Zum 25. Geburtstag – strenggenommen sogar schon 26. – ihres unvergleichlichen Albums „The Miseducation of Lauryn Hill“ spielt Lauryn Hill erstmalig solo in der größten Konzertarena Deutschlands, der Lanxess Arena in Köln. Zu einem Geburtstag gehören selbstverständlich auch Partygäste, weswegen neben ihr auch noch ihre Söhne Zion Marley, YG Marley und ihr Fugees-Bandkollege Wyclef Jean dabei sind. So war der Gig:
Lauryn Hill: Eine turbulente Geschichte
Wer sich nur ein bisschen für Musiker:innen mit Legendenstatus interessiert, weiß, dass Lauryn Hill wirklich alles andere als einfach ist. Die Gründung ihrer Band Fugees – gemeinsam mit Pras Michel und Wyclef Jean – brachte zunächst nur einen kleinen Achtungserfolg ein, ihre hervorragende Leistung in „Sister Act 2“ dann aber einen kometenhaften Aufstieg, sodass das Nachfolgealbum des Trios „The Score“ zu einem echten Welthit wurde und sich 22 Millionen Mal verkaufte. Doch daraufhin war für gemeinsame Aktivitäten aufgrund persönlicher Differenzen erstmal Schluss.
Das tat Lauryn Hill keinerlei Abbruch, war ihr Solowerk „The Miseducation of Lauryn Hill“ mit 20 Millionen Verkäufen quasi genauso erfolgreich. Als erste Künstlerin gewann sie fünf Grammys in einem Jahr, überall wurde es gefeiert, als wäre es eine wahre Revolution der Black Music. Doch auch hier folgte gerade einmal ein „MTV Unplugged“-Livealbum mit fast ausschließlich neuen Songs – und dann ein wahrer Absturz. Ein Gefängnisaufenthalt wegen Steuerhinterziehung, regelmäßige Konzertabbrüche und -absagen, divenhafte Monologe und unangenehme Auffälligkeiten, sehr viel verlorene Sympathie.
Wenn Lauryn Hill mal wieder in Köln spielt und dann auch noch die Fugees dabei sind
Im besten Licht stand diese aktuelle Tour also vorab nicht, denn schon vor fünf Jahren gab es eine Jubiläumstour, die unter anderem in Deutschland und ebenfalls in Köln hielt, aber sehr viele Zuschauer:innen aufgrund von chaotischen Zuständen enttäuschte. Doch bei einer Fugees-Reunion kann man eben nicht so einfach Nein sagen. Die Verlockung ist zu groß. Allerdings gibt es schon weit vor den Gigs in Europa wieder einen ordentlichen Dämpfer: Pras Michel steht mit Lauryn Hill vor Gericht, weil er behauptet, dass Lauryn einen Großteil der Einnahmen für sich einkassiert und vieles nicht mit rechten Dingen zugeht. Ende vom Lied: Absagen von zig Auftritten in den USA, Europa findet jedoch angeblich weiterhin statt. Nur eben ohne Pras.
Und da geht’s dann ja auch schon los: Zwar ist auf dem Tourplakat Lauryn Hill und ihr Jubiläumsalbum als Hauptact angekündigt, direkt darunter aber eben das Erfolgsalbum von den Fugees abgebildet. Und wenn dann einer von drei Menschen fehlt, ist das schon ärgerlich. Gemischte Gefühle also vor dem Auftritt in Köln. Glücklicherweise stellen sich aber ansonsten fast durchgehend nur good Vibes ein, denn das über zwei Stunden andauernde Konzert zeigt, dass Lauryn Hill als Liveact richtig gut funktionieren kann, wenn denn alle zusammen an einem Strang ziehen.
Ist heute ein guter oder ein eher schlechter Tag?
Während des Einlasses spielt ein lokaler DJ Latin und R’n’B zum Warm-up, was mit den ersten Tanzbewegungen im Publikum wohlwollend angenommen wird. Ein wenig schade, dass der Vorverkauf nicht ganz so überragend lief, sodass der Mittel- und Oberrang abgesperrt werden, dafür dann aber der Innenraum und der komplette Unterrang bis auf wenige Plätze voll ist. Um 20:40 Uhr folgt dann mit DJ Reborn die offizielle Tour-DJane von Lauryn Hill, die gut gelaunt den Mainact anmoderiert und bunte Classics aus der Black-Music-Szene spielt.
Ganz ohne Chaos geht es anscheinend aber dann doch nicht. Bis kurz vorm eigentlichen Beginn bleibt das Saallicht an, die Band betritt random die Bühne, auf einmal werden doch noch Teile der Deko – ein paar sehr große, bunte Sonnenschirme – woanders positioniert und Boxen anders positioniert, die daraufhin einen Teil der Sicht von denjenigen versperren, die im Unterrang am nächsten zur Stage sitzen. Das Intro zeigt mehrere Bilder, die die Unterdrückung schwarzer Menschen symbolisieren, und geht mit sechs Minuten exorbitant lang. Während des Konzerts laufen immer mal wieder Leute durchs Bild, die dort nicht hingehören. Doch um 21:22 Uhr betritt Lauryn Hill in einem extravaganten Kostüm – schwarzer Faltenrock mit Weste und dicker Winterjacke sowie Ketten und großem Filzhut – die Bühne und innerhalb weniger Minuten ist richtig Alarm.
Dank einer neunköpfigen Band, die allein aus fünf Menschen am Keyboard sowie zwei großen Drumsets besteht, und mit drei Backgroundsängerinnen auf ein Dutzend aufgestockt wird, ist der Sound ein derbes Brett. Das klingt voll und erschlagend, ist besonders gen Ende der Show auch einige Male entschieden zu laut und etwas übersteuert. Trotzdem verdammt groovy. Und auch die 49-jährige Sängerin aus New Jersey hat Power mitgebracht, ist permanent im Flow und hat einige empowernde Dancemoves drauf. Stark. Ihr Gesang ist in ruhigen Momenten immer noch voller Soul, jedoch hat die Stimme nicht mehr ganz die Finesse aus den 90ern. Klingt immer noch schön, nur eben nicht mehr ganz so Gänsehaut-erzeugend.
Lauryn Hill und Wyclef Jean: Pure Energy
Leider ist sie auch dieses Mal wieder – so kennt man es eben von vielen Auftritten – unglaublich nörgelig, was den Sound betrifft, den sie hört. So ziemlich die gesamte erste Stunde über nutzt sie jede Sekunde, in der sie nicht singen muss, um zum Tontechniker zu schauen und ihm aggressive Aufforderungen in Form von Bewegungen mitzuteilen, welches Instrument ihr gerade zu laut und welches zu leise ist. Dabei stehen allein acht Monitore um sie herum, die ihr eigentlich genug spiegeln müssen. Dieses Getue stört leider oft die Kommunikation zwischen ihr und dem Publikum, auch wenn sie ansonsten sich in vielen Momenten richtig bemüht, mit den ersten Reihen in Kontakt zu kommen, sehr oft „Germany!“ und „Cologne!“ einstreut und wirklich motiviert wirkt. Interessant auch, dass von ihren drei Features niemand erkennbare Tonprobleme zu haben scheint.
In der ersten Hälfte der Show gibt es elf Tracks aus dem „The Miseducation of Lauryn Hill“-Werk sowie zwei Special-Guests-Blöcke, zu denen erst Zion Marley und dann YG Marley je drei Songs beisteuern. Mit dem Opener „Everything is Everything“ und diversen Feminismus-Megahits wie „Ex-Factor“, „Lost Ones“ und Gospel-Balladen à la „Nothing Even Matters“, ganz besonders aber mit dem Charterfolg „Doo Wop (That Thing)“ gibt es 90s-Hip-Hop und -Soul der Extraklasse, aufgepimpt durch eine starke Bandwand.
Gesteigert wird die solide erste Hälfte jedoch durch eine sehr starke zweite, in der Wyclef Jean dazukommt, der 2024 immer noch genauso klingt wie damals. Er hat mit „911“ einen seiner eigenen berühmtesten Tracks dabei, covert „Maria Maria“ von Santana, den er damals mitproduziert hat und spielt sich gemeinsam mit Lauryn Hill im Duett bis zur Ekstase. Gerade in den Fugees-Songs „How Many Mics“ und „Zealots“ werden die Rap-Skills beider hervorragend zur Schau gestellt und bei dem Dreieck „Killing Me Softly“, „Ready or Not“ und „Fu-Gee-La“ gibt es zum Finale in der gesamten Lanxess wirklich gar kein Halten mehr.
Unvorstellbar, wie gut das Konzert gewesen wäre, wenn sich auch noch Pras Michel eingereiht hätte. So ist es aber dennoch eine gute Vorstellung mit ein paar Einschränkungen, über die man hinwegsehen muss, um dann aber bei manchen Songs ein intensives 90s-Flashback-Gewitter am ganzen Körper zu spären.
Mehr zu Lauryn Hill auf ihrer Website, bei Facebook, Instagram und X.
Mehr zu den Fugees auf deren Website, bei Facebook, Instagram und X.
Keine weiteren NRW-Termine geplant, Deutschlandtermine: 30.10. Berlin, 1.11. Hamburg