Ein ehemaliges Erfolgsmodell hat einen Platten: Streaming-Dienste wie Netflix oder Amazon Prime und die Filmpiraterie im Netz haben den stationären Videoverleihern in den vergangenen Jahren schwer zugesetzt. Videotheken in der Region sind auf dem Rückzug und schon längst ist das Vermieten von Filmen und Serien bei den verbliebenen Anbietern nicht mehr Kerngeschäft. Fabian Paffendorf berichtet.
Die Hochzeit der Videotheken waren die 80er-Jahre. An jeder Ecke eröffneten kleine und große Läden, die VHS-, Betamax- oder Video-2000-Kasetten gegen eine mehr oder minder hohe Gebühr vermieteten. Selbst in Supermärkten, beim TV-Fachhändler oder in Fahrschulen richteten die Betreiber Flächen für einen Videoverleih ein. Deutschlandweit gab es bis 1991 rund 8000 Videotheken. Gut die Hälfte davon machten Geschäfte in Nordrhein-Westfalen aus.
Neben Büdchen und Frittenbude gehörten Videotheken zum Stadtbild zwischen Rhein und Ruhr. Von der einstigen Goldgräberstimmung ist in der Branche heute nicht mehr viel übrig geblieben. „In den vergangenen Jahren haben immer mehr Kollegen das Handtuch geworfen“, sagt Susanne Horstmann, Betreiberin des Odeon-Video-Centers in Bottrop. Ihr Geschäft ist das letzte seiner Art in der Stadt. Und nur vom Verleih und Verkauf von Blu Ray, DVDs und Video Games in den Regalen lässt sich das allein auch nicht mehr wirtschaftlich zufriedenstellend führen. „Wir haben längst Games-Workshop-Produkte wie das Rollenspiel Warhammer mit in den Verkauf genommen“, so Horstmann. Momentan überlege sie auch, als DHL-Vertragspartnerin einen Paket-Shop zusätzlich in die Videothek zu integrieren. „Sowas läuft ja quasi von allein.“ Dass das Verleihgeschäft trotzdem weiterhin aufrechterhalten werden kann, läge an den Stammkunden, die seit Jahr und Tag der Videothek die Treue halten. Darüber hinaus habe der Rückzug von Mitbewerbern in der Region zudem dafür gesorgt, dass Neukunden vermehrt nach Bottrop kämen. „Gladbach, Velbert, Mülheim – da gibt es keine Videotheken mehr“, erklärt die Frau, die seit 26 Jahren in der Branche aktiv ist. „Und da hängt mein Herz auch dran“, fügt Horstmann hinzu. Herzblut und Ideenreichtum sind für die letzten Mohikaner der Videotheken-Branche unverzichtbar, wie auch Jörg Weinrich, Geschäftsführer des Interessenverbandes des Video- und Medienfachhandels in Deutschland e.V. (IVD) bestätigt: „Ein Teil der Videotheken betreiben Nebengeschäfte, die jedoch von uns als Verband nicht gesondert erfasst werden.“ Explizites Zahlenwerk hingegen hält der Verband bereit, was Umsatz- und Standortrückgänge des stationären Videoverleihs angeht.
Krise begann mit neuen Medien
So gab es bundesweit im Jahr 2000 noch 4591 Videotheken, 2010 waren es dann 2795. Die Ursachen für diesen frappierenden Rückgang an Standorten sind vielfältiger Art. Es lässt sich nachzeichnen, dass um das Jahr 2000 herum, ein Medienwechsel in den Verleihbetrieben stattfand. Damalig verdrängten die immer günstiger werdenden DVD-Player die Video-Rekorder aus den deutschen Wohnzimmern. Um weiterhin am Markt bestehen zu können, waren die Videothekare darauf angewiesen, ihr komplettes Verleihprogramm auf DVD umzustellen, die Neuheiten zugleich für die Kunden auf Video-Kassette und dem neuen Medium anzubieten. Vor allem kleinere, inhabergeführte Läden, die nicht den großen Einkaufsgemeinschaften zugehörig waren, wurden so vor finanzielle Probleme gestellt. Durch die Markteinführung der High-Definition-Formate Blu-Ray und HD-DVD verschärfte sich die Situation um 2010 abermals.
Neben der Umstellung auf neue Speichermedien kamen weitere Probleme auf die Videotheken zu. Im Geschäftsbericht 2017 listet der IDV nur noch 601 Videotheken. Auf Nordrhein-Westfalen fallen davon 108 Verleiher, geschätzt ein Drittel davon im Ruhrgebiet beheimatet. 2017 habe die Branche nur noch 81 Millionen Euro Umsatz gemacht, halb so viel wie im Vorjahr. Als Ursache für den erneuten massiven Rückgang sieht Jörg Weinrich die Filmpiraterie im Internet und verweist auf Marktforschungsstudien. Bereits 2014 hätten 607 Millionen illegale Streams und Downloads 123 Millionen stationären Vermietvorgängen gegenübergestanden. Digitale Angebote seien in dem Zeitraum nur 50,7 Millionen Mal in Anspruch genommen worden. „Seit 2002 haben wir im Filmbereich das illegale Angebot im Netz. Dieses betrifft Spielfilme und Pornos. Die Bundesländer tun seit Jahren nichts gegen Pornografieangebote, die auch Kindern und Jugendlichen zugänglich sind“, sagt Weinrich. Netflix & Co. seien Mitbewerber, die aber Nachteile gegenüber Videotheken hätten: „Netflix hat keine aktuellen Spielfilme. Bei Amazon kann man Spielfilme erhalten, aber die Preise liegen über denen einer Videothek.“
Die bisherige Entwicklung
ist alles andere als gut.
Nur noch eine Videothek in Bochum
Daniel Mohrlang, Geschäftsführer der Atlantis-MegaMax-Videothek in Bochum, stimmt ihm zu. „Solche Konkurrenzprodukte fahren massiv Werbung, aber stationäre Videotheken haben ein größeres Programm und sind günstiger“, sagt Mohrlang. Nachdem die Bochumer Video-Planet-Filiale an der Essener Straße Anfang März geschlossen wurde, ist Mohrlang nunmehr der einzige Videothekenbetreiber mit Standort Bochum. Aufgrund des baldigen Abrisses des Parkhauses am Südring macht er seine Filiale in Bahnhofsnähe Ende April zu und betreibt ab sofort nur noch die Videothek an der Herner Straße. „Als zusätzliches Standbein ist die Videothek mit einem Candy-Shop kombiniert. Eine UPS-Paketannahmestelle gehört ebenfalls dazu“. Die fetten Jahre seien vorbei, aber durch den Rückgang von Videotheken seien neue Chancen gegeben, meint der Bochumer. Prognosen für die Zukunft will man bei der Videobuster-Filiale in Oberhausen nicht abgeben. „Die bisherige Entwicklung ist alles andere als gut“, sagt ein Mitarbeiter der Videothek. Und beim Kölner Franchise-Unternehmen Videotaxi GmbH, will man sich nicht zur Situation äußern. Mit den 92 Filialen, die der Firma angeschlossen sind (u.a. in Dortmund) und dem Video-Bringdienst erreicht man immer noch mehr Kunden als die Vermieter, die vor einigen Jahren auf das System „Automatenvideothek“ setzten. „Automatenvideotheken hatten einen Boom um 2005 und wurden von Franchise-Unternehmen vorangetrieben. Vom Kunden wurden sie nicht angenommen. Sie sind heute fast verschwunden“, sagt IVD-Chef Weinrich. Bisher noch nicht ganz weg sind Videotheken in Hagen, Dortmund und Duisburg. Während in Düsseldorf im vergangenen Jahr Schluss war. Wo keiner mehr Ausleihen wollte, hatte das Geschäftsmodell keine Zukunft mehr.