Als Ende Februar die Nachricht von Henry Storchs plötzlichem Tod bekannt wurde, war die Bestürzung innerhalb der Stadt groß. Trauerbekundungen von Kollegen, Freunden und Bewunderern durchfluteten die sozialen Netzwerke. Wie es kurzfristig mit dem Label weitergeht und was den Musikliebhaber und Menschen Henry Storch so besonders gemacht hat, hat seine enge Kollegin Ina Schulz Nadine Beneke erzählt.
Eine Woche ist der plötzliche Tod Henry Storchs her, als die Schreiberin Ina Schulz bei Unique Records besucht. „Hier hat Henry immer gesessen“, deutet sie auf den leeren Schreibtisch vor sich. Platten hängen an den Wänden, genau wie Kinderfotos von Henry. „Theoretisch könnte ich zu Hause bleiben. Aber ich wollte kommen, ist doch klar wie Kloßbrühe“ sagt die 33-Jährige. Tausende Anrufe seien eingegangen, als Gerüchte durchs Netz kreisten. Als sie die offizielle Meldung zum Tod des Labelchefs aufgrund von Organversagen veröffentlichte, herrschte „drei Tage Stille“. Booker und Musiker kamen in den Flingeraner Hinterhof. „20 Liter Kaffee“ tranken sie zusammen.
„Das letzte Mal als ich ihn gesehen habe, war er ziemlich lebendig“, sagt Ina. Unwirklich ist die Situation. Die beiden arbeiteten als eingespieltes Team. „Ich war immer die Piefige. Habe ihn auf Kommafehler aufmerksam gemacht“, erzählt sie. Der Labelchef war der Macher, sie hielt ihm den Rücken frei. Vor allem habe er immer dafür gearbeitet, dass es weitergehe: „Henry hat sich nie bereichert. Erst kamen immer die anderen und dann er. Das klingt kitschig, war aber so.“ Ina beschreibt den Musikliebhaber, der einst Bobby Hebb mit seinem Song „Sunny“ in den Unique-Club holte, als Idealisten. „Es war kein einfaches Leben, das er sich ausgesucht hat.“ Ein Streitthema war die städtische Förderung, auch für kleinere Musikveranstaltungen wie das Golzheim-Festival. Mit Erfolg. Überhaupt stand Kommunikation – neben der Musik – ganz oben auf der Agenda des Labels: „Wir haben nie irgendwas verheimlicht. Das geht in dieser Größenordnung gar nicht.“ Und genau so macht Ina weiter: „Ich habe den Bands gesagt, sie können immer anrufen.“
Nicht an Strahlkraft verlieren
In diesem Jahr feiert das Label seinen dreißigsten Geburtstag. Love Machine veröffentlichte im März das Debüt bei Unique. Die Blackberries tourten in Texas. Ina sagt: „Ich hätte mich gefreut, wenn Henry bestimmte Erfolge miterlebt hätte.“ In den kommenden Wochen trifft seine Frau die Entscheidung, wie es weitergeht. Für Ina eine klare Sache: „Es ist unvorstellbar, den Schlüssel umzudrehen und nicht wiederzukommen.“ Seit zehn Jahren, mit kurzen Unterbrechungen, ist die Duisburgerin dabei. Ihre Bachelorarbeit schrieb sie in Hamburg und bekam schnell Heimweh. Ein Kollege beim Label Ladomat hatte damals sein Notizbuch offen herumliegen. Der Eintrag „Unique Records“ fiel ihr ins Auge und sie schrieb kurzerhand eine Mail. Wenig später verabredete sie sich mit Henrys damaligem Geschäftspartner Tino Stoschek und wurde eingeladen. Weil Tino sie vergessen hatte, übernahm Henry das Gespräch. Bei einem Kaffee im Seifenhorst, erzählt Ina, sei die Sache klar gewesen: „Henry hat gesagt: ‚Ich hab das jetzt entschieden, du kannst hier anfangen.‘“ Erst als Praktikantin, dann als Mitarbeiterin auf selbstständiger Basis. Zweieinhalb Jahre arbeitete sie zwischendurch in einer Festanstellung in Dortmund. „Da habe ich reingeschnuppert und festgestellt, dass man mit Henry am besten arbeiten kann.“ Im Q-Stall jobbte sie parallel, „bis der Laden zugemacht hat.“ Genetzwerkt habe Henry immer. Nach seinem Tod meldeten sich viele Leute, die ihre „musikalische Erziehung“ im Unique Club genossen haben oder die der Labelchef auf anderem Wege zusammenbrachte. „Wir waren immer die Hippies“, sagt Ina, „auch wenn Henry nie Angst hatte, unbequem zu sein.“ Wichtig sei ihr, dass das Gespräch weitergehe. Unique dürfe nicht an Strahlkraft verlieren. „Nichts hat so viel Kraft wie ein Song“, sagt sie. Henrys Songs werden fehlen.