Tahnee im Interview: Mitten in ihrer eigenen Blütezeit

"Blütezeit" ist das dritte Soloprogramm von Tahnee. Die ersten Previews starten diese Woche. Foto: Andra
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Tahnee, 1992 in Heinsberg geboren, macht schon zu Abizeiten Comedy. Seitdem geht es immer nur bergauf. Mittlerweile gehört sie zu den erfolgreichsten und beliebtesten Comediennes in Deutschland. Zum Start ihres dritten Bühnenprogramms „Blütezeit“ hat sie mit uns ausgiebig gequatscht.

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Tahnee über „Blütezeit“: „Ich fühle mich gerade richtig gut.“

Gerade startet dein drittes Bühnenprogramm “Blütezeit“. Glaubst du, du hast den Höhepunkt des Lebens schon erreicht?

Ich hoffe natürlich nicht, dass es der Höhepunkt schon ist – falls er es aber ist, hoffe ich, dass er noch ganz lange anhält. Ich fühle mich gerade richtig gut und angekommen. Das Programm hat sich quasi von selbst benannt. Eigentlich dachte ich immer, dass das eine Katastrophe für Comedy wäre, weil sie in meinem Kopf nur aus Tragik heraus funktioniert. Ich habe nun aber festgestellt, dass es besser klappt, wenn es einem auch selbst besser geht. Da wir uns täglich mit so vielen schweren Themen in der Welt beschäftigen, möchte ich den Leuten mit dem Programm einfach eine Art Blütezeit bescheren. Zwei Stunden weg aus dem Alltag.

Im Vergleich zu deinen zwei vorigen Programmen „Geschickt zerfickt“ und „Vulvarine“ ist der Titel auf jeden Fall harmloser…

Ich werd‘ ja auch älter… (lacht)

Ist bei dir alles also ein wenig ruhiger?

Eine gute Zusammenfassung, ja. Man erkennt an den vorigen Titeln einfach, dass ich Kämpfe mit mir ausgetragen habe. Ich dachte, alles müsse unbedingt provokant sein, damit ich gehört werde – und das ist es jetzt nun gar nicht mehr. Damals, zwischen dem ersten und zweiten Programm, gab es auch nur wenige Wochen, ich habe immer viel gearbeitet und bin ganz schön gerannt. Deswegen war es mir jetzt auch wichtig, privat ein bisschen anzukommen, mir die Auszeit zu nehmen und daraus nun neue, kreative Arbeit zu schöpfen. Es fühlt sich auf jeden Fall gereifter und entspannter an.

Kannst du schon zwei, drei Themen nennen, um die es geht?

Egal, welche Kolleginnen und Kollegen ich kenne – wir alle finden es immer schwer, mit einem Titel alles zusammenzufassen. Für mich ist es sogar noch schwieriger, weil in meinem Kopf gefühlt 50 Tabs offen sind. Ich möchte alles besprechen, bespielen, parodieren. So wird es wieder ein wilder Mix aus Erfahrungen, Beobachtungen, aber auch ernsten Themen. Ich bleibe auch kritisch. Ich hoffe aber, dass es bei den Zuschauerinnen und Zuschauern viele Anknüpfungspunkte gibt, weil ich das persönlich bei Comedy sehr mag, wenn sie auch zum Nachdenken anregt.

Anfang September geht es mit Previews los, einen Monat später dann mit der eigentlichen Premiere. Wovor bist du aufgeregter?

Tatsächlich vor den Previews, weil ich vorher ja gar keine Ahnung habe, wie die Leute reagieren. Das ist auch das Schöne an Comedy: Du wirst vor dem Moment nicht gewahrt, dass auch mal was daneben geht. Es passiert dann zwar nichts schlimmes. Die Leute lachen halt einfach nicht. In dir stirbst du aber, weil du denkst: „Ich saß doch heute noch am Küchentisch und dachte, ich war noch nie witziger.“ Dann gehst du raus und die Leute finden das voll daneben. Du kannst es aber nicht an diesem einen Termin ausmachen, sondern musst da mehrfach durch, um dann einschätzen zu können, ob es am Witz liegt, an der Formulierung oder eher am Thema, bei dem Abstriche gemacht werden müssen. Das ist ein Prozess, weswegen das Programm nach ein, zwei Jahren anders ist als am Anfang. Wie eine Knetmasse, was ich total schön finde. Exakt dasselbe gibt es also nie zu sehen.

„Sich selber zu beobachten, ist wirklich der Horror.“

Wie ist denn deine Herangehensweise beim Vorbereiten?

Ich sammele in meinem Handy das ganze Jahr über sehr konstant Notizen, schreibe grobe Themen auf. Wenn man dann aber in die Arbeit eintaucht, ergeben sich plötzlich neue Stränge. Natürlich überlege ich auch, wo welche Parodie oder auch welcher Song am besten passt. Zusätzlich gibt es aktuelle Themen, wie die baldige US-Wahl, zu der ich dann etwas sagen werde. Vieles ist also zeitlos, gleichzeitig gibt es aber auch Raum für Spontanität.

Wie merkst du dir die Gags letztendlich am besten?

Ich schreibe sie auf, weil eine Formulierung bei Comedy wirklich wichtig ist. Das wirkt zwar nicht wie ein klassisches, geschriebenes Wort in einem Buch, sieht sogar eher grammatikalisch ein bisschen doof aus, hat dann aber diesen Sprechstil. Ich habe mir angewöhnt, das genau so zu notieren. Dann filme ich es und schreibe es mir anschließend wieder auf, wie ich es bei einem Auftritt, den ich gut finde, genau gesagt und gemacht habe. Sich selber zu beobachten, ist auch wirklich der Horror. Das kann ich gar nicht gut, muss da aber halt durch.

Von den aktuellen Terminen sind um die 25 in NRW – damit auch wirklich dein ganzer Bekanntenkreis es sicher zu einem Termin schafft?

Ich schlafe gern zuhause. (lacht) Nein, es gibt auf jeden Fall auch noch sehr viele Termine außerhalb NRWs. Aber unser Bundesland ist einfach so dicht besiedelt, dass auch all diese kleinen Städte super bespielbar sind. Jede Künstlerin und jeder Künstler spielt am liebsten im Heimatbundesland, ich spiele hier wirklich sehr gerne. Nach Hause nach einem Auftritt kommen zu können, ist aber tatsächlich auch etwas, was ich sehr schätze.

Wer Lust hat, Tahnee live zu sehen, hat auf ihrer gerade startenden Tour rund 25 Städte in NRW zur Auswahl. Foto: Andra

Spielst du also lieber sehr viele kleine Termine als wenige große?

Sowohl als auch. Bei kleineren Locations bist du näher an den Leuten, was auch meinem Grundansatz an Comedy mehr entspricht. Ich mag den intimeren Austausch. Je größer die Halle wird, desto unpersönlicher wird es. Solo habe ich zwar noch nicht in einer Riesenhalle gespielt, aber beispielsweise bei den XXL Comedy-Nächten von 1Live in der Lanxess Arena. Da bekommst du durch 16.000 Leute natürlich einen richtigen Adrenalinbooster. Alle lachen und klatschen, allerdings fühlst du dich von den Menschen sehr weit weg. Deswegen bin ich für mein Programm mehr der Fan von 1000 bis 2000 Zuschauern. Ist aber totale Geschmacksache, da gibt es zwei Lager.

Tahnee über Stimmimitationen und Synchronsprechen

Woran machst du einen richtig guten Abend und woran einen mittelmäßigen fest?

Ein guter Abend entwickelt sich einfach. Das kann man gar nicht an einem Detail gut festmachen, das ist ein Zusammenspiel aus so vielen Dingen. Die eigene Stimmung ist wichtig, das Gefühl insgesamt, jeder bringt eine persönliche Atmosphäre mit in den Raum. Es heißt auch nicht, dass ein Abend, an dem es etwas ruhiger ist, automatisch schlechter ist. Natürlich ist es bei Comedy aber schön, wenn eher etwas Lautes zurückkommt. Eigentlich sind es meist nur kleinere Abstände zwischen richtigen Ausrastern, super tollen Abenden oder „Joa, war gut“-Shows. (lacht) Konkret kann ich das aber eher nicht benennen.

Du bist die Meisterin der Stimmimitation. Wie eignest du dir das an? Guckst du viel fernsehen und entdeckst dann auffällige Charaktere, die du probierst, nachzumachen?

Das ist eher ein emotionaler Bezug, den ich verspüre. Ich gucke mir Dinge an, meist aus privatem Interesse und irgendwie kommt das dann aus mir heraus. Ich gucke, ob es einen gewissen Zugang gibt und falls ja, mache ich dazu ein bisschen mehr. Ich setze mich aber nicht hin und probiere krampfhaft und akribisch, etwas zu imitieren. Mir muss das selbst auch wirklich Spaß machen. Es ist eher wie ein Spiel. Es gibt natürlich auch Personen, die mich interessieren, denen ich in der Entwicklung der Parodie aber noch Zeit gebe. Wenn’s kommt, dann kommt’s.

Du könntest auch hervorragend Synchronsprecherin werden…

Ist auch ein Strang, der mich wirklich total interessiert. Ich hatte das große Glück, bei zwei Kinofilmen schon etwas einsprechen zu dürfen, zuletzt in „Alles steht Kopf 2“ die Kapitänin der neuen Eishockeymannschaft, in der die Hauptfigur spielt. Das war total toll und eine sehr präzise Arbeit. Alles über die Stimme zu transportieren, finde ich großartig. Synchronsprecherinnen und -sprecher machen einfach einen wahnsinnigen Job, man merkt sich die Stimme sofort und prägt sie sich für Jahre ein.

Neben deinen eigenen Programmen bist du aber auch häufig Gast in ganz anderen Formaten wie „7 Tage, 7 Köpfe“, „LOL“, „Die Anstalt“ oder sogar als Sidekick von Helene Fischer in ihrer Show. Hast du Lieblinge, vielleicht auch, weil sie dich besonders herausfordern?

Die Abwechslung ist genau das, was es ausmacht. Genau das brauche ich. Ich brauche Herausforderungen, bei denen ich nicht immer weiß, wie es am Ende ausgeht. Bei Helene gibt es so viele Ultras und ich wusste nicht, ob die es womöglich total schrecklich finden. Da sie es aber selbst legitimiert hat und damit super entspannt umgegangen ist, lief es auch. Sie hat wirklich Humor, was ich sehr geschätzt habe.

Ebenso bei „LOL“, wovor ich bei solch großen Kolleginnen und Kollegen wie Bastian Pastewka, Anke Engelke oder Annette Frier, die mich durch meine Kindheit gebracht haben, großen Respekt hatte. Die darf ich wirklich zum Lachen bringen, ohne selbst zu lachen? Absoluter Hammer und gleichzeitig total anstrengend für den Körper. Etwas Satirisches ist aber auch toll, weil ich da mal den Finger in die Wunde legen kann, was ansonsten vielleicht in mein Programm nicht gut passt. Ein Mix aus Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit ist genau meins.

Wie funktioniert ein Podcast mit der eigenen Ehefrau?

Somit ist dein Podcast „Fühl Vergnügen“ mit deiner Frau Juliette Schoppmann auch nochmal eine gute Ergänzung. Wenn ihr euch im Alltag unterhaltet, stoppt ihr euch dann manchmal, um es im Podcast fortzuführen?

Absolut. Wir überlegen innerhalb der Woche, was wohl etwas Gutes für den Podcast wäre und fallen uns da dann echt gegenseitig ins Wort. Wir möchten, dass das Gespräch so authentisch wie möglich ist, deswegen wird manches Thema bis zur Aufnahme geschoben. Da wir aber sowieso ganz viel miteinander reden und nicht wie manch andere Podcaster nur in dem Podcast, ist die Dynamik eine andere und macht einiges aus.

Ich hatte vor der Aufgabe Podcast echt Respekt, seit 2016 wurde ich ständig gefragt, warum ich keinen mache. Es hat sich aber bis dahin nie richtig angefühlt, weil man den perfekten Gesprächspartner braucht, mit dem man auch gerne redet und denen man gemeinsam gerne zuhört. Ein „Du und du, ihr solltet einen Podcast machen“ finde ich sehr aufgesetzt.

Gleichzeitig ist es aber natürlich besonders, weil ein Gespräch mit meiner Frau etwas Persönliches ist. Wir sind beide private Menschen und wollten probieren, nicht zu viel Privates zu zeigen, aber die Angst hat sich gar nicht bestätigt. Wir entscheiden, worüber wir reden und dass andere uns dabei zuhören können, hat so viel Positives gebracht, was ich auch nicht mehr missen möchte.

Feministisch, modern, aber auch mal weltpolitisch: Tahnee setzt sich da selbst kaum Grenzen. Foto: Andra

Hast du denn das Gefühl, dass sich das Gespräch anders entwickelt, als wenn das Band nicht läuft?

Habe ich eigentlich gar nicht. Es ist einfach so, wie es ist. Natürlich gibt es jobbedingt ein, zwei Sachen, die ich dann so formuliere, wie ich es auf der Bühne tun würde. Das ist aber sowieso immer in mir drin und kommt einfach raus. Ein sehr natürliches Gespräch.

Du bist eine der wenigen öffentlich lesbischen Frauen in der deutschen Comedy-Szene. Würdest du sagen, dass das ein Vorteil für dich ist, weil du Themen nochmal mit einem anderen, queeren Blickwinkel angehen kannst?

Ich finde eigentlich, dass das ein total unwichtiger Teil ist. Natürlich ist Sexualität an sich ein komplexes Thema, das auch in mancherlei Berufen für die Allgemeinheit ungewöhnlich und interessant sein kann, aber eigentlich sollte ein Outing obsolet sein. Es ist doch absolut egal. Unterm Strich geht’s um Liebe und fertig. Wer mit wem und warum, ist zweitrangig. Da wir aber noch nicht im Gleichgewicht sind, ist es ein Thema, das Relevanz hat und mit dem ich am Anfang auch zunächst auf der Bühne etwas gehadert habe. Es war für mich ein großer Schritt, dass ich eben nicht nur privat, sondern auch in meiner Bühnenperson offen lesbisch ist, was ich aber dennoch sehr wichtig fand, weil es echt ist, ich es bin und ich Menschen auch etwas mitgeben kann.

In der Weiterentwicklung zehn Jahre später ist es für mich aber nicht mehr so relevant. Es gibt dann mal Themen, was ich mit Juliette erlebe oder in der Community mitbekomme. Vielleicht bin ich sogar in einer Vermittlerrolle, die etwas weitergibt oder auf der anderen Seite auch kritisch beäugt, denn nur, weil ich selbst lesbisch bin, finde ich ja nicht alles automatisch gut, was in der Szene los ist. Ich wünsche mir aber, dass es einfach alles aufbricht und es kein Thema mehr ist. Gleichzeitig bin ich Menschen wie Hella von Sinnen wahnsinnig dankbar, denn wenn es keine Menschen gegeben hätte, die sich so eindeutig positioniert haben, wäre der Weg auch nicht weitergegangen. Ich setze mich da ja ins gemachte Nest und habe es sehr einfach, weil vor mir genügend offen laut waren.

Welche Frauen inspirieren dich besonders? Welche möchtest du mal treffen?

Ich schaue sehr gerne auch auf den amerikanischen Stand-Up-Markt. Dorthin schauen aber sowieso sehr viele auf, die deutsche Comedy machen. Ich finde Wanda Sykes großartig und Iliza Shlesinger. In Deutschland sind Frauen eher rar gesät. Carolin Kebekus war jahrelang on top, alle wurden immer mit ihr verglichen, auch ich. Das hatte aber damit zu tun, dass sie für einen langen Zeitraum leider die einzige wirklich Bekannte war. Eigentlich gibt es aber so viele mehr, die nur durch Corona ganz schön gestoppt wurden. Der Weg ist seitdem wesentlich schwieriger. Ich probiere ihnen aber immer zu sagen, dass sie unbedingt wieder mit Stand-Up anfangen sollen und gebraucht werden.

Mehr zu Tahnee auf ihrer Website, bei Facebook, Instagram und TikTok.
Anstehende NRW-Termine: 11.9. Eschweiler, 15.9. Düsseldorf, 18.9. Köln, 22.9. Bonn, 23.9. Dortmund, 25.9. Oberhausen, 2.10. Kleve, 3.10. Borken, 4.10. Neuss, 13.10. Siegen, 16.11. Krefeld, 17.11. Aachen, 18.11. Troisdorf, 21.11. Marl, 18.12. Wuppertal, 19.12. Bochum, 28.2.25 Münster, 7.3.25 Bergheim, 8.3.25 Mönchengladbach, 9.3.25 Alsdorf, 29.3.25 Köln, 31.3.25 Essen, 2.5.25 Attendorn, 3.5.25 Dortmund, 4.5.25 Duisburg, 25.5.25 Bielefeld

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