Getrieben von einer inneren Unruhe, impulsivem Verhalten, Entscheidungsschwierigkeiten: Wenn Erwachsene von einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) betroffen sind, erschweren nicht nur diese Symptome ihren Alltag beachtlich. Auch die weitverbreitete Auffassung, bei einer ADHS handele es sich ausschließlich um eine „Kinderkrankheit”, erhöht den Leidensdruck vieler Betroffener.
Was ist ADHS?
Bei der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung handelt es sich um eine der häufigsten psychischen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen, die allerdings nicht selten bis ins Erwachsenenalter bestehen bleibt. Dabei treten in erster Linie drei charakteristische Hauptsymptome auf, nämlich Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität. Diese müssen sich jedoch nicht zwangsläufig gleichzeitig bemerkbar machen; auch können sich die einzelnen Symptome unterschiedlich stark äußern. Ob bei unruhigen oder unaufmerksamen Kindern tatsächlich eine ADHS vorliegt, können erfahrene Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen diagnostizieren – etwaige Auffälligkeiten müssen dabei über einen längeren Zeitraum (mindestens ein halbes Jahr) und auch in den unterschiedlichen Lebensbereichen des Kindes auftreten (Schule, Familie, Freizeit).
ADHS-Infoportal, Informationen zum Thema Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
Wie äußert sich die Erkrankung bei Erwachsenen?
Dass die ADHS im Volksmund auch als „Zappelphilipp-Syndrom” bekannt ist, unterstreicht die langjährige Annahme, es handele sich dabei um eine Kinderkrankheit. Heute weiß die Medizin jedoch mehr: Ein großer Teil der betroffenen Kinder und Jugendlichen leidet auch im Erwachsenenalter unter den typischen Symptomen – während die meist stark ausgeprägte Hyperaktivität im Jugendalter zurücktritt, bleibt eine verminderte Aufmerksamkeit bei nahezu allen ADHS-Patient:innen im Erwachsenenalter bestehen. Betroffene berichten von einer inneren Unruhe, sie fühlen sich getrieben. Auch wenn das impulsive Verhalten aus der Kindheit in manchen Fällen nachlässt, fällt es erwachsenen ADHSler:innen nicht selten schwer, spontane Entscheidungen zu treffen, diese genauer zu bedenken oder gewisse Dinge abzuwarten. Eigenschaften wie diese beeinflussen natürlich auch das Berufs- und Privatleben der Betroffenen: Gesteckte Ziele werden nicht oder nur schwer erreicht; verpasste Termine und das ständige Abschweifen der Gedanken können sich im Kreise der Kolleg:innen negativ auswirken.
Welche Behandlung ist möglich?
Für die Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung stehen heute effektive Maßnahmen zur Verfügung. Eine Therapie kann sich dabei aus verschiedenen medikamentösen und nicht-medikamentösen Bausteinen zusammensetzen. Hierbei spielt immer auch der jeweilige Leidensdruck eine wichtige Rolle – allgemeines Ziel der ADHS-Behandlung bei Erwachsenen ist es, ein besseres Selbstmanagement sowie das erfolgreiche Bestreiten des Alltags zu erreichen. Erster Anlaufpunkt kann hier der Besuch einer Selbsthilfegruppe sein, um zu erfahren, wie andere Betroffene mit ihren Problemen umgehen und welche Strategien sie für ihr Leben entwickelt haben. Eine Therapie können diese Selbsthilfegruppen jedoch nicht ersetzen: Je stärker die Erkrankung den Alltag beeinflusst, desto ratsamer ist es, ärztliche und/oder therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Neben einer Verhaltenstherapie und der psychoanalytischen Unterstützung gilt auch die medikamentöse Therapie von ADHS als erfolgsversprechend. Sogenannte Psychostimulanzien haben sich dabei in Studien als wirkungsvoll bewährt.
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Buch: Kirmes Im Kopf
Diese Zahl unterstreicht die Dringlichkeit der Problematik: Rund 2,5 Millionen Erwachsene sind nach Schätzungen in Deutschland von einer ADHS betroffen. So auch die 1991 geborene Journalistin Angelina Boerger (funk, WDR), die mit Ende zwanzig eine entsprechende Diagnose erhielt. Für Boerger war dies der Startschuss, um in Sachen ADHS im Erwachsenenalter, mentale Gesundheit und Neurodiversität Aufklärungsarbeit zu leisten. Mit „Kirmes im Kopf” hat sie nun ein Buch vorgelegt, das gängige Vorurteile gegenüber betroffenen Menschen widerlegt und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse liefert. Denn auch Angelina Boerger hat sich lange Zeit gefragt: „Bin ich einfach chaotisch und kann nicht gut mit Stress umgehen, oder steckt vielleicht mehr dahinter?” Heute weiß sie, woher diese Kirmes in ihrem Kopf rührt – und so berichtet sie in ihrem Erstling etwa von Lernkrisen während des Studiums oder Busfahrten ans falsche Ende der Stadt. Dies tut Boerger stets mit viel Witz und Selbstironie. Ihr Fazit: „Das Gehirn von Menschen mit ADHS tickt etwas anders – aber wer sagt eigentlich, dass das etwas Schlechtes ist?”
Angelina Boerger: Kirmes im Kopf. Wie ich als Erwachsene herausfand, dass ich AD(H)S habe, Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten, 18,00 €
Podcast: ADHS Geflüster
Inwiefern kann ADHS Beziehungen beeinflussen? Fördert eine gesunde Ernährung die Konzentration? Und wie funktioniert eigentlich das ADHS-Gehirn? Der Podcast „ADHS Geflüster” gibt Antworten auf diese und weitere Fragen: Host Anja vermittelt ihren Hörer:innen ein Gefühl dafür, was es konkret bedeutet, als Erwachsene betroffen zu sein. Sie betont: „Ich möchte informieren und aufklären und dabei nicht klischeeorientiert vorgehen.” Die verschiedenen Folgen drehen sich um die Symptome und Diagnose von ADHS sowie Tipps im Umgang mit dem Leiden. Dabei greift die Moderatorin immer auch Situationen aus dem eigenen Leben heraus und berichtet authentisch davon, wie es in ihr aussieht, und womit sie sich aktuell schwertut.
ADHS Geflüster – ADHS bei Erwachsenen, u.a. bei Apple Podcasts und Spotify
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