Das Glück der Erde: Reiten lernen für Erwachsene

Freiheit und Naturerlebnis auf dem Pferderücken. Foto: Adobe Stock
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Raus aus dem Alltag, rein in den Sattel! Wenn ihr eine Auszeit vom Alltag sucht und euch Pferde faszinieren, probiert es einfach mal aus und kommt den Vierbeinern näher. Reiten lernen als Erwachsene:r? Können das nicht nur Kinder oder Jugendliche? Falsch! Reiten kennt kein Alter. Ob harmonische Lektionen in der Dressur, dynamische Kraftentfaltung beim Springreiten oder die lässige Gelassenheit im Westernreiten – für jeden Geschmack und jedes Erfahrungsniveau gibt es Möglichkeiten. Nicht zuletzt ist der Umgang mit dem Partner Pferd eine Bereicherung. Wie findet man als Erwachene:r einen Weg in die Welt des Reitsports? Wir beleuchten unterschiedliche Reitstile und geben Einblicke, worauf es bei der Auswahl der richtigen Reitschule ankommt.

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Besonderes Wesen Pferd

Pferde sind groß, sensibel, meist den Menschen zugewandt und vermitteln eine Ruhe, die abfärbt. Zugleich fordern sie die volle Konzentration ihres Menschen. Der Umgang mit Pferden kann perfekt sein, um Stress abzubauen. Nachweislich kann die Nähe der sensiblen Vierbeiner den Blutdruck und Herzschlag normalisieren. Hinzu kommen noch das Naturerlebnis und sanftes Muskeltraining für den gesamten Körper, denn Reiten ist ein Kraftausdauer-Sport, der nahezu alle Muskelgruppen anspricht, da die Körperspannung beim Reiten über einen längeren Zeitraum gehalten werden muss. Menschen mit physischen oder psychischen Beeinträchtigungen erleben beim Umgang mit und Reiten auf Pferden besondere Momente und Linderung ihrer Beschwerden.

Eine Studie des Marktforschungsunternehmens Ipsos im Auftrag der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e. V. (FN, Bundesverband für Pferdesport und Pferdezucht) aus dem Jahr 2022 bringt erstaunliche Zahlen zum Vorschein: 11,2 Millionen Befragte über 14 Jahren gaben an, „Interesse an Pferd und Pferdesport zu haben“. 700.000 Menschen interessierten sich laut Umfrage dafür, reiten zu lernen beziehungsweise wieder einzusteigen.

Den (Kindheits-)Traum wahr machen: Reiten lernen für Erwachsene

Viele Tierfreund:innen erfüllen sich mit dem Hobby einen Traum. Wen das Pferdevirus einmal infiziert hat, den lässt es oft das ganze Leben nicht mehr los.

Wer als Kind und Jugendliche:r nicht an und auf das Pferd kam, vergisst im Alltag und mit dem Erwachsenwerden oft diesen Traum. Ausbildung, Job, Familie – im Fokus stehen vielleicht andere Dinge, Pferdesport ist zeitaufwendig und durchaus kostenintensiv. Doch es ist nie zu spät, das Reiten und den Umgang mit Pferden zu erlernen. Auch, wenn die Bewegungen in jungen Jahren intuitiv leichter erspürt werden und im Erwachsenenalter oft erst einmal Skepsis und sogar Ängste besiegt werden müssen: Die Faszination bleibt die Gleiche.

Mit dem Partner Pferd die Freizeit genießen möchten viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Foto: Adobe Stock

Voraussetzungen

Reiten ist Kraftausdauer-Sport! Das kann jede:r bestätigen, der schon einmal einige Minuten auf einem Pferd saß. Reiten erfordert eine gute Koordination, Körpergefühl, Beweglichkeit und Balance.

Daher ist eine grundsätzliche sportliche Konstitution von Vorteil, wenn ihr reiten lernen wollt. Wer bereits Ausdauersport wie etwa Laufen, Schwimmen oder Radfahren macht, hat auf jeden Fall eine gute Basis. Ansonsten kann einfache Gymnastik und regelmäßiges Dehnen sinnvoll sein.

Wenn ihr eher ängstlich seid, ist es vielleicht sinnvoll, erst einmal vom Boden aus mit dem unbekannten Wesen Kontakt aufzunehmen, denn die allermeisten Pferde verkrampfen, wenn sie die Unsicherheit der Reiter:innen spüren. Viele Vereine und Reitschulen bieten mittlerweile auch Lehrgänge für den Umgang mit dem Pferd an. Neben Reiten gibt es noch so vieles mehr, um sich mit Pferden zu beschäftigen. Hier ist Bodenarbeit oder Freiarbeit das Stichwort.

Möchtet ihr auch wie dieser Reiter entpannt ausreiten? Foto: Patou Ricard auf Pixabay

Die richtige Reitschule finden

Der erste Schritt ins Reiterleben ist die Suche nach einer geeigneten Reitschule. Viele Portale bieten eine Suche an, in der ihr nach persönlichen Vorlieben und nach Ort filtern könnt, zum Beispiel über reiten.de. Da viele Reitschulen Ponys für Reitanfänger:innen haben, achtet nach Möglichkeit darauf, dass explizit auch Unterricht für erwachsene Anfänger:innen angeboten wird.

Eine erste Orientierung über die Qualität der Reitschulen können die Label sein. Für das in unseren Breiten „normale“ englische Reiten vergibt die Deutsche Reiterliche Vereinigung das „FN“-Label. Eine „FN-Reitschule“ wird von der FN regelmäßig kontrolliert, sodass bestimmte Richtlinien im Unterricht und der Pferdehaltung eingehalten werden müssen.

Schaut euch die Reitschulen persönlich an und verschafft euch einen Eindruck, wie die Tiere gehalten werden. Ein penibel sauberer Hof ist zwar schön, aber kein Garant für gute Haltung der Pferde. Vielleicht habt ihr Freund:innen oder Bekannte, die euch bei der Beurteilung unterstützen können. Ansonsten verlasst euch auf euer Bauchgefühl und den gesunden Menschenverstand:

  • Wirken die Pferde zufrieden und sind sie grundsätzlich interessiert an euch?
  • In einem guten Reitstall werden Pferde so artgerecht wie möglich gehalten. Das bedeutet, dass sie entweder im Offenstall, im Laufstall oder in geräumigen (Außen-)Boxen untergebracht sind. Sofern sie nicht im Offenstall leben, ist es wichtig, dass die Schulpferde mindestens zwei Stunden am Tag in einer Gruppe draußen verbringen können, unabhängig vom Wetter. Pferde sind Lauftiere und benötigen soziale Kontakte genauso wie Menschen. Außerdem müssen sie rund um die Uhr Zugang zu Heu oder Stroh haben, da ihr Organismus auf regelmäßige kleine Mahlzeiten ausgelegt ist.

Wenn eine Reitschule diese Grundbedürfnisse nicht erfüllt, kann dies zu Dauerstress bei den Schulpferden führen. Das ist auch für die Tiere ungesund. Ein unzufriedenes und gestresstes Pferd kann zudem auch kein zuverlässiger Freizeitpartner sein.

  • Wie oft werden die Schulpferde pro Tag in den Reitstunden geritten? Mehr als zweimal am Tag?
  • Gibt es einen Ruhetag für die Pferde?
  • Hat jedes Schulpferd seinen eigenen Sattel?

Schaut euch auch den Reitunterricht an. Viele Reitschulen geben online einen Überblick über ihre Stunden. Am besten wäre natürlich eine Anfänger:innen-Reitstunde mit Erwachsenen.

  • Wie viele Reitschüler:innen reiten in einer Stunde? (es sollten maximal 5-6 Reiter:innen sein)
  • Ist die Atmosphäre ruhig und entspannt?
  • Werden Kopf und Hals der Pferde mit Hilfsmitteln unten gehalten? Wirken die Pferde lebendig oder wie Roboter?
  • Gibt es Theorieunterricht, Sitzschulung, Bodenarbeit?

Für den Spaß in der Gruppe kann es helfen, wenn es in der Reitschule bereits erwachsene Einsteiger:innen gibt und vielleicht sogar extra Reitstunden für diese.

Sicherheit geht vor: Die Ausrüstung

Für die erste Zeit müsst ihr nicht in kompletter Reitmontur auflaufen. Eine eng anliegende Hose und Schuhe mit wenig Profil und einem kleinen Absatz reichen völlig. Der Absatz ist wichtig, damit ihr nicht durch den Steigbügel rutschen könnt. Mit grobem Profil könntet ihr im Zweifelsfall hängen bleiben. Am besten eignen sich Stiefeletten.

Unumgänglich, schon aus Versicherungsgründen, ist ein Reithelm. Viele Reitschulen haben Helme, die ihr nutzen könnt. Ein Fahrradhelm ist übrigens nicht geeignet, da er für die Belastungen eines Sturzes vom Pferd nicht konstruiert wurde. Aber auch dieser ist, wenn es gar keine andere Möglichkeit gibt, besser als gar kein Helm – zumindest für die ersten Reitversuche.

Western- oder Englischreiten? Wer anfangen möchte, hat die Wahl zwischen unterschiedlichen Reitweisen. Foto: Adobe Stock

Die Qual der Wahl: Verschiedene Reitweisen

Anders als früher, wo ganz selbstverständlich die „traditionelle“ englische Reiterei im Mittelpunkt stand – also Dressur, Springen und Vielseitigkeit, wie ihr es vielleicht auch aus den Sportübertragungen kennt – gibt es inzwischen eine Vielzahl an alternativen Reitformen. Wir führen hier nur die bekanntesten Spielarten auf, eine vollständige Liste ist nahezu unmöglich. Auch innerhalb der einzelnen Varianten gibt es wiederum unterschiedliche Sparten. Allen gemeinsam ist (oder sollte sein) die Freude am Umgang mit dem Pferd und der Fokus auf das Wohl des Tieres.

Klassisch-Traditionell: Englische Reitweise

Englisches Reiten ist das, was vermutlich die meisten für „das Reiten“ halten. In den letzten Jahrzehnten hat zwar beispielsweise Westernreiten durchaus seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden. Aber das Bild von weiß behosten Reiter:innen mit Frack und Zylinder oder rotem Jackett, die mit ihren Pferden durch ein Sandviereck tanzen oder imposante Hindernisse im Parcours oder im Gelände überwinden, dürfte das traditionelle Bild sein, dass beim Gedanken an Pferdesport im Kopf ist. Ganz simpel zusammengefasst: Das Pferd wird mit Gewicht und Schenkeldruck (durch die Wade) und mit ständigem sanften Zügelkontakt geritten. In der Dressur gibt es Übungen, sogenannte Lektionen, die der Gymnastizierung dienen und auf den natürlichen Bewegungen des Pferdes beruhen.

Springreiten ist rasant und dynamisch. Foto: pixelia auf Pixabay
Gute Dressur sieht harmonisch und leicht aus. Foto: Adobe Stock
Geländeritte machen einfach Spaß. Foto: Adobe Stock

Leider gibt es immer wieder Fernsehbilder und Meldungen, die nicht gerade Werbung für den Sport sind. Wie immer, wenn es um das große Geld geht, liegt vieles im Argen – das ist auch in den anderen Reitweisen so, sobald diese eine gewisse Popularität erlangen und Geld verdient werden kann. Aber im Profi- und Breitensport gibt es genauso viele Liebhaber:innen, denen es vor allem anderen um das Wohl des Pferdes geht.

Für das englische Reiten dürfte es die meisten Reitschulen und -vereine geben. Über die Website der Deutschen Reiterlichen Vereinigung findet ihr Informationen und Adressen.

Born to be cowboy:girl: Das Westernreiten

Lagerfeuerromantik, Lässigkeit und der Staub der großen weiten Welt: Westernreiten ist der Arbeitsweise der Cowboys entlehnt. Die amerikanischen Rinderhirten verbringen ganze Tage im Sattel, da liegt es auf der Hand, dass der Sattel bequem sein muss und die Reitweise möglichst kräfteschonend. Da außerdem die Reiter:innen reiten nicht als Selbstzweck betreiben, sondern die Rinderherden zusammenhalten müssen, müssen kleinste Signale (Impulse) reichen, um mit dem Pferd zu kommunizieren. Die einzelnen Übungen – im Westernreiten „Manöver“ genannt – wie der „Sliding Stop“, bei dem die Pferde auch aus vollem Galopp punktgenau stoppen oder der „Spin“, schnelle, enge Wendungen um die Hinterhand, sind im Arbeitsalltag notwendig.

Reiten wie amerikanische Cowboys. Foto: SorcerySoap HocusPocus auf Pixabay

Westernreiter:innen reiten mit lockerem Zügel und kurzen impulsartigen Signalen. Der Reiter macht so lange nichts, bis entweder das Pferd etwas ändert oder der Mensch auf dem Pferd etwas ändern will. Es gibt weniger eindeutige Richtlinien als in der englischen Reitweise, was die einzelnen Hilfen betrifft.

Offizieller Verband ist die Erste Westernreiter Union Deutschland e.V.. Auch in NRW gibt es einen Landesverband. Hier findet ihr weitere Informationen.

Harmonie zwischen Mensch und Pferd

In den letzten Jahren immer populärer, vielleicht auch durch die unschönen Bilder der etablierten Profi-Reiter:innen: Die Akademische Reitkunst und die spanische Reitweise. Oft liest man auch von der „barocken Reitweise“.

Die Grundlagen der Akademischen Reitkunst sind fest in den Lehren alter Reitmeister verankert. Diese Meister prägten die Reitkunst mit ihrem tiefen Verständnis für die Biomechanik des Pferdes und ihre Fähigkeit, die feine Balance zwischen Führung und Partnerschaft zu finden.

Bent Branderup, der als Begründer der modernen Akademischen Reitkunst gilt, führte neue theoretische Erkenntnisse ein, die auf den Erkenntnissen der Biomechanik und des Pferdeverhaltens basieren. Im Zentrum der Akademischen Reitkunst steht die Harmonie zwischen Mensch und Pferd. Die Akademische Reitkunst ist mehr als nur eine Technik – sie ist eine Lebensphilosophie, die auf Respekt, Verständnis und Zusammenarbeit basiert.

Auf der Website von Bent Branderup (VK – Akademische Reitkunst – Bent Branderup) gibt es einen Eindruck der Akademischen Reitweise. Auch Anja Beran arbeitet in ihrem Internationalen Asaubildungszentrum für klassische Reitkunst mit dieser Philosophie. Um Trainer:innen zu finden, sind Reitschulen hier nicht der richtige Weg. Stattdessen hilft die Suche über eine Suchmaschine.

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