Take That in Mönchengladbach: Boygroup-Liebe stirbt nie

Take That sind endlich wieder auf großer Tour. Howard, Gary und Mark (v.l.) haben ihre mehr als 10.000 Fans in Mönchengladbach zum Mitklatschen und -singen animiert. Foto: picture alliance/dpa | Philipp von Ditfurth
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Als sich Take That 1996 trennen, werden Notfalltelefone eingerichtet. Zu viele Mädchen drohen in tiefe Depressionen zu stürzen. 2024 ist die Massenhysterie schon längst abgeklungen, Fans sind sie aber offensichtlich alle immer noch. Mit den Ehemännern sowie überraschend vielen weiteren männlich gelesenen Menschen im Schlepptau ziehen über 10.000 Leute am Sonntag, dem 30.6., gen Abend in Richtung SparkassenPark in Mönchengladbach. Denn dort spielen Gary, Mark und Howard, und das gleicht einem Zeitsprung in die erste Hälfte der 90er.

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Take That in Mönchengladbach: Auch zu Dritt mit vollem Elan

Alle haben sie bereits die 50 geknackt. Howard ist sogar schon 56. Was sie behalten haben, ist ihre Freundschaft zueinander, die Liebe zur Musik und das Wohlfühlen auf der Bühne vor so vielen Fans. Im vergangenen November erschien das neunte Album von Take That, „This Life“. Es ist das erste nach sechs Jahren Pause und das dritte Album als Trio. Anfang der 90er war man mit Robbie Williams und Jason Orange noch zu fünft, dann ohne Robbie zu viert, seit 2014 ohne Jason zu dritt. Allerdings schaut Robbie gerne zwischendrin mal für einzelne Shows vorbei. Alle Fünf hatten immer ihr besonderes Etwas, um einem bestimmten Typ Mann zu entsprechen. So wie es sich eben für die guten, alten Boygroups gehört. Wie individuell ihre Charaktere sind, fällt auch heute noch auf. Der eine ist der Entertainer, der andere der Tänzer, wieder einer der besonders hervorragende Sänger.

Take That haben im November ihr 9. Album veröffentlicht. Zu „This Life“ findet nun die Tour statt, die sich über sieben Monate zieht. Foto: Guy Aroch

Zu der aktuellen LP gibt es die gleichnamige Tour, die im April in UK startete. Insgesamt sind in sieben Monaten ganze 79 Shows geplant, was durchaus sportlich ist. Nach den Shows in England, Irland, Schottland und Wales geht es nun unter dem Motto „This Life Under the Stars“ auf große Open-Air-Reise durchs europäische Festland. Die deutschen Anhänger:innen haben vier Chancen hierzulande sowie je eine in Österreich und der Schweiz. Der NRW-Stopp findet in der größten Open-Air-Location des Bundeslandes statt, nämlich im SparkassenPark in Mönchengladbach.

Eine der Größten der Boyband-Ära

Mit über 25 Millionen verkauften Einheiten gehören sie immer noch zu den erfolgreichsten britischen Bands und sind neben New Kids On The Block das Urgestein der Boygroups. Dementsprechend ist das Publikum auch eher vereinzelt unter 40. Auch wenn die Energie in den letzten drei Dekaden etwas abgenommen hat, so ist man selbstverständlich immer noch äußerst textsicher. Die Musik aus der Kindheit und Teeniezeit ist so fest im Kopf gespeichert wie die erste Handynummer. Herzluftballons sind mit Helium gefüllt, einige von ihnen steigen im Laufe der Show in die Lüfte am Niederrhein. Manche haben sogar neue Plakate mit „We Still Love You“-Messages gebastelt. Der Innenraum ist ordentlich gefüllt. Sowohl für ihn als auch für die Tribünen gibt es nur noch ein paar Tickets. Geschätzt ist 90 Prozent belegt.

Nach einer halben Stunde mit Alfie Castley, der als Support leichten Singer/Songwriter-Pop von der hochmusikalischen Insel mit im Gepäck hat, müssen Fans noch einmal 30 Minuten warten, bis es endlich losgeht. Leider wird das „Under the Stars“ nicht so hinreichend umgesetzt, wie es sich Take That wahrscheinlich wünscht. Das liegt daran, dass die Hauptshow um kurz nach 20 Uhr vergleichsweise früh anfängt – und um kurz nach 21:30 Uhr endet, wenn es gerade dunkel wird. Die Sterne muss man sich heute also denken.

Seit zehn Jahren sind Take That die meiste Zeit zu dritt. Foto: Guy Aroch

Gary, Mark & Howard: Hits aus drei Dekaden

Dafür sind aber die 90 Minuten Konzert ein temporeicher Flug durch drei Dekaden. Aus jedem der neun Alben ist mindestens ein Song dabei, es wird also keine einzige Epoche außen vor gelassen. Bestimmt vermissen die einen oder anderen „Love Ain’t Here Anymore“, „Sure“, „Could It Be Magic“ oder ganz besonders den sehr großen Hit „Babe“, der leider auch nach dem Gig noch auf sich warten lässt. Dafür gibt es aber mit „Everything Changes“, „How Deep Is Your Love“ und „Relight My Fire“ genug Material, um sofort in das Bubblegum-Pop-Feeling der vorvorvorletzten Dekade zurückzukommen und zu tanzen, als ob niemand zuschaut. Bei „Pray“ zeigen die Drei mehrere Schritte der Choreo aus dem damaligen Musikvideo. Richtig laut wird es in dem Stadion des Rheydter Hockey Club, wenn die wohl bekannteste Ballade der Band „Back For Good“ ertönt und Gary Barlow am Piano sitzt. Das absolute Highlight ist aber das Mitklatschen bei einer der größten Hymnen, die das Jahrzehnt bietet: „Never Forget“ ist definitiv die perfekte Kombination aus Rührung, Gänsehaut und Bittersüße.

Alle Drei arbeiten trotz viel Erfahrung weiterhin an ihren Gesangskills, das hört man. Auch für Menschen, die seit so langer Zeit so viele Konzerte hinter sich gebracht haben, sind sie tonal fast durchweg richtig und klingen nicht wie manch andere ihrer Weggefährten verbraucht. Der Sound ist für solch eine Riesenlocation extrem gut und stark auf die Mikrofone gepegelt, sodass jeder noch so leise Ton perfekt verstanden werden kann. Hat man Take That früher für ihre äußerst aufwändigen Shows gefeiert, ist zumindest dahingehend alles gediegener. Eine sechsköpfige, gut eingespielte Band sorgt für die Basics, Gary, Mark und Howard für den Gesang, teilweise spielen auch sie Instrumente. Es gibt eine Showtreppe, auf der sie häufiger auf- und ablaufen und mehrere kleine Outfitwechsel. Zusätzlich reden sie viel mit den Fans, halten Ansprachen zur gerade laufenden EM und führen mit kurzen, witzigen Dialogen durch die Historie der Gruppe.

Take That in Mönchengladbach: Never forget – versprochen

Doch auch der Part seit der Reunion wird nicht vergessen, sodass es mit „Patience“, „Shine“, „Greatest Day“, „The Flood“ und „Rule The World“ als Finalsong mehrere Hits aus den letzten 18 Jahren gibt, die man als Radiohörer:in unmöglich ignorieren konnte. Zieht am Tag zuvor ein Gewitter nach dem nächsten über NRW, ist es zum Glück bei der Show fast durchgängig trocken. Lediglich bei „The Flood“ gibt es ein paar Tropfen, und da passt es ja schon wieder perfekt.

Take That sind der Inbegriff von Nostalgie. Sie sind für die Kids der 80er unersetzbar, aber auch für später geborene Musikliebhaber:innen ein Stück Popgeschichte. Wenn die noch zehn weitere Jahre machen, ist mit Sicherheit niemand traurig. Stattdessen gibt es hoffentlich auch dann wieder ein eskalierendes „Never forget where you’ve come from“, das aus sämtlichen Stadien schallt.

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Keine weiteren geplanten Konzerte in NRW, die nächste Deutschland-Show findet am 2.7. in München statt.

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