Zauberhafte Eiswelten: Ein Besuch beim Cirque du Soleil CRYSTAL

Auf dem Eis trifft Eiskunstlauf auf Akrobatik. Foto: Matt Beard Photography
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Es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein, als Eiskunstlauf und Akrobatik aufeinandertrafen. 2017 hat der Cirque du Soleil sein Show-Portfolio um eine Eiskunstlauf-Welt erweitert. Mareike Hanke hat vor und hinter der Bühne zugesehen.

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Full House bei Cirque du Soleil CRYSTAL

Am 16. November startete Cirque du Soleil Crystal in Oberhausen in der Rudolf Weber Arena. Christine Achampong, Senior Publicist beim Cirque du Soleil Crystal, führte uns durch den Backstagebereich. Schnell wird klar: die Magie passiert vor dem Vorhang, dahinter verbirgt sich das disziplinierte Alltagsgeschäft der Mitwirkenden. 93 Menschen aus 25 verschiedenen Ländern arbeiten eng zusammen, damit die Zuschauer:innen am Ende eine atemberaubende Show geboten bekommen. Für die Artist:innen bedeutet das vor allem körperliches Training.

Leben und arbeiten aus dem Rollcase

Dafür hat man beim Cirque du Soleil immer eigene Fitnessgeräte, Trainer:innen und Physiotherapeut:innen dabei. Was auf dem Eis so federleicht aussieht, ist eiserne Körperbeherrschung. Auch die Kunststücke auf dem Eis werden vorher Backstage „auf dem Trockenen“ ausprobiert und trainiert. Zwischen den vielen Rollcases, Traversen und anderem Equipment, das den Backstagebereich dominiert, fallen uns auch zwei schwarze Zelte auf. Darin finden die Kostümwechsel statt, die fast an einen Boxenstopp bei der Formel-1 erinnern: schnell rein, dann hat man fünf bis fünfzehn Sekunden Zeit zum Umziehen und schon geht es wieder raus. Damit das reibungslos funktioniert, sind die extra angefertigten Kostüme mit großen Reißverschlüssen ausgestattet. Statt sich also mit einem umständlichen Zwiebellook zu quälen, sind die Kostüme auf wenige, zeitsparende Handgriffe ausgerichtet.

Vor dem Debüt auf dem Eis wird auf dem Trockenen geübt. Foto: Alexander Mayschak

Waschmaschine, Koch und Rampe – alles muss bei Cirque du Soleil Crystal mit

Nicht nur die Kleidung wird angefertigt und von Ort zu Ort transportiert, auch die vierzig Perücken sind immer mit dabei. Damit bei Kostümen und künstlichem Schopf nichts daneben geht, kümmern sich vier Crewmitgliederinnen intensiv um alles bis ins letzte Detail. Da muss dann schon mal einer Perücke der Zopf neu geflochten oder ein Kostüm an der Nähmaschine ausgebessert werden. Nach dem Tragen geht es für die Kostüme in die Waschmaschine. Davon laufen gleich reihenweise rund um die Uhr. Auch die Waschmaschinen werden immer wieder mittransportiert. In Sachen Make-Up hat jeder Mitspielende der Show eine eigene Make-Up-Card, auf der das jeweilige Gesicht mit dem passenden Make-Up abgebildet ist. Für das Auftragen ist dann jede:r selbst verantwortlich. Das kann auch mal zwei Stunden dauern. Die hart arbeitende Crew wird von einem eigenen Cateringteam versorgt. Die insgesamt 93 Menschen leben, essen und arbeiten zusammen.

Alles für eine atemberaubende Show

Es ist ein fast nomadisches Leben, weil es in einem familienähnlichen Verbund stets von Ort zu Ort geht. Das Produkt dieser besonderen Arbeitsweise kann sich dafür sehen lassen: in Oberhausen funkelt uns die circa fünf Zentimeter dicke, schneeweiße Eisfläche entgegen. Zwei Artist:innen sind unter wachsamen Augen am Proben, bekommen von den Trainer:innen auf und neben der Eisfläche immer wieder Anmerkungen zur Performance, damit am Ende auch alles perfekt ist. Die große Kulisse im Hintergrund wirkt massiv, besteht aber aus 210 Einzelteilen, denn auch die muss am Ende wieder mit umziehen. Auch alle anderen Requisiten sind für eine einfache Handhabung ausgelegt. Die Artist:innen auf dem Eis müssen sie schnell auf- und abbauen können, hohes Gewicht wäre da ein KO-Kriterium.

Nüchternes Training: Üben, üben, üben – ganz ohne Musik und Lichterglanz. Foto: Alexander Mayschak

Wir erfahren noch mehr Details rund um die Showorganisation. Fällt ein:e Artist:in aus, übernimmt eine andere Person die Rolle. Jeder Mitspielende kann mehrere Rollen gleichzeitig spielen. Die Eisfläche, sofern vorher vom Veranstaltungsort keine vorbereitet wurde, wird von fünf Leuten der Crew gleichzeitig erstellt. Neben den „Skatern“ mit ihren Schlittschuhen haben die Akrobat:innen spezielle Schuhe mit Metallspikes drunter, die das Rutschen auf dem Eis verhindern. Schon im Vorfeld haben wir gehört, dass Cirque du Soleil Crystal mit einer gelungenen Musikauswahl beeindruckt. Wir erfahren, dass für die Show ein Mix aus Livemusik und voraufgezeichneter Musik verwendet wird. Als Besucher:in der Show ahnt man nicht, was für ein großer Aufwand sich dahinter verbirgt. Gehen die Lichter aus und der erste Schlittschuh berührt das Eis, wirkt alles federleicht und wie aus einem Guss. Schlussendlich stellen wir fest, dass Magie sowohl auf der Bühne als auch auf eine andere Art hinter der Bühne passiert.

Gespräch mit Cirque du Soleil Crystal Star Stina Martini

Um noch tiefere Einblicke in den Cirque du Soleil Crystal zu bekommen, haben wir mit Eislauf-Star Stina Martini gesprochen. Sie ist Teil der Show und spielt eine Namenlose, die einen innigen Eislauftanz mit einem ebenfalls namenslosen Partner vollführt.

Was ist für dich die Magie des Eislaufens?
Ich würde sagen, es ist die Eleganz und das Athletische, was zusammenkommt. Es ist ein Schauspiel, aber kommt trotzdem ganz tief aus deinem Inneren. Ich liebe Ballett zum Beispiel auch, denn es ist extreme Eleganz, aber ich glaube das Eislaufen macht es dann nochmal mit den Sprüngen und Würfen so athletisch. Es sieht so federleicht aus.

Wolltest du schon immer Artistin werden in so einer Show?
Ja. Ich bin seit 10 Jahren jetzt im Showbereich unterwegs und habe auch Dancing on Ice gemacht auf Sat.1, war bei Disney on Ice und Holiday on Ice und das war schon immer mein Traum, weil man eben auch extrem viel vom Publikum zurückkriegt. Es ist was anderes als beim Wettkampf. Man kriegt so viel Freude zurück. Bei Disney on Ice waren es vor allem die kleinen Kinder und hier ist es einfach ein Wahnsinnsgefühl.

Kamen beim Cirque du Soleil Crystal auch ganz neue Herausforderungen auf dich zu als Eiskunstläuferin
Es ist auf jeden Fall was ganz anderes. Weil der Cirque du Soleil doch eher in die Zirkussparte geht und nicht in die Eislaufsparte. Als ich hierhingekommen bin, war ich mir noch ein bisschen unsicher, weil ich bisher nur aus Eiskunstlaufshows kam. Wie wird das für mich sein? Werde ich es genießen? Es war komplett was Neues.

Aber es macht Spaß?
Ja, auf jeden Fall. Ich bin froh, dass ich hier bin.

In der Show geht es um das Mädchen Crystal. Kannst du dich mit ihrer Figur identifizieren?
Auf jeden Fall. Aber ich glaube, da kann sich jeder wirklich so ein bisschen mit identifizieren. Sie geht natürlich am Anfang durch diese Teenagerphase, wo sie sich… ich will nicht sagen, Fehl am Platz fühlt, aber unverstanden. Und ich glaube, damit kann sich jeder irgendwann in seinem Leben mal identifizieren.

Crystal würde auch gerne mal in eine Buchwelt eintauchen. Gibt es ein Buch oder eine Geschichte, in die du auch gerne mal eintauchen würdest?
Ja, ich glaube vor allem mit Crystals Geschichte können sich viele Mädchen identifizieren. Du fühlst dich unverstanden und weißt nicht weiter, aber dann nimmst du dein Leben endlich selbst in die Hand und machst den ersten Schritt. Du steigst jetzt aus und wirst erwachsen. Ich glaube, wirklich jeder kann in Crystals Geschichte eintauchen.

Das Eislauffeld in der Rudolf Weber Arena bietet viel Platz. Foto: Alexander Mayschak

Gefühlswelten einer jungen Frau

Abends durften wir dann die Show besuchen. Hauptfigur Crystal wird vorgestellt, sie ist ein Mädchen, das einen Platz auf der Welt sucht, die lieber mit dem Kopf in den Wolken ist als mit beiden Beinen am Boden. Crystals Gedankenwelt ist voller Fantasie und Abenteuer und kollidiert mit der Realität, in der sie als seltsam gilt. Das junge Mädchen sieht sich mit den Mühlen des Alltags, der Arbeitswelt und dem eigenen inneren Vorgehen konfrontiert. Auf Schlittschuhen flieht sie vor dem Unvermeidlichen und bricht spektakulär durch das Eis in einen ganz besonderen Kaninchenbau.

Crystal ist in ihren Eiswelten auf der Suche nach sich selbst. Foto: Matt Beard Photography

Bei Cirque du Soleil Crystal verbinden sich auf dem Eis Realität und Fantasie

Allein, wie der Durchbruch durch die Eisdecke inszeniert ist, ist eine audiovisuelle Augenweide. Die Inszenierung spielt abwechslungsreich mit dem Einsatz von Projektion und Licht. Obwohl Crystal die Hauptfigur des Stücks ist, kommt immer wieder auch ein Narr zum Einsatz, der mit charmant-komischen Einlagen für Auflockerung sorgt. Überhaupt stellt sich das Stück in seiner Tonalität sehr abwechslungsreich dar. Selten wird gesprochen, hauptsächlich wird alles über Metaphern erzählt, gekleidet in die Performance der ausgezeichneten Artist:innen. Dann geht es manchmal um stupiden Büroalltag ohne Ende oder Crystal sieht sich selbst in einem Labyrinth aus Glas gefangen. Die ruhigen und actionreichen Passagen wechseln sich in einem bekömmlichen Tempo ab, wobei gerade die langsameren, melancholischen Phasen mit wenigen Artist:innen und fließendem Eislauf eine besondere Gravitas haben.

Wird es dann turbulent, bekommt man schwitzige Handflächen. Dann fliegen die Artist:innen auf Kufen durch die Arena. Es folgen waghalsige Sprünge, irre Klettereien und unglaubliche Körperspannungen, die Muskelgruppen erfordern, die die Mehrzahl der Zuschauenden sicherlich noch nie gesehen hat. Die Geschwindigkeiten auf dem Eis sind beeindruckend und von nahtlosen Übergängen geprägt. Die Musik ist während der ganzen Vorführung auf dem Punkt. Das Gesehene und die Akustik verweben sich und verwandeln sich in eine traumhafte Szenerie, die eine unaufdringliche Magie ausstrahlt. Stets schön, niemals verkitscht. Eine einfache Geschichte in gedankenvollen Bildern erzählt. Cirque du Soleil Crystal ist eine stimmungsvolle, zauberhafte Show, in der man ganz große Leistungen sehen kann, die luftig präsentiert werden. Man taucht in die Gedankenwelt einer verträumten Außenseiterin ab, die sich zwischen einem Leben vor oder hinter dem Eis entscheiden muss. Und es hat wahnsinnig Spaß gemacht, ihr dabei zuzusehen.

Cirque du Soleil CRYSTAL, bis zum 20.11.2022, Rudolf Weber Arena, Oberhausen
Weitere Vorstellungen in 2023 in Stuttgart und Hamburg

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