Patrick Salmen im Interview: Ekstase und Bratkartoffeln

Patrick Salmen | Foto: Timothy O´Sweebe
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Patrick Salmen startete seine Karriere auf den Poetry-Slam-Bühnen der Region, liest inzwischen aber in ganz Deutschland vor ausverkauften Häusern. Uns verrät er im Interview, ob er lieber Schreiberling oder Rampensau ist, was ihn in Ekstase versetzt und warum ihm alte Damen Pfandflaschen in den Buggy legen.

Warum hast du dich entschieden, Bühnenmensch und Buchschreiber zu werden – und dein Lehramtsstudium dafür abzubrechen?
Das war eigentlich nie eine bewusste Entscheidung. Ich habe schon immer gerne Geschichten geschrieben und irgendwann konnte ich plötzlich davon leben, weil Menschen meine Bücher gekauft haben oder zu Shows gekommen sind.

Was inspiriert dich mehr – Menschen oder Dinge?
Es gibt vieles, was mich inspiriert. Menschliches Handeln, Widersprüchlichkeiten in eigenen Moralvorstellung, Sprache, gesellschaftliche Entwicklungen, Urbanität, Kulturen, Kunst, aufgeschnappte Gesprächsfetzen im Zug …

Bist du eher Rampensau oder Schreiberling?
Eher Schreiberling. Auch wenn ich wahnsinnig gerne vorlese und es genieße, Menschen zum Lachen zu bringen, ist es mir bis heute fast ein bisschen unangenehm, so sehr im Mittelpunkt zu stehen. Manchmal fehlt mir da das Selbstbewusstsein. Aber noch unangenehmer wäre es mir, wenn jemand anderes meine Texte auf der Bühne präsentieren würde.

Dein neues Programm zum im Dezember erschienenen Buch heißt „Ekstase“ – was versetzt dich denn in ekstatische Zustände?
Nette Menschen und gutes Essen! Bratkartoffeln versetzen mich in einen Zustand von Trance den jedwede Designerdroge nie erreichen könnte.

Dein letztes Buch hieß „Treffen sich zwei Träume. Beide platzen“ – welche deiner Träume sind denn schon geplatzt?
Da gibt es einige! Früher wollte ich sehr gerne seriöser Romanautor werden, aber durch meine Neigung zu Albernheit und absurder Komik habe ich mir den Weg wahrscheinlich jetzt schon verbaut. Für das Feuilleton bin ich jetzt der „Comedy-Typ“. Für die Comedy-Branche wiederrum bin ich der dubiose Vorleseonkel. Mittlerweile ist mir das aber relativ egal und ich versuche im Graubereich zwischen ernster und unterhaltender Kunst irgendwie mein Ding zu machen.

Eine Leserkritik auf amazon.de – wie man weiß, der Maßstab aller Dinge – bemängelt, dass dein „Blick für die Details unserer Gesellschaft“ leider „ausschließlich negativ“ sei. Ist das so?
Ohne dieses Interview hätte ich von dieser Kritik jedenfalls nie erfahren. Werde da nun vermutlich länger drüber nachdenken, als es mir lieb ist. Wenn man mein Buch immer abwechselnd mit einem Glücksratgeber von Eckhart von Hirschhausen liest, müsste sich das aber vermutlich im Neutralen einpendeln.

Im menschlichen Scheitern steckt schon wesentlich mehr Komik als in Erfolgsgeschichten.

Kann ein negativer Blick trotzdem ein humorvoller sein?
Im menschlichen Scheitern steckt schon wesentlich mehr Komik als in Erfolgsgeschichten. „Heute aufgewacht, Sonne scheint, Leute nett, alles super!“ – will doch keiner hören. Ehrlich gesagt, finde ich meinen Blick aber überhaupt nicht so negativ. Vielleicht überwiegt manchmal eine gewisse Grundskepsis, aber ich sehe mich weniger als zynischen Dauernörgler. Das wäre ehrlich gesagt sogar mein größter Albtraum, irgendwann so einen reaktionären Kabarettduktus zu bekommen! Freunde und treue Leser sagen sogar, mein Grundton sei positiver als jemals zuvor. Sie waren nahezu erschrocken, was für ein lebensbejahender Sonnenschein aus mir geworden ist.

Foto: Droemer Knaur

Du fühlst gerne aktuellen Trenderscheinungen auf den Zahn – von Street Food über Achtsamkeits-Apps bis Hygge kriegen alle ihr Fett weg. Spürst du schon, was der nächste Trend wird?
Das weiß ich nicht. Meine Kritik gilt aber weniger den eigentlichen Trends, als vielmehr dem Umgang damit. Achtsamkeit ist zum Beispiel etwas wahnsinnig Wichtiges und wir alle tun gut daran, uns wieder mehr Ruhezeiten einzugestehen und zu lernen, aktiv Langeweile zuzulassen. Mich nervt eher die ganze Inszenierung und diese Ratgeberkultur, die sofort alles zur Religion erhebt und dann irgendwelche überbezahlten Lifecoaching-Eumel ausbrütet. Es ist doch eigentlich sehr simpel: Rausgehen, Handy aus, Schnauze halten. Und atmen nicht vergessen.

Du kommst aus Wuppertal – was verbindest du mit der Stadt?
Die meiste Zeit habe ich im Luisenviertel gelebt. Mein Lieblingsfleck in Wuppertal ist aber definitiv die Nordstadt. Ein pluralistischer Ort voller Möglichkeiten. Vor allem das ganze Utopiastadt-Projekt hat es mir sehr angetan. Mit welcher Leidenschaft dort aktiv Stadtteilentwicklung betrieben wird, ist beeindruckend! Vielleicht sogar das Herz der Wuppertaler Kulturszene.
Du hast lange in Dortmund gelebt – ist die Stadt ein guter Standort für eine Karriere auf der Bühne?
Ich habe etwa sechs Jahre in Dortmund gelebt. Für das Tourleben ist das Ruhrgebiet optimal, durch die zentrale Anbindung erreicht man ganz Deutschland unkompliziert. Vor vier Monaten bin ich umgezogen. Eigentlich wollte ich nach Wuppertal, bin aber in Schwelm gelandet. Bisweilen erweist sich das Kleinstadtleben als krasser Kontrast zu den urbanen Szenebezirken. Neulich habe ich meinen Sohn zur Kita gebracht und auf dem Rückweg hat mir eine ältere Dame eine Pfandflasche in den leeren Buggy gelegt. Entweder sind die modernen Rollenbilder noch nicht zu ihr vorgedrungen oder ich sollte mich mal wieder rasieren. Aber ich genieße die Ruhe hier. Wobei ich auch Angst habe, seltsam zu werden. Neulich habe ich mir eine Multifunktionsjacke gekauft. Der Anfang vom Untergang!

Du hast schon mit Torsten Sträter und Quichotte zusammengearbeitet. Mit wem würdest du noch gerne kollaborieren?
Ich mag die Symbiose von Literatur und Musik, daher: Mit Jonas David und Jan Röttger habe ich bereits einige schöne Gigs gehabt. Mit Horst Wegener würde ich gerne zusammenarbeiten. Außerdem ist seit langer Zeit schon eine Tour mit Enno Bunger geplant.

Nach Rap-Projekt, Rätselbuch und Kinderliteratur – was steht jetzt an?
Tatsächlich arbeite ich seit langem an einem Roman. Um den fertigzuschreiben, werde ich aber eine längere Bühnenpause benötigen. Ansonsten habe ich mir fürs neue Jahr vorgenommen, etwas weniger zu arbeiten, um mehr Zeit für Freunde und Familie zu haben.

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