Sven Regener im Interview: Der dunkle Kern im Kunstwerk

Foto: Charlotte Goltermann
Teilen
Teilen

Mit 16 Jahren war Sven Regener Sekretär des Kommunistischen Jugendbundes in Bremen. Nach dem Abitur begann er ein Studium der Musikwissenschaften, das er aber letztendlich nicht abschloss. 1984 gründet Regener mit Element of Crime die Band seines Lebens. Nebenher etablierte er sich mit seinen Büchern (wie etwa „Herr Lehmann“ oder „Neue Vahr Süd“) zu einem der wichtigsten deutschsprachigen Schriftsteller. Wir haben uns mit ihm über seine Beweggründe als Musiker unterhalten.

Der Maler und Bildhauer Anselm Kiefer sagte mal, dass Kunst einen Schrecken haben muss, denn sonst wäre es ja nur Dekoration. Geben Sie ihm Recht? Und wenn ja: wie inszenieren oder übersetzen Sie den Schrecken‚ in einen Element of Crime-Song?
Mir ist das zu schematisch gedacht. Auch der Schrecken kann Dekoration sein. Und Kunst und Dekoration sind kein Gegensatz. Ich würde eher von einem dunklen Kern im Kunstwerk sprechen, den man nicht eindeutig erklären kann. Das Rätselhafte, Zweideutige ist das, was Kunst vom Kunsthandwerk unterscheidet. Davon ist viel im Werk von Element of Crime. Aber es liegt im Wesen dieser Dinge, dass man sie eben nicht einfach beschreiben oder aufzählen kann. Sonst bräuchte man ja die Kunst nicht.‚‚

Ihr aktueller Albumtitel „Schafe, Monster und Mäuse“‚ klingt nach Spaß. Das ist das zehnte deutschsprachige Element of Crime-Album. Wäre es denkbar, wieder eins in englischer Sprache zu machen?
Denkbar wäre das schon, aber es drängt uns im Augenblick nichts dazu. Es gibt noch so viele Songs auf Deutsch zu schreiben. Wir haben aber in den Nullerjahren mal für einen Film einen Song geschrieben, der hieß „Death Kills“, der hat uns viel Spaß gemacht. Insofern würde ich das nicht ausschließen.

Auf dem neuen Album ist der Song „Am ersten Sonntag nach dem Weltuntergang“. Sie singen dort: „Beim Kauf eines neuen Lebens gibt’s eine Gratis-Zigarre dazu“. Kriegt man ein neues Leben nicht mehr geschenkt? Oder wird nach dem Weltuntergang alles nur noch käuflich sein?
Sowohl als auch. Oder umgekehrt. Ich weiß es leider nicht. Aber die Zeile ist gut! Und: Wäre das neue Leben geschenkt, würde das mit der Gratis-Zigarre ja keinen Sinn machen. Jedes Lied hat einen Moment, wo ein Fisch anbeißt. Bei „Weißes Papier“ war es zum Beispiel die Zeile: „Ich nehm’ deine Katze und schüttel sie aus.“ Wir machen ja immer erst die Musik.

Wenn man dem, was man hat, nichts Neues mehr hinzufügen kann, dann wird es wahrscheinlich schwer.

Mit Gitarrist Jakob Ilja spielten Sie vor Element of Crime bei der Band Neue Liebe zusammen und mit Schlagzeuger Richard Pappik machen Sie schon 35 Jahre Musik. Was bedeutet es, so lange als Band zu spielen?
Wir haben kein inneres Regime, wo es einen Boss gibt, es läuft alles von alleine. Da kann man auch mal eine Viertelstunde zum Proben zu spät kommen – wo ist das Problem? Wenn eine Band so wäre, dass man sich schief anguckt, weil einer zu spät zum Musizieren kommt, dann würde sie nicht lange existieren. Man macht das ja nur so lange, weil es Spaß macht, weil es besser ist als alles andere und dazu immer noch neue Dinge passieren, neue Songs und so was. Wenn das mal aufhört, also wenn man dem, was man hat, nichts Neues mehr hinzufügen kann, dann wird es wahrscheinlich schwer. Aber so weit sind wir noch nicht.

Ab Ende April kommen Element of Crime auf große Tour – und spielen kreuz und quer von Wien bis Berlin. Wie hält man sich auf lange Strecke fit?
Wir sind ja unter sehr luxuriösen Bedingungen unterwegs und zwei Stunden Musik zu spielen ist vor allem Spaß. Insofern gibt es da eigentlich keine Probleme. Alle fünf, sechs Konzerte einen Tag frei zu machen, ist aber wichtig, sonst leidet irgendwann die Stimme. Aber das gute am Rock’n’Roll ist ja, dass wir unser Geld noch selber verdienen können. Wir sind nicht darauf angewiesen, dass uns ein Senat oder eine politische Stelle unter die Arme greift. Für Leute, die Theater oder Filme machen, ist das ja sehr viel schwieriger. Die brauchen Unterstützung und das schafft Abhängigkeiten.

Gehen wir mal etwas weiter in den Jahrbüchern zurück: Im Jahr 1992 spielten Element of Crime mehrere Konzerte im Vorprogramm von Herbert Grönemeyer. Wie schwer ist es, Support-Act zu sein? Denn die meisten Leute kommen ja wegen der Hauptband …
Das war sehr schwer. Man steht ja zwischen dem Publikum und seinem Liebling. Das finden viele nicht gut. Zumal das in Stadien stattfand und viele Kids ganz vorne schon seit Stunden in der prallen Sonne ausgeharrt hatten. Die wollten uns natürlich nicht. Aber Herbert hat die Band immer persönlich angesagt, das war super und hat viel gebracht. Wir machen das seitdem auch immer bei unseren Vorgruppen. Aktuell haben wir Isolation Berlin dabei. Das ist eine Spitzenband und man sollte sie auf keinen Fall verpassen. Wir kennen sie schon länger und sind froh, dass sie mitkommen können.

Element of Crime: 13.5., Jahrhunderthalle, Bochum

Beste Events, Trends und Reportagen für die Rhein-Ruhr-Region