linken, sondern auch der Opa an der Ecke. All das mag ich sehr an Köln.
Das als In-Viertel bekannte Ehrenfeld wird auf der Platte mit einem Abgesang bedacht. Wie fühlt es sich an, wenn man merkt, dass ein eigentlich mal sub- und multikulturell geprägtes Viertel den Weg der Gentrifizierung geht?
Es fühlt sich beschissen an, als würde man einen Teil seiner eigenen Identität verlieren. Viertel wie Ehrenfeld, mit all ihren kulturellen Begegnungsmöglichkeiten, haben uns erst zu den Menschen gemacht, die wir heute sind, die sich abseits des Mainstreams entwickeln und ihre Nische finden konnten. Wenn ich bedenke, dass dies für eine junge Generation immer schwieriger wird, weil es überall nur noch die gleiche weichgespülte Mainstream-Langeweile gibt, macht mich das tatsächlich ziemlich wütend und traurig. Aber die Kids in Köln sind cool, und wenn es keine Freiräume mehr gibt, werden sie sich wieder neue erkämpfen.
Wer ist Claudia?
Es ist auf jeden Fall niemand, der einen Schäferhund besitzt, sondern Colonia Claudia Ara Agrippinensium, oder kurz gesagt: Die Stadt Köln selbst.
Anfang 2019 wart ihr in Japan auf Tour. Wird es auch mal ein Album mit Tokio-Liedern von euch geben?
Ich habe im Rahmen meines Studiums und kurz danach insgesamt 4 Jahren in Tokio gelebt, schon damals haben mich Dennis und Richard dort besucht, bevor wir überhaupt KMPFSPRT gegründet hatten. Dort wollten wir schon immer mal spielen. So ein Album wird es vermutlich nicht geben, aber wenn man sich unsere letzten Alben genau anhört, gibt es immer mal wieder mehr oder weniger offene Querverweise zu Japan und Tokio – nicht umsonst heißt das letzte Album Gaijin („Ausländer“ auf Japanisch).
Preisfrage: Gibt es wirklich kein Wort, das sagen kann, was ihr fühlt, wenn ihr an Kölle denkt?
Nicht mehr nach acht Kölsch vorm Büdchen, nein.
„KMPFSPRT“ von KMPFSPRT erschien am 17.7.
Nächste Termine: 3.4.21, Trompete, Bochum; 12.6.21, Kray Or Die, Essen
kmpfsprt.de