Im Battlerap hat Joshy Meyer (32) alias Lyrico längst große Spuren hinterlassen. Nun hat der Dortmunder sein Album „Reservoir Dogs“ auf die Strecke gebracht – und dafür ein Mammut-Projekt gestartet und 22 weitere Battlerapper mit an Bord geholt. André Kaminski hat sich kurz vor Release mit ihm in Dortmund-Aplerbeck getroffen.
Nach deinem Sohn erblickt nun auch dein künstlerisches Baby das Licht der Welt. Wie stolz bist du und wie stressig war die letzte Zeit?
Ja, stimmt. Das ist das zweitwichtigste Release dieses Jahr auf jeden Fall (lacht). Die letzte Zeit war aber wirklich ganz schön stressig, weil wir uns selbst auch eine Deadline auferlegt haben. Weil ich einfach schon seit rund zwei Jahren an dem Ding arbeite und ich wollte das jetzt unbedingt in Stein meißeln und zum Ende bringen. Deshalb haben wir uns einen festen Release-Termin gesetzt.
Aber wie die Dinge halt so laufen: Es kommt immer was dazwischen, das alles erschwert. Das Mastern hat lange gedauert, ich musste lange auf Grafiken warten. In den letzten drei Wochen haben wir dann alles finalisiert. Und das war wirklich stressig.
Aber: Ich bin auch verdammt glücklich und stolz. Ich bin froh, wenn das Album endlich rauskommt, da fällt eine Menge Stress von mir ab.
Wie hast du damals eigentlich den Weg in den HipHop gefunden?
Ich hab wirklich schon ganz früh angefangen. Das war so eine typische Geschichte. Mein Bruder hat schon früh Rap-Musik gehört und ich wollte halt auch cool sein und habe dann immer mit den Älteren rumgehangen – die haben mir dann auch sehr früh HipHop eingebläut. Da war ich 13 oder so.
Musikalische Vorbilder waren besonders amerikanische Rapper – auch wenn ich nicht unbedingt so viel verstanden habe. Da ging es mehr um die Attitude und die Musik. Jemand wie Nas zum Beispiel.
Wenn es um deutsche Künstler geht, war die Berliner Rap-Szene mein erster Zugang, meine ersten Vorbilder. Kool Savas zum Beispiel. Mein erstes gekauftes Album war dann glaub ich aber das „Deluxe Soundsystem“ von Dynamite Deluxe.
Wie definierst du für dich eigentlich HipHop? Was zeichnet es für dich aus?
Für mich war ein großes Thema immer die Zugehörigkeit. Und das Rebell- und Anti-Sein. Nicht immer das geil finden, was die große Masse geil findet. Das hat sich über die Jahre jetzt natürlich verändert. HipHop erreicht heutzutage ja viel mehr Leute als früher, ist die größte Jugendkultur der Welt und einfach viel mainstreamiger geworden. Was ja aber auch nicht schlimm ist.
Für mich hat es aber immer was anderes bedeutet. Zum Beispiel Wände beschmieren und auch einfach das zu sagen, was nicht jeder sagt. Das war zumindest früher voll mein Ding und das habe ich mir auch immer beibehalten. Ich glaube, das steckt immer noch in mir drin.
Ansonsten ist HipHop für mich Zusammengehörigkeit und Kumpelhaftigkeit. Wir saßen immer mit Freunden zusammen früher und haben Musik gemacht. HipHop hat da schon unser Leben bestimmt und wir haben alles andere drumherum gestrickt.
Du hast Grafikdesign studiert und arbeitest in dem Bereich. Du hast Graffitis gesprüht und bist Rapper. Welche Rolle spielt Kreativität in deinem Leben?
Kreativität ist alles. Nur wenn ich merke, dass ich irgendwas geschafft habe, kann ich auch gut schlafen abends. Das war auch schon ganz früh so. Beim Zeichnen, beim Rappen.
Ich bin keiner, der Zeit verschwenden möchte. Ich möchte Dinge machen, die nachher etwas hinterlassen. Ich versuche jeden Tag etwas zu machen, so dass sich der Tag gelohnt hat.
Einen Namen hast du dir bisher vor allem im Battlerap auf der Plattform „Don´t Let The Label Label You“ gemacht. Wirklich Geld lässt sich damit ja nicht verdienen… Was reizt dich an Written Acapella Battles?
Also die Gagen sind zwar schon gestiegen in den letzten Jahren. Für die Arbeit, die man aber in ein Battle steckt, ist es am Ende des Tages immer noch lachhaft wenig eigentlich. Auf ein großes Battle bereitet man sich zum Teil rund sechs Wochen vor.
Was mich daran reizt? Vor allem die Competition mit dem Gegner. Und, dass Battlerap dich zwingt, kreativ zu sein, weil man es nicht verkacken möchte. Das ist zwar manchmal stressig und schwierig – im Endeffekt ist man aber froh, es durchgezogen zu haben. Und ich mag es auch einfach, im Rampenlicht zu stehen (lacht).
Was macht deine Musik besonders und wo liegen die Unterschiede zur heutigen Deutschrap-Szene?
Das muss man so ein bisschen einordnen. Ich habe in den letzten fünf Jahren fast ausschließlich Battlerap und in der Zeit so gut wie gar keine Musik gemacht. Davor war es mehr der Zusammenhalts-Gedanke – da haben wir auch immer jeden Blödsinn gerappt (lacht). Das war einfach viel auf Ami-Beats und sowas. Das war nicht so wirklich definiert.
Wenn ich Sachen selber produziert habe, ging es dabei viel um mich, meine Gefühlswelt und das, was mich halt in meinem Leben beschäftigt. Nach meiner Battlerap-Phase bin ich nun ein bisschen erwachsener geworden und habe auch andere Dinge zu erzählen. Mehr Dinge zu erzählen.
Und es ist einfach professioneller geworden – alles ist ausproduziert. Die Beats, das Mixing, das Mastering, das ist alles besser geworden und es steckt viel mehr Arbeit drin. Das ist auf jeden Fall der Unterschied zu früher.
Was mich unterscheidet zum modernen Sound? Naja, es ist nicht mehr so straight Boom bap wie früher, aber auch nicht sehr nah an dem, was heute der gängige, weitverbreitete Stil des angesagten Zeugs ist. Ein eigener Sound, irgendwo dazwischen.
Worauf legst du in deiner Musik am meisten Wert?
Flow war mir immer wichtig. Das habe ich aber auch immer so geschehen lassen, beim Schreiben passiert das eher nebensächlich, da denke ich gar nicht so viel drüber nach.
Worauf ich bewusst achte und was mir noch wichtiger ist, ist Reimqualität, Technik, aber auch die Quintessenz des Songs zu treffen. Dass es einfach immer gut gereimt und strukturiert ist, dennoch nichts von dem einbüßt, was es aussagen soll. Und dazu noch einen guten Refrain zu finden, der den Song erst rund und geil macht.
Nun zu deinem Album: Der Titel „Reservoir Dogs“ erinnert an Tarantino…
Parallelen zum Film sind eigentlich kaum da. Ganz früh in der Produktionsphase habe ich einen Feature-Song gemacht und da mal gesagt „Ich komm mit meinen Reservoir Dogs“. Das war dann erstmal ein Arbeitstitel für das Album, das hat sich aber immer weiter durchgezogen, bis wir irgendwann meinten „Komm, jetzt ist es auch „Reservoir Dogs“, jetzt ziehen wir das durch.“
Im Endeffekt bedeutet es aber nur, dass ich die Hunde aus meinem Umkreis zusammengetrommelt habe. Die Jungs aus einem Gebiet, in diesem Fall aus dem Battlerap. Das ist das Konzept meines Albums. Es sind auch ausschließlich Battlerapper drauf.
Insgesamt 23. Wie persönlich kann ein Album dann noch sein, wenn es zur Hälfte aus Feature-Parts besteht?
Es sind schon einige sehr persönliche Songs entstanden. Man muss sich natürlich immer ein bisschen darauf einlassen, was der Gegenpart macht. Und das dann halt zu einem guten Song machen. Aber wenn die Jungs sich erstmal drauf eingelassen haben, haben wir auch sehr Persönliches vom Stapel gelassen.
Jeder Song ist dabei organisch entstanden. Ich habe mir vorher nie gedacht: „Das Thema passt jetzt super zu dem bestimmten Rapper.“ Im Endeffekt hat alles mit einem Beat gestartet, den ich einem Rapper geschickt habe. Dann hat entweder er vorgelegt – oder ich.
Mit vielen habe ich auch direkt im Studio geschrieben und dann ist alles – auch das Thema – Hand in Hand entstanden. Das war ganz unterschiedlich. Das Besondere an dem Album ist auch, dass es in vielen verschiedenen Studios entstanden ist.
Worauf können sich die Hörer deines Albums thematisch einstellen?
Es ist schon ein sehr spezielles Album, was die letzten fünf Jahre zusammenfasst. Zum Teil sind mit den Battlerappern auch sehr ernste Songs entstanden. Es geht um Kritik, ums Älterwerden, es geht um Geld, um Menschen, die über einen reden. Es geht um miese Phasen im Leben, es geht um gute Phasen im Leben.
Eine Zeile aus deinem Intro lautet: „Die Zeiten änderten die großen Ziele“…
Mein Leben hat sich einfach verändert. Vor einigen Jahren stand ich noch auf der Bühne und habe alles dafür getan, mein Gegenüber wegzubattlen. Das hab ich lange durchgezogen und dort einige Ziele erreicht – beispielsweise das Erreichen eines Titelmatches. Das waren damals meine Ziele. Jetzt gibt es andere Dinge. Ich will erstmal ein guter Vater sein. Das ist das Wichtigste.
Das Intro war auch die erste Videoauskopplung des Albums. Darin projizierst du dich selbst auf das Dortmunder U. Wie verbunden fühlst du dich mit der Stadt und dem Ruhrgebiet?
Also ich bin jetzt gar nicht so allergrößte Lokalpatriot – aber ich liebe den Ort, an dem ich großgeworden bin. Und ich liebe jede Ecke von Dortmund, weil ich es einfach wie meine Westentasche kenne. Und weil ich damit einfach viele Erinnerungen verbinde, eigentlich mit dem ganzen Ruhrpott.
Den Leuten hier merkt man schon an, woher sie kommen. Sie besitzen eine bestimmte Art und Weise. Ehrlich, direkt, aber auch manchmal gar nicht so einfach. Das mag ich eigentlich.
Welchen Stellenwert hat das Ruhrgebiet auf der heutigen HipHop-Landkarte?
Das Ruhrgebiet war natürlich, zumindest früher, immer ein Big Player. Und das über Jahre. Auch immer mit einem eigenen Sound. Dinge wie Lokalpatriotismus sind heute aber glaube ich gar nicht mehr so wichtig.
Es wird nicht mehr so publik gemacht, woher man kommt. Das ist alles nicht mehr rauszuhören. Den Leuten ist die Musik an sich wichtiger, nicht mehr die Identifikation und Zugehörigkeit zu einer Region.
Besonders im Rap steht meist nur der Rapper im Fokus. Wer hat noch so am Album mitgewirkt?
Das Album ist natürlich sehr auf die Battlerapper ausgelegt. Ich habe aber auch noch viele andere meiner „Reservoir Dogs“ mit drauf. Zum Beispiel einen Haufen DJ´s, die zu einem großen Teil zu „Krupplyn“ gehören (Künstlerkollektiv aus dem gesamten Ruhrgebiet, Anm. d. Redaktion). Die haben alle einen Bomben-Job gemacht.
Dann sind ein paar ultra talentierte Beatmaker auf dem Album zu hören. Zudem haben befreundete Grafiker zu jedem einzelnen Track ein Artwork erstellt.
Vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte gehören dir..
Danke auch! Es ist halt so, dass wir wirklich viel Arbeit, Zeit und Schweiß in das Album gesteckt haben. Fast zwei Jahre. Deshalb würde ich mich umso mehr freuen, wenn die Leute mal reinhören, sich mit der Musik beschäftigen und mir ihre Meinung dazu sagen.
Und: Supportet auch den Battlerap – die ganze Szene hat noch sehr viel mehr Liebe verdient!
„Reservoir Dogs“ von Lyrico erschien am 30.10.,
auch auf den bekannten Streaming-Portalen
krupplyn.com