Multikultiple Persönlichkeit: Liza Kos im Interview

Kulturelle Rollenspiele mit Liza Kos | Foto: Michel Kitenge
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Liza Kos ist Russin, lebt seit ihrer Kindheit in Deutschland und spricht fließend Türkisch. Vor allem ist die Comedienne aber eines: lustig! Die Mischung aus gelebter Integrationsgeschichte und pointierten Wortwitzen brachte die Aachenerin kürzlich sogar zusammen mit Carolin Kebekus und Fatih Cevikkollu in „Die Anstalt“. Bevor sie im November nach Düsseldorf kommt, trafen wir das „Multikulti-Talent“ zum Interview.

Dein Programm heißt „Was glaub’ ich, wer ich bin?“. Was glaubst du, wer du bist?
Ich glaube manchmal, ich bin als Außerirdische hier gelandet. Jede Identität engt ein. Wenn man sagt, ich bin die Russin, ist das auch abgesehen von den Klischees etwas, das viel mit sich bringt. Und ich tue mich schwer mit Grenzen. Ich bin ein Mensch, erst mal. Aber auch mit vielen menschlichen Sachen kann ich nicht so viel anfangen. Der Mensch ist aber immerhin vielseitig.

Wenn du sagst, du tust dich schwer mit Grenzen: Was hältst du generell von Schubladen?
Ich verstehe ihre Existenz. Die Menschen brauchen Halt. Aber man sollte über den eigenen Tellerrand gucken und sich rauswagen. Deswegen habe ich auch einen Schlenker in den Islam und in die türkische Kultur gemacht. Ich habe überhaupt keine Berührungsängste. Und ich wünschte mir, dass die Menschen ihre Sicherheit wenigstens mal vorübergehend verlassen könnten und sich Dinge aus der Nähe, vielleicht sogar von innen anschauen. Dann würden sie alles ganz anders verstehen. Andere Schubladen ausprobieren, schauen, ob man reinpasst und die Menschen, die sich in der Schublade befinden, besser verstehen.

Wie würdest du die Art von Comedy beschreiben, die du machst?
Ich bin immer ein sehr introvertierter Mensch gewesen. Inzwischen ist das eher fifty-fifty. Deshalb bin ich auf der Bühne auch nicht so voller Action. Ich bin ein verbaler Mensch, eher ruhig, mit kaltem und trockenen Humor, mal mit einem sehr lieblichen und süßen Lächeln, manchmal auch ein bisschen böse. Aber nicht übertrieben, weil ich eigentlich ein viel zu lieber Mensch bin. Deswegen fällt es mir auch schwer, beispielsweise einen Politiker verbal anzugreifen. Da fühle ich mich nicht wohl. Beobachtungen zu schildern und in verschiedene Rollen zu schlüpfen, ist mein Ding.

Wie kamst du als introvertierter Mensch auf die Bühne?
Zitternd. Aber ich habe die Einstellung: Was mir Angst macht, da geh ich mal hin. Das reizt mich dann als Übung. Ich finde auch nicht, dass das Introvertiert-Sein ein Gegensatz zur Bühne ist. Die Bühne gibt einem die Möglichkeit, laut zu sein, ohne sich anzustrengen. Ein introvertierter Mensch sitzt in einer Menschenmenge und es fällt ihm schwer, gegen alle anzuschreien. Mit dem Mikro in der Hand hast du die Macht. Du kommunizierst mit dem Publikum und es antwortet dir, wenn du das erlaubst.

Mit dem Mikro in der Hand hast du die Macht. Du kommunizierst mit dem Publikum und es antwortet dir, wenn du das erlaubst.

Gibt es etwas, das du nicht wagen würdest?
Dinge, die mit einem enormen Risiko verbunden sind. Wo man denkt, das wäre jetzt ein dummer Tod. Ich möchte einen schlauen Tod.

Wie bist du eigentlich zur Comedy gekommen? Du hast mit Musik angefangen, richtig?
Ja. Mein Vater ist Musiker. Ich sage immer, er hat mich in die Musikschule gebracht, als ich sechs war und mit 14 Jahren wieder abgeholt. Das stimmt natürlich nicht ganz, aber ich habe die klassische russische Musikschulausbildung absolviert. 2011 habe ich damit angefangen, Lieder zu schreiben. Ich bin mit lustigen und ernsten Songs auf die Bühne gegangen und habe zwischendurch auch ein paar Sachen erzählt. Da habe ich gemerkt: Oh mein Gott, das kann ich doch! Humor habe ich von meinem Vater gelernt. Er hat einen zynischen Humor, davon habe ich als Kind sehr viel eingesaugt. Dann hieß es oft: Warum bist du so frech? Dabei habe ich eigentlich nur meine Eltern gespiegelt.

Ist der Begriff „Integrations-Comedy“ eigentlich von dir?
Ich glaube nicht. Den Begriff hat man mir irgendwann mal zugeschrieben. Wenn ich mich selbst beschreibe, sage ich multikultiple Persönlichkeit. Und Multikulti-Talent. Und integrierteste Russin Deutschlands, weil ich perfekt Türkisch spreche. Aber klar, es geht in meinem Programm die ganze Zeit um Integration, weil es um mein Leben geht.

Wie hältst du es überhaupt mit nationalen Identitäten? Du bist aus Russland nach Deutschland gekommen, hast einen Ausflug in den Islam unternommen und dein Vater kommt ursprünglich aus der Ukraine…
Ich bin ein sehr offener Mensch. Kosmopolitisch, kann man sagen. Innendrin bin ich gegen alle Grenzen. Ich setze mich für die Gleichberechtigung der Frauen und der LGBT-Community ein sowie gegen Islamophobie. Und da merke ich sehr schnell, dass es russischsprachige Menschen – auch in Deutschland – gibt, die das nicht so cool finden. Ich habe dazu mal ein Statement auf Facebook geschrieben und dann wurde mir gesagt, es sei kein gutes Zitat in Zeiten der Russland-Phobie. Aber ich sehe das anders. Die Menschen, die homophob sind, sind meiner Meinung nach instrumentalisiert worden vom Gesetz gegen homosexuelle Propaganda. In Russland ging es schon mal viel toleranter zu, in den Neunzigerjahren zum Beispiel. Ich finde das furchtbar schade. Es gibt natürlich auch viele, die genau wie ich denken. Aber das macht es schwierig.

Du warst neulich im Urlaub in der Türkei und hast auf deiner Facebookseite geschrieben „Ich liebe dieses Land“. Das ist ja wahrscheinlich genauso ein ambivalentes Verhältnis?
Die Türkei ist wunderschön. Ich liebe die türkische Kultur ohne Ende. Ich möchte mein Türkisch weiter perfektionieren und weiter lernen. Und ich finde die Menschen einfach toll. Ich bin sehr easy damit. Viele Deutsche sagen, in dieser Situation fahre ich nicht in die Türkei. Das kann ich nicht so ganz verstehen, weil Politik das eine ist. Aber das Land ist für mich eine andere Kiste. Die Mentalität ist mir sehr nah geworden. Ich habe dort das Gefühl, als wäre ich zuhause. Was ich übrigens auch in Deutschland und in Russland habe. Ich habe ganz schön viele Zuhauses.

Liegt das auch an der Sprache? Und: Wie viele Sprachen sprichst du eigentlich? Ich habe gesehen, dass du auch mal Tschetschenisch gelernt hast…
Genau, ich habe viele Sprachen angefangen zu lernen. Auch Albanisch und Tschetschenisch. Russisch, Deutsch, Englisch und Türkisch kann ich. Das sind dann vier Sprachen. Und ich muss wohl bemerken, Türkisch ist am schwächsten und ich vergesse leider auch vieles, wenn ich nicht übe. Aber es liegt nicht so sehr an der Sprache. Es geht darum, dass ich aus meiner Schublade herausgekommen bin und in die türkische Kultur eingetaucht bin. Richtig mit Kopf und allem. Mit Kopftuch, kann man sagen.

Liza Kos live: 20.11. (19.30 Uhr), Takelgarn, Düsseldorf

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