Der perfekte Ruhrlaubstag: In südlichen Gefilden

Foto: Nils Hofmann
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2020 dürfte die Urlaubssaison für viele Menschen anders aussehen als normalerweise üblich. Auch wir aus der coolibri-Redaktion planen um – und machen kurzerhand Urlaub vor der eigenen Haustür. Da kennen wir uns ja ohnehin am besten aus. Hier erfahrt ihr, was unser Redakteur Konrad Bender an seinem Urlaubstag in Hattingen alles erlebt hat.

Es mag häufig untergehen, dass zum Ruhrgebiet mehr gehört als der Bereich zwischen A40 und Ruhr. Denn auch südlich des namensgebenden Flusses finden sich zahlreiche Städte, die ebenso zur Region beigetragen haben und weiter beitragen wie die großen vier: Dortmund, Duisburg, Essen und Bochum. Zu diesen Städten zählt das beschauliche Hattingen. Mit seinen knapp 60.000 Einwohnern ist es keiner der Riesen nördlich der Ruhr, kann aber trotzdem mit einer bewegten Vergangenheit und allerlei Kultur aufwarten. Und nun verbringe ich meinen Ruhrlaubstag dort.

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Eisen und Stahl auf der Henrichshütte

Los geht’s auf der Henrichshütte. Das ehemalige Hüttenwerk ist heute Teil des LWL-Industriemuseums und bringt euch alles zu den Themen „Eisen und Stahl“ näher. Klingt ja schon mal vielversprechend. Bis 2003 wurde hier tatsächlich noch gearbeitet, die sukzessive Stilllegung erfolgte allerdings bereits seit 1987.

Das Museum könnt ihr entweder mithilfe einer Führung oder ganz auf eigene Faust erkunden. Dafür stehen euch vier verschieden Routen zur Auswahl: Der Weg des Eisens, der grüne Weg, der Weg des Stahls und der Weg der Ratte – das ist die Kinderroute, die mit dem Museumsmaskottchen gekennzeichnet ist, einer blauen Ratte. Ich entscheide mich heute für den Weg des Eisens.

Foto: Nils Hofmann

Der erste Stopp ist die Gebläsehalle. Durch die Dachfenster fällt das Licht auf die stillstehenden Maschinen, die als Zeugen vergangener Werke den Raum füllen und ein Gefühl davon vermitteln, welche Kräfte hier walteten. Früher wurde hier die heiße Luft erzeugt, die in den Hochöfen der Anlage für den Verhüttungsprozess benötigt wurde. Exemplarisch steht am Ende der Halle ein gigantisches Gebläse. Außerdem bestaune ich in der Halle ein Walzwerk und einen Schmiedehammer, vor allem aber den extrem stilvollen Kachelboden, der in seiner schwarz-weiß-quadratischen Pracht noch aus dem Originalbetrieb stammt.

Foto: Nils Hofmann

Im Außenbereich erwartet mich das optische Highlight der gesamten Henrichshütte: der verbliebene Hochofen 3. Von Wind und Wetter unbeeindruckt ragt er in die Höhe und ist von jedem Fleck des Geländes gut zu sehen. Vor allem bei gutem Wetter ist das Außengelände ein Knaller. Hier findet ihr mehrere auf der Seite liegende Gusspfannen – in denen früher das flüssige Roheisen aus dem Abstich des Hochofens aufgefangen wurde – mit darin installierten Sitzgelegenheiten. An besonders sonnigen Tagen spenden die Pfannen so gleichzeitig noch Schatten.

Foto: Nils Hofmann

Ob nun aber bei Sonne oder bei Regen, nach dem Wissenshunger will auch der tatsächliche Hunger gestillt werden. Praktisch, dass im Museum selbst ein ganz hervorragendes Restaurant beherbergt ist: das Restaurant Henrich. Wer die für manche Museen übliche Kaffee-und-Kuchen-Küche erwartet, dürfte sich verwundert die Augen reiben. Denn die Karte wartet mit Köstlichkeiten wie gebratener Entenbrust mit Süßkartoffelgratin, Keniaböhnchen und Frischkäse oder „Patatas Bravas“ mit Gemüsesalsa, veganer (!) Aioli und gebratenem grünen Spargel auf. Für den kleinen Hunger stehen unter anderem die Currywurst Tandoori oder ein gemischter Salat bereit. Wofür man sich auch entscheidet, lecker ist es allemal!

Foto: Nils Hofmann

Fachwerk über Fachwerk in der Altstadt

Jetzt aber genug mit der Industriekultur. Ich unternehme einen kleinen Verdauungsspaziergang, der mich in gut 15 Minuten in die Hattinger Altstadt führt. Und was für ein Anblick das ist! In den 60ern haben sich die Hattinger nämlich gegen eine Flächensanierung und für eine Objektsanierung ausgesprochen, sodass heute noch an die 150 historische Fachwerkhäuser erhalten sind.

Foto: Nils Hofmann

Eines dieser Häuser trägt aufgrund seiner charakteristischen Form den treffenden Namen „Bügeleisenhaus“ und eignet sich ganz hervorragend als Hintergrund für das nächste Facebook-/Insta-/Tinder-Profilbild. Ebenfalls sehenswert ist die Kirche St. Georg mitsamt des umliegenden Markts. Die Turmspitze der Kirche neigt sich auffällig nach vorne und unter den Hattingern wird gemunkelt, dass seinerzeit der Zimmermann wohl nicht angemessen bezahlt wurde. Statisch hat hier aber trotzdem alles Hand und Fuß.

Foto: Nils Hofmann

Der Altstadt-Bummel kann jedenfalls gut und gerne ein bis zwei Stunden in Anspruch nehmen, je nachdem, in wie viele der kleinen Lädchen man einen Abstecher macht. Außerdem findet ihr in der Fachwerk-Idylle zahlreiche Cafés, in denen ihr euch mit Kuchen und einem koffeinhaltigen Heißgetränk stärken könnt. So halte ich es zumindest, denn mir steht als Nächstes der Aufstieg auf den Isenberg bevor.

Beste Aussichten auf dem Isenberg

Beziehungsweise erst mal der Weg dorthin. Denn der Isenberg mit der gleichnamigen Burgruine befindet sich knapp drei Kilometer außerhalb des Stadtkerns. Bei gutem Wetter empfiehlt sich der Weg entlang des Leinpfads, der am südlichen Ufer der Ruhr entlang führt. Auf diese Weise kommt die Ruine auf dem Berg nach und nach in Sicht und man hat auch noch etwas vom Fluss.

Wenn ihr keine Lust auf diesen ausgedehnten Spaziergang habt, oder wie bei mir das Wetter nicht so ganz mitspielt, fährt aber auch ein Bus von Hattingen Mitte bis direkt an den Fuß des Berges. Von hier geht es dann  per pedes auf die Spitze. Der Aufstieg dauert, je nach Geschwindigkeit, zwischen 15 und 25 Minuten und führt zwischendurch auch mal über einen ausgelatschten Trampelfpad. Festes Schuhwerk ist also keine schlechte Idee.

Foto: Nils Hofmann

Oben angekommen läuft man zunächst an der alten Burgmauer entlang und auf eine fantastische Aussicht auf die Ruhrschleife zu. Die Isenburg wurde Ende des 12. Jahrhunderts errichtet. Nachdem der Burgherr, Graf Friedrich von Isenberg, 1225 den Kölner Erzbischof ermorden ließ, wurde die Burg jedoch auf Befehl des Kaisers belagert und anschließend bis auf die Grundmauern geschleift, sodass heute nur Ruinen übrig sind. Ein Teil der alten Gemäuer wurde übrigens zwischen 1969 und 1989 von örtlichen Schülern ausgegraben.

Foto: Nils Hofmann

Auch heute noch ist die Anlage ziemlich beeindruckend und dank der Beschriftungen der verschiedenen Fundamente erhalte ich einen Eindruck davon, welches Gebäude welchen Zweck erfüllte und wie sich hier vor gut 800 Jahren das Leben abgespielt hat. Inmitten des Geländes erhebt sich allerdings das neuzeitliche Haus Custodis. 1858 errichtet, befindet sich in dem imposanten Gemäuer heute ein Burgmuseum, das zurzeit jedoch aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen ist. Doch auch für die Natur, die beeindruckenden Bauwerke und den Ausblick hat sich der Aufstieg schon gelohnt.

Foto: Nils Hofmann

Beladen mit vielen Eindrücken, neuem Wissen über das südliche Ruhrgebiet und einigen wohlverdienten Kalorien mache ich mich an den Abstieg. Mein Fazit: Hattingen haben sicher nicht alle Menschen in NRW auf der Landkarte. Dabei hat die Stadt kulturell viel zu bieten und überrascht mit historischen Eindrücken an vielen Ecken – ob nun aus dem Mittelalter, der Frühneuzeit oder der Industrialisierung. Wenn ihr also schon länger auf der Suche nach eurem nächsten Ausflugsziel seid, warum dann nicht einfach mal nach Hattingen?

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