Minimalismus-Dokus im Stream: Die Kunst des Konsumverzichts

Foto: tu tu on Unsplash
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Weniger Haben und mehr Sein lautet die Devise von Minimalisten. Menschen dieses Schlages fahren ihren Konsum runter, um einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen, mehr freie Zeit zu haben und abseits gesellschaftlicher Zwänge leben zu können. Wie sieht aber die Lebensrealität in einem Tiny House aus? Ist es wirklich möglich, im Alltag mit nur 100 Dingen klarzukommen? Und ist Konsumverzicht sogar unverzichtbar, wenn wir unseren Planeten weiterhin erhalten wollen? Wir haben euch einige inspirierende Dokus über Aussteiger, Aktivisten und Konsumverweigerer zusammengestellt.

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Internationale Minimalismus-Dokus

Minimalism: A Documentary About the Important Things

Was wirklich zählt: Der Filmemacher Matt D’Avella begleitet in seiner Doku die besten Freunde Ryan Nicodemus und Joshua Fields Millburn, besser bekannt als „The Minimalists“. Beide hatten eine steile Karriere hingelegt, bevor sie sich dazu entschlossen, aus ihrem ermüdenden Hamsterrad mit 16-Stunden-Arbeitstagen auszusteigen, das meiste ihres Besitzes zu verkaufen und fortan über ihr konsumärmeres, aber erfüllteres Leben zu schreiben (Link zur Webseite). Die Doku setzt am Beginn einer Lesereise ein: Für ihr neues Buch „Everything that remains“ fahren sie ein Jahr lang in einem klapprigen Wagen quer durch die Staaten, um ihre Idee unter die Leute zu bringen. Erst mit mäßigem, dann mit immer größerem Erfolg. Dieser sehr persönliche „Roadmovie“-Erzählstrang wird aufgelockert durch Kurzporträts von minimalistischen Vollzeit-Reisenden, Tiny-House-Bewohnern und anderen Lebenskünstlern, die Matt D’Avella für seinen Film ebenfalls besucht hat. Außerdem kommen jede Menge Experten zu Wort, die die Mechanismen hinter unserem maßlosen Konsumverhalten  beleuchten. Tiefgründig, umfangreich und dabei unterhaltsam erzählt.
Minimalism: A Documentary About the Important Things: Netflix, 78 Minuten, Englisch mit deutschen Untertiteln

My Stuff – Was brauchst du wirklich?

Ein von seiner Freundin verlassener Finne wagt ein radikales Selbstexperiment. Er räumt seine Bude leer und schließt all seinen Besitz (inklusive Klamotten) in einem gemieteten Lagerraum ein. Sein Ziel: Herausfinden, was er wirklich braucht. Der Finne ist Filmemacher Petri Luukkainen und die Dauer seines Experiments beträgt ein Jahr. Für seinen Selbstversuch stellt sich der Mittzwanziger verschiedene Regeln auf: Pro Tag darf er nur einen Gegenstand aus seinem Depot zurückholen und Neukäufe sind ebenfalls verboten. Die Dokumentation stellt die Frage nach den essenziellen Dingen des Lebens. Welche Grundbedürfnisse müssen erfüllt werden? Was steigert die Zufriedenheit? Und welche Luxusdinge kosten in Wirklichkeit mehr Nerven, als sie einem Punkte auf der Glücksskala einbringen? Wer einen jungen Mann nackt durch den finnischen Winter rennen sehen will, sollte unbedingt reinschauen!
My Stuff – Was brauchst du wirklich?*: Amazon Prime, 79 Minuten, Finnisch mit deutschen Untertiteln

Deutschsprachige Minimalismus-Dokus

Wie viele Dinge brauchen wir wirklich?

Gleiche Idee, anderes Setting: In der NDR-Doku „Wie viele Dinge brauchen wir wirklich?“ versucht sich Familie Heisler aus Hamburg an einer komprimierten Form des von Luukkainen entworfenen Experiments. Dazu verladen die drei ihren gesamten Hausstand in Container (Keine Sorge, ihre Klamotten behalten sie an). Erste Erkenntnisse beim Einräumen: Mutter Solveig besitzt ganze sechzig Langarmshirts. Ob sie die alle behalten wird? Fünf Tage lang will die Familie auf ihre Alltagsgegenstände verzichten. Auch sie dürfen sich pro Tag und pro Person nur eine Sache zurückholen. Da werden Smartphone und Fernseher plötzlich wesentlich uninteressanter als Handtuch oder Matratze. Zwischendurch werfen Experten wie die Journalistin Kathrin Hartmann, der Historiker Frank Trentmann oder der Soziologe Hartmut Rosa Schlaglichter auf die Anfänge und die Problematiken unseres erhöhten Konsums.
Wie viele Dinge brauchen wir wirklich?: ARD Mediathek (verfügbar bis 24.6.) oder Youtube-Kanal „NDR Doku“, 44 Minuten

Wohnen: Leben im Mini-Haus

Die knapp halbstündige WDR-Doku „Wohnen: Leben im Mini-Haus“ beschäftigt sich mit dem aus den USA herübergeschwappten Trend der Tiny Houses. Die Idee, in ein wenige Quadratmeter großes Eigenheim auf Rädern zu ziehen, statt jahrzehntelang einen Kredit fürs Haus abzuzahlen, hat in den USA nicht zuletzt durch die Immobilienkrise 2007 neuen Aufwind erfahren. Die Doku erzählt zwei Geschichten: Die eines Paares, das gerade ihr Mini-Haus in einer Schreinerei in Hamm fertigen lässt und die eines ehemaligen IT-Beraters, der sich auf einem Campingplatz in Hessen zur Ruhe gesetzt hat, um seine Rente in einem selbstausgebauten Mobilheim zu genießen. Aber auch die Schwierigkeiten dieses Lebensstils lässt der Film nicht außer Acht: Mini-Häuser sind oft schwierig zu transportieren, Baugrund ist knapp und es gibt kaum legale Stellplätze, da dauerhaftes Wohnen – zumindest auf Campingplätzen in NRW – verboten ist. Hier wird ein Lebenstraum einem gründlichen Realitätscheck unterzogen!
Wohnen: Leben im Mini-Haus: Youtube-Kanal „WDR Doku“, 29 Minuten

Die Konsum-Aussteiger: Mit Kindern im Mini-Haus

Tiny-Häuser sind nur etwas für Singles oder Paare? Zwei junge Familien beweisen das Gegenteil. Da wären zum einen Alina und Flo, die mit ihren beiden Töchtern eine Jurte bewohnen und zum anderen Katharina und Kolja, die sich in monatelanger Arbeit ihr fahrbares Eigenheim zusammengezimmert haben, um mit Tochter Klara dort einzuziehen. Die WDR-Doku „Die Konsum-Aussteiger: Mit Kindern im Mini-Haus“ zeigt die Motivation vieler Tiny-Häuslebauer: Sie wollen mit dieser Wohnform nicht nur Geld sparen und Ressourcen schonen, sondern auch mehr Zeit miteinander verbringen und naturnäher leben. Dass das Aussteiger-Dasein manchmal alles andere als idyllisch ist, erfahren die Familien am eigenen Leib. Hier zerstreitet man sich mit der Hofgemeinschaft, dort zieht man kurzzeitig doch wieder in eine Mietwohnung. Und bei jedem Umzug drängt sich die Frage auf: Soll man die Kids aus ihrer gewohnten Umgebung reißen? Diesen Schattenseiten stehen aber auch viele positive Erlebnisse gegenüber. Die Doku weckt in jedem Fall Sehnsüchte bei allen Kindern der 80er, die schon immer wie Peter Lustig im Bauwagen hausen wollten.
Die Konsum-Aussteiger: Mit Kindern im Mini-Haus: Youtube-Kanal „WDR Doku“, 43 Minuten

Schluss mit Überfluss – Von Minimalisten und Konsumverweigerern

Ein ehemaliger Golflehrer, eine Osteopathin und eine alleinerziehende Mutter haben den ungebremsten Konsum satt. Sie wählen teils radikale, teils weniger radikale Lösungen aus ihrem Dilemma: Der Erste lebt abseits der Zivilisation in einer Hütte im Wald, die Zweite verkauft ihr 200 Quadratmeter großes Haus und zieht in eine Gartenlaube und die Dritte möchte kategorisch ausmisten und ihren Besitz um mindestens die Hälfte reduzieren. In seiner Reportage für das ZDF deckt Florian Frei die Beweggründe auf, warum Menschen ihr Leben komplett auf den Kopf stellen. Sei es die Trennung vom Partner, der Wunsch nach mehr freier Zeit oder eine Krankheit, die einen nicht mehr so weitermachen lässt wie bisher. Minimalismus wird hier als Möglichkeit zur Befreiung dargestellt, als eine Reduktion aufs Wesentliche, die einem zeigen kann, was im Leben wirklich wichtig ist.
Schluss mit Überfluss – Von Minimalisten und Konsumverweigerern: verfügbar auf zdf.de bis  22.10.22, 29 Minuten

Deutschsprachige Minimalismus-Reportagen

Puls Reportagen

Die rund fünfzehnminütigen „Puls Reportagen“ des Bayerischen Rundfunks richten sich insbesondere an junges Publikum und sind allesamt auf Youtube verfügbar. Die Reporter Ariane Alter, Nadine Hadad und Sebastian Meinberg unternehmen auf ihrem Kanal verrückte Selbstversuche, führen Interviews mit Fachleuten und besuchen interessante Menschen in den unterschiedlichsten Lebenslagen. Gleich mehrere Kurzreportagen widmen sich dabei den Themen Minimalismus, Nachhaltigkeit und Zero-Waste. So versucht Sebastian unter anderem in einem Tiny House zu wohnen oder zwei Wochen lang mit nur hundert Dingen auszukommen. Ariane hingegen trägt 14 Tage lang zwei Outfits im Wechsel, probiert Plastikmüll im Bad zu vermeiden und kämpft mit der immensen Klamottenmenge in ihrem Kleiderschrank. Kurzweilig und sehr informativ!
Puls Reportagen, Youtube, je ca. 15-20 Minuten

Reportagen vom Y-Kollektiv

Das Y-Kollektiv, ein Zusammenschluss junger Journalisten, dreht ebenfalls kurze Reportagen, nicht nur, aber auch zum Thema Minimalismus. Das Kollektiv gehört zu „Funk“ dem Online-Angebot von ARD und ZDF für Jugendliche und junge Erwachsene. Aber keine Sorge, auch Älteren dürfte der zwanglos direkte Stil der Beiträge gefallen. In „Minimalismus – Warum dieser Lifestyle glücklich macht“ reist etwa die Reporterin Johanna Maria Knothe 36 Stunden durch Deutschland, um Minimalisten zu treffen, die sich ihren Traum vom reduzierten Leben erfüllt haben. Wie Steffi und Phillip, die nach Oberfranken in ein Tiny House Village gezogen sind oder Tobi, der in einem umgebauten Rettungswagen (Baujahr 1992) wohnt. Auch empfehlenswert ist die Reportage: „Die Konsum-Aussteiger: nachhaltig und achtsam leben“.
Reportagen vom Y-Kollektiv, Youtube, je ca. 15-20 Minuten

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