Frauen, die Maschinen bauen: Neuer Studiengang an der Hochschule Ruhr West

Foto: Stefanie Roenneke
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Seit dem Wintersemester 18/19 bietet die Hochschule Ruhr West (HRW) den Frauenstudiengang Maschinenbau an. Wir sprachen mit der Studiengangsleiterin Prof. Dr. phil. nat. Alexandra Dorschu und der Studentin Nadine Hortscht über die Gründe für eine solche Maßnahme und erste Erfahrungen.

Warum ist der Studiengang entstanden?
Prof. Dorschu: Es war eine Initiative der Hochschule, um eine Maßnahme zu finden, den Frauenanteil im Maschinenbau zu erhöhen. Es ist, wenn man so will, die umgekehrte Idee zur Frauenquote. Wir möchten genügend Ingenieurinnen ausbilden, denn seitens der Industrie gibt es immer mehr den Wunsch nach gemischten Teams und weiblichen Führungskräften. Doch die aktuellen Studienbedingungen führen zu keiner Erhöhung des Frauenanteils im Maschinenbau. Daher hat es eines neuen, radikaleren Ansatzes gebraucht, um mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken.

Woran haben Sie sich in der Entwicklung orientiert?
Prof. Dorschu: Wir haben uns mit den Kolleginnen der sechs existierenden Frauenstudiengänge in Deutschland sehr intensiv ausgetauscht. Ich bin zudem in die USA gereist und habe mir dortige Studiengänge angeschaut, um einen anderen Blick auf das Thema zu bekommen. Denn in den USA werden Frauenstudiengänge als Exzellenzinitiative verstanden. Die Frauen-Colleges sind sehr angesehen und haben viele Absolventinnen, die sehr erfolgreich in Wirtschaft und Politik sind. Es ist ein natürlicher Weg, Frauen erfolgreich zu fördern.

Kritische Stimmen meinen, dass die Frauenkurse zu einer Überbetonung des Geschlechts führen würden und sich Frauen dadurch noch stärker behaupten müssen?
Prof. Dorschu: Frauen im Maschinenbau müssen lernen, sich zu behaupten, das ist ein wesentlicher Bestandteil des Studiengangs. Denn die Realität ist, dass sie als Maschinenbauerinnen vielleicht die einzige Frau im Unternehmen sein werden. Der Behauptungsprozess kommt früher oder später – irgendwann muss er kommen. Die Idee ist, dass wir den Studentinnen anfangs einen geschützten Raum geben, wo sie neben ihrer fachlichen Kompetenz genug Selbstvertrauen und Stärke entwickeln können.

Wir brauchen ein klares, zeitgemäßes Bild vom Maschinenbau.

Warum haben Sie, Frau Hortscht, sich für den Studiengang entschieden?
Nadine Hortscht: Zunächst hatte ich Design- und Modemanagement studieren wollen. Schnell musste ich feststellen, dass das nichts für mich war. Danach habe ich im Ingenieurbüro meines Vaters gejobbt und beschäftigte mich in dem Moment intensiv mit Maschinenbau. Dann habe ich Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Düsseldorf studiert. Jedoch haben mir dort die Studienbedingungen und die Lernatmosphäre nicht gefallen und ich habe mich nicht wohl gefühlt. Durch Recherchen bin ich auf die HRW gestoßen. Vordergründig fand ich die kleinen Gruppen super. Aber ich muss leider sagen, dass in Düsseldorf auch über Frauen gewitzelt wurde und ich mich öfters rechtfertigen musste, warum ich überhaupt da bin. Das gibt es hier nicht. Wir können uns völlig vorurteilsfrei bewegen und werden nicht mit irgendwelchen Klischees konfrontiert. Es gibt hier eine total angenehme Atmosphäre – und so lernt man viel. Ich bin auch der Meinung, dass sich einige Studentinnen nicht so entfalten würden wie sie es hier bei uns tun.

Ist der Studiengang innerhalb der Hochschule angekommen?
Nadine Hortscht: Wir haben den gleichen Modulaufbau, die gleichen Ansprüche, aber dennoch ist es etwas Besonderes und das merken wir durch die Resonanz. Von Seiten der Studierendem, auch aus dem gemischten Maschinenbaustudiengang, haben wir nie etwas Negatives gehört. Sie haben den Studiengang angenommen, sind neugierig und daran interessiert.
Prof. Dorschu: Eine gewisse Neugier ist vorhanden. Viele wollen verstehen, um was es sich handelt. Es ist für die Hochschule auch etwas Neues und alle fragen sich, warum wir das machen. Das ist in Ordnung, denn es ist ein erklärungsbedürftiges Konzept. Wenn wir es erklären, dann setzt häufig ein Verständnis dafür ein.

Gibt es bestimmte Felder, für die das Interesse zurzeit groß ist?
Nadine Hortscht: Bionik ist ganz groß im Vormarsch sowie Bereiche, die Gesellschaft, das soziale Leben oder Gesundheit betreffen. Damit kann der Maschinenbau gut vereinbart werden. Natürlich ist Konstruktion auch immer ein großes Thema.

Womit setzen Sie sich aktuell auseinander?
Nadine Hortscht: Wir arbeiten zurzeit an einem Projekt für eine Behindertenwerkstatt, wo wir vor ein Problem gestellt werden und etwas vereinfachen müssen. So eine Arbeit beruht auf sehr kreativen Ansätzen, weit entfernt von der reinen zahlenbasierten Theorie. Maschinenbau bedeutet also nicht immer, dass von morgens bis abends Tabellen gerechnet werden.

Wünschen Sie sich mehr Vorbilder, die diese Aspekte kommunizieren?
Nadine Hortscht: Das fehlt total. Ein Vorbild ist immer ein erster Anhaltspunkt, ein Fach oder einen Berufszweig kennenzulernen. Gerade für junge Frauen wäre der Zugang zu dem Bereich viel schneller möglich.
Prof. Dorschu: Die Erfahrung ist, dass sich viele junge Mädchen für Maschinenbau interessieren, ohne das es ihnen bewusst ist. Dementsprechend würden Personen oder Figuren enorm helfen, mit denen sie sich identifizieren können. Zudem: Wir brauchen ein klares, zeitgemäßes Bild vom Maschinenbau.

Frauenstudiengang Maschinenbau
Studienbeginn: jeweils zum Wintersemester; die nächste Bewerbungsphase startet am 1.5.2019
Regelstudienzeit: 7 Semester; die ersten 4 Semester verlaufen parallel zum gemischten Maschinenbaustudiengang, im 5. Semester werden die Kurse zusammengeführt.
Abschluss: Bachelor of Science (B. Sc.) Maschinenbau
Ort: Campus Mülheim an der Ruhr
Website: www.frauen-studieren-maschinenbau.de

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