Auch wenn’s im Herzen blutet, aber ja, Summer is over, Leude! Doch nutzt den farbenfrohen Übergang und macht einen angenehm raschelnden Herbstspaziergang zu eurem liebsten Fleckchen Natur – vielleicht mal ganz allein nur mit neuer Musik auf den Ohren? Die kommt selbstredend aus unserer stets motivierten Musikredaktion und hat alles dabei, was NRW aktuell so droppt. Viel Spaß!
Bettina Henrich – Like A Rocket
Aus Düsseldorf sendet Bettina Henrich eine EP, deren Stil sie selbst als „Parrot Pop Jazz“ bezeichnet – eine Kombination aus Pop, Jazz, Brazilian Music, Folk, Blues, Reggae und Soul. Für die, die sich nicht entscheiden mögen, gibt es auf „Like A Rocket“ also einmal alles. Die sechs von ihr selbstgeschriebenen Songs sind leichtfüßig, beschwingt, verbreiten meist eine sehr postive Atmo und haben diese auch in den Lyrics. Der Titeltrack hat die Worte „Empathy, it can be like a rocket!“, und von Empathie gibt es bekanntlich nie genug. Inspiriert dazu haben sie Seenotretter:innen, die an Europas Außengrenzen Menschen aus den Meeren retten. Hach, da geht aber auch wirklich das Herz auf. Neben „Like A Rocket“, das ein herrlich Calpyso-artiges Intro bereithält, ist für den anstehenden Herbst besonders „No More Grey“ ein Stimmungsaufheller – auch wenn wir befürchten, dass Grau in den nächsten Wochen Trendfarbe sein könnte. Bereits veröffentlicht
Jules Ahoi – Magnolia (The Bauhaus Tapes)
Artfolk nennt Jules Ahoi seinen Stil auf dem neusten Album. Der Zusatz „The Bauhaus Tapes“ ist natürlich kein Zufall. Denn der aus Köln stammende Musiker, der aber gerne mit einem Van durch die Welt tingelt und mal hier, mal da ansässig ist, hat einen Monat lang in einer Künstlerresidenz im Weltkulturerbe Bauhaus Dessau in Sachsen-Anhalt verbracht. Die Texte für das zehn Tracks umfassende Werk „Magnolia“ entstanden stilecht auf einer alten Schreibmaschine. All diese besonderen Eindrücke werden auf der spannenden wie entspannenden LP widergespiegelt, die an das gute Zeug von Bon Iver erinnert. Jules ist mittlerweile Mitte 30, hat in den letzten Jahren nochmal ordentlich an Reife und Erfahrung dazu gewonnen. Fragilität, aber auch selbstbewusste Überzeugung von dem, was man da tut, treffen beim Zuhören genau den richtigen Nerv. Streicher, sanfte Gitarren und auch weibliche Backgroundvocals runden den anschmiegsamen Sound hervorragend ab. Richtig gut. Bereits veröffentlicht
Marcus Schinkel – Play Bach Reloaded
Wer bei Johann Sebastian Bach direkt an Orgelmusik denkt, liegt natürlich generell nicht falsch. Dass die Musik des Barock-Komponisten aber auch ganz anders erklingen kann, zeigt Marcus Schinkel. Der in Essen geborene und in Hagen aufgewachsene Diplom-Pianist bezeichnet seinen Stil selbst als Crossover. Und tatsächlich hört man Klassik so selten bis nie. In frische Jazz-Arrangements gepackt, holt der 56-jährige mit seinen beiden Kollegen aus mehreren bekannten Bach-Stücken besondere Facetten hervor, sodass die Klavierläufe 1a-Jazz-Lounge-Feelings zaubern, die Drums dem Ganzen noch einen rockigen Anstrich verpassen und zwischendrin auch noch ein paar Bläsersounds zwischengespielt werden. Beim Präludium in C-Dur wird es somit so swingig wie noch nie, die Toccata in d-Moll behält zwar ihre gruftig-gruselige Grundstimmung, hat aber ganz viel Leidenschaft geatmet. Jazz- wie Klassik-Fans sollten hier gleichermaßen reinhören, sind die 8 Aufnahmen nämlich mit vielen coolen und handwerklich überragenden Überraschungen gespickt. Bereits veröffentlicht
Querbeat – Barcelona Tapes EP
Nix mehr Karnevalsband. Auch wenn Querbeat aus Bonn mit ihren weit nach vorne treibenden Brass-Rhythmen den Kölschen Karneval nahezu revolutioniert haben, hat sich die 13-köpfige Riesen-Kombo um Sänger Jojo so langsam von dem eher regionalen Sound freigeschwommen. Auf der neusten EP „Barcelona Tapes“, die als Überbrückung zum Nachfolger vom richtig gut laufenden, aber schon 2021 erschienen „Radikal positiv“ dient, gibt es in 19 Minuten 7 etwas verspätete Sommertracks, die das Flaniergefühl der Spanienmetropole ins herbstliche NRW holt. Dabei pfeift man auf Konventionen und gibt trotz kurzer Spieldauer sogar gleich mehrfach Raum für fette Brass-Soli. Im Sound spaziert man zwischen Reggae, Ska und leicht hip-hoppigen Pop-Songs. Culcha Candela nach einer Frischzellenkur sozusagen. „Südsee 96“ ist ein Banger, bei dem man schnell die Stimmbäner heiser schreien möchte, in „Keine Ahnung / Mari Carmen“ hat man sogar eine echte Band aus Barcelona als Feature am Start. Chillig. Wer kommt mit Flug buchen? Bereits veröffentlicht
H-Blockx – Time To Move
1994 fegt von Münster aus ein Orkan durch die Musikszene. Die H-Blockx gründen sich bereits vier Jahre vorher am Gymnasium Wolbeck und bringen Mitte der 90er ihr Debüt „Time To Move“ heraus. Da sind die Bandmitglieder alle so 23 Jahre alt. Das Album wird schnell mit Gold veredelt und hält sich über ein Jahr in den Charts. Sechs weitere LPs sollen folgen. Eine Story, die sich sehen lassen kann und an der man nur sehr schwer vorbeikam. Zum großen Jubiläum gehen Henning Wehland und seine Jungs diesen Herbst auf große Geburtstagstour – Stopps sind u.a. in Köln, Dortmund und Münster – und bringen im selben Monat wie damals, nämlich September, das große Ding erneut auf Vinyl raus, war es jahrelang nirgendwo mehr zu kriegen. „Move“, „Risin‘ High“, „Revolution“, „Little Girl“ oder „Fight the Force“ waren weit ihrer Zeit voraus, gab es doch zig Nachfolger:innen, die die H-Blockx als Inspirationsquelle erwähnten. Ohne Frage wird auch dieses Jahr wieder der Orkan spürbar sein, haben die Hits klaren Kultcharakter, zeigen den Sound der Zeit in a nutshell und bocken immer noch so richtig. VÖ: 27.9.
Höhner – 11+11
Einstandsprobe: Auch wenn Patrick Lück bereits seit drei Jahren Sänger bei den Höhner ist, so erscheint nun das erste Album mit ihm als Frontsänger. Sechseinhalb Jahre nach „Wir sind für die Liebe gemacht“ folgt endlich die neuste LP der Kölner Kultband, das den wirklich äußerst passenden Titel „11+11“ trägt. Auf der einen Seite ist der 11.11. natürlich für sämtliche Menschen der Domstadt ein inoffizieller Feiertag, nämlich die Eröffnung der Karnevalssession – andererseits beinhaltet das Doppelalbum sowohl elf neue Songs als auch elf neue Versionen von Höhner-Classics, nur eben mit Peter am Mikro. Hat man sich einmal daran gewöhnt, dass Henning nach 50 (!) Jahren die Band schweren Herzens verlassen hat und die Stimme nun eben etwas anders klingt, ist vieles beim Alten. Liebesbekundungen an die Herzensstadt („He un jetz“, „Kölle (Mi Levvenselixier)“), aber auch nachdenklichere Balladen wie „Engel vun Linie 8“ sind für Fans so etwas wie „Zukunfts-Klassiker“ – Songs, die eben zu Klassikern aufsteigen werden. Von den Neuaufnahmen stechen „Hey Kölle“ und „Jetzt geht’s los“ besonders hervor. VÖ: 4.10.
Ben Mwanga – Inspired
Das Gesicht kann einem durchaus bekannt vorkommen – Benito Bause, 1991 in Warstein geboren und unter anderem in Lüdenscheid aufgewachsen, konnte bereits Preise gewinnen. Allerdings als Schauspieler. In der Hauptrolle der ARD-Miniserie „All You Need“ begeisterte er die queere Community, in der ZDFneo-Serie „Doppelhaushälfte“ schließlich auch noch die Filmkritiker:innen. Nun soll aber seine zweite Leidenschaft mehr in den Fokus rücken. Als Ben Mwanga veröffentlicht das Multitalent nun ein unglaublich schönes und berührendes Debütalbum mit dem Namen „Inspired“. Eigentlich braucht es nur wenige Sekunden, um sich von dem soulig-warmen Timbre des Wahlberliners anstecken zu lassen, das mit ganz viel Feingefühl die auch so schon sehr hübschen, ruhigen Singer/Songwriter-Nummern zu einem richtig wohltuenden Erlebnis macht. Ob ein wenig leichter wie im Titeltrack, etwas jazzy wie in „Your Smile“ oder doch kuschelig-liebestrunken wie in „What We Found“ – absolut hörenswert. VÖ: 11.10.
Suzan Köcher’s Suprafon – In These Dying Times
Sie kommt aus Solingen, ist türkischer Abstammung, klingt aber so dermaßen nach Ami-Retro-Psychedelic, dass man von allein niemals erahnt, hier einen NRW-Act zu hören: Die 29-jährige Suzan Köcher und ihre Band Suzan Köcher’s Suprafon hat ordentlich Film Noir im Blut. Das ist betörend, groovend, ein wenig lasziv und verträumt. Mit ihrem neusten Album „In These Dying Times“ geht es fast eine Dreiviertelstunde in längst vergangene, aber nie vergessene Zeiten. Zeiten von Woodstock. Ob drei Minuten oder neun – Songs brauchen eben so lange, wie sie brauchen. Ganz besonders der epische Abgang in „Desert Air Motel“ feiert sich und endlose Gitarren- und Synthie-Soli, die einen richtig reinsaugen. Dazu die moderne, ASMR-artige Stimme der Frontfrau und snap, besitzt Album alles, was es braucht, um als echt gelungen wahrgenommen zu werden. Passend zur Jahreszeit ist unser Anspieltipp „Falling for Autumn“. VÖ: 11.10.
Neumatic Parlo – Play It As It Lays
Joan Didion starb Ende 2021 im Alter von 87 Jahren. Ihr feministischer Roman „Play It As It Lays“, der erstmalig 1970 veröffentlicht wurde, befasste sich damit, wie man aus einer äußerst schwierigen Situation das Maximum für sich herausholt. Neumatic Parlo, eine fünfköpfige Band aus Düsseldorf, nehmen genau jenes Werk als Inspiration für ihr Debüt. Einige Bandmitglieder kennen sich seit der Grundschule, andere lernt man im Plattenladen kennen. Der Traum einer Bandgründung steht schon ewig im Raum. Auf dem zehn Tracks umfassenden Longplayer findet sich stark produzierter Indie-Rock, der teilweise gut ballert, dann aber einfach nur dazu bewegt, im Club die Augen zu schließen und den Körper kreisen zu lassen. Mit einem unverkennbaren 2000er-Retrosound bringen Sänger Vincent und seine Jungs gehörig Drive ins Ohr und sorgen mit Kraut- und Psychedelic-Rock-Hymnen für philosophische Auseinandersetzungen mit sich selbst. Schadet bekanntlich eh nie. VÖ: 18.10.
Bush.ida – Bush zu Bi
Queeren Deutsch-Rap sucht man bisher meist mit der Lupe. Kein Wunder, hat die Szene schließlich lang und oft genug betont, dass für queere Menschen hier kein Platz sei. Doch nach Kay Shanghai geht nun der nächste Act an den Start und zeigt, dass auch nicht-heteronormative Texte sehr gut in ein Reimschema passen. Bush.ida, eigentlich aus Bayern, aber lebend in Köln, packt feministische Themen über Frauen, die Frauen lieben, in ganz schön derbe Beats. Vor allen Dingen der Opener auf der 5-Track-EP „Bush zu Bi“ mit dem zweideutigen Namen „Schlaraffenland“ haut ordentlich raus und erinnert an die Band Blond. Dann wird es mit „Kundalini“ sehr tanzbar und elektronisch, mit „Goddess“ aber heftig trappig. Gibt der Szene eine gute Würze und zeigt, dass man im Deutsch-Rap in dieser Hinsicht noch aus den vollen Schöpfen kann. Übrigens ist das Ganze auch optisch spannend gemacht. Checkt mal die Social-Media-Videos. VÖ: 25.10.
Was bisher geschah