Joris spricht über sein neues Album „Schrei es raus“

Foto: Klaus Sahm
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Er ist der Großmeister des grüblerischen Deutschpops. Mit seinem neuen Album „Schrei es raus“ hat Joris noch mal an Schärfe zugelegt. Die Themenfelder Beziehungen, Selbstzweifel und Zuversicht durchstreift er dabei mit graziler Eleganz. Ich habe mich mit dem sympathischen Sänger verabredet. Das Gespräch dreht sich unter anderem um Selbstverantwortung und Heimatgefühle.

Hallo Joris! Angenommen du könntest in eine Glaskugel schauen, wie stellst du dir deine persönliche Zukunft vor?
Hui, da habe ich gar keine Ahnung. Ich hoffe, dass ich weiter das machen werde, worauf ich richtig Lust habe – und wünsche mir außerdem, das ich bis dahin eine Familie gegründet habe. Und hoffentlich trage ich dann noch so viel Optimismus in mir, dass ich weiterhin fröhlich bin.

2018 ist ein Jahr, wo die extremen Ränder immer mehr Zulauf bekommen. Wie gehst du damit um?
Es ist schon extrem unsere Zeit mit den 1920er Jahren zu vergleichen, trotzdem kommt diese Parallele nicht von ungefähr. Natürlich machen mir manche Dinge auch Angst. Ich war in Chemnitz als Zuschauer bei dem #wirsindmehr-Konzert mit dabei. Es ist wichtig Haltung zu zeigen – ich glaube nicht, dass es reicht sich einer Mehrheit im Stillen bewusst zu sein.

Ich persönlich bin immer bereit an das Gute zu glauben.

Sondern?
Es ist unbedingt notwendig, dass die Leute, die in von Neonazis und Extremismus gefährdeten Gegenden in die Minderheit geraten nicht das Gefühl haben, alleine zu sein. Ich glaube, der Großteil unserer Bevölkerung weiß, wie wichtig unsere demokratischen Werte sind. Diese sind über mehrere Generationen hart erkämpft worden. Dieses Verständnis kann sehr schnell kippen – und natürlich macht mir das auch Sorge. Ich persönlich bin immer bereit, Haltung zu zeigen und gleichzeitig bin ich auch immer bereit, an das Gute zu glauben.

Einen Tag nach Chemnitz hat die größte deutsche Boulevardzeitung die News lanciert, dass sich unserer Bundespräsident Frank Walter Steinmeier aus falschen Gründen mit der Band Feine Sahne Fischfilet solidarisiert. Das ist schon nervig, oder?
Na klar. Wenn große Medienhäuser Meinungen herausgeben, die verzerrt sind, stört mich das. Wir alle machen uns schnell Bilder von Dingen und lassen uns dazu verleiten, die Schlagzeilen zu suchen – außer im echten Leben.

Wie kann man das besser machen?
Man ist doch oft gut beraten, wenn man einmal mehr über Dinge nachdenkt, die man raus haut oder ins Netz stellt. Gerade in der jetzigen Zeit sind wir alle aufgefordert mit Ruhe und Sorgfalt zu agieren. Wir werden nur gemeinsam fortbestehen – das bedeutet, dass wir viele Schritte aufeinander zugehen und Hände reichen müssen. Das ist eine große Anstrengung für alle, das ist aber notwendig. Und natürlich gehören alle großen Meinungsbildner auch dazu.

Das Album heißt ja nicht umsonst ,Schrei es raus‘.

Ursprünglich bist du in Vlotho groß geworden. Was bedeutet dir Heimat?
Wenn ich nach Hause zu meiner Mutter fahre, freue ich mich immer auf die Pfannkuchen, die sie dann für mich zubereitet. Allerdings muss ich schon gestehen, dass ich viel zu selten in meiner Heimat Ostwestfalen bin. Im Moment bin ich eigentlich immer nur zu Weihnachten da. Bei uns aus der Ecke in kommt noch der Kabarettist Sebastian Krämer, den schätze ich sehr. Ansonsten ist Vlotho eine sehr kleine, aber schöne Stadt.

Auf dem neuen Album ist die Ausrichtung etwas kräftiger gegenüber dem Debüt ausgefallen. Ist das zufällig so entstanden?
Beim ersten Album haben wir deutlicher darauf geachtet, dass meine Stimme etwas ,weicher‘ klingen darf. Durch die vielen Festivals, die wir in den letzten Jahren gespielt haben, sind wir unter anderem mit Radiohead, Biffy Clyro oder Wolfmother aufgetreten. Diese Bands bringen unfassbar viel Energie mit auf die Bühne – und das war für das neue Album jetzt notwendig, diese großen Momente auch auf die Platte zu bekommen. Das Album heißt ja nicht umsonst ,Schrei es raus‘.

Einer deiner neuen Songs heißt „Glück Auf!“, was verbindest du mit diesem Schlagwort?
Ich hab beim Schreiben von diesem Song viele Bilder und Geschichten aus der Bergmannswelt im Kopf gehabt. Wenn die Kumpel in den dunklen Schacht runterfahren, rufen sie sich „Glück auf“ zu. Und dieser Ruf lässt sich super in das echte Leben übersetzen. Ein paar gute Freunde von mir sind in unterschiedliche Schieflagen geraten – und ein Bild, was in der persönlichen Dunkelheit stattfindet, wollte ich beschreiben: du kommst nicht alleine raus aus deiner betrübten Welt. Du willst aber deine Freunde nicht alleine lassen mit ihrem Kummer und ihnen zeigen, dass du für sie da bist – und widmest ihnen ein herzliches „Glück auf“.

Joris: 2.11., FZW, Dortmund
Wir verlosen 3×2 Karten für dieses Konzert! Hier kannst du teilnehmen.

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