Die Antilopen Gang im Interview: Abstinenz und Antithesen

Foto: Katja Runge
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A wie Antilopen Gang. A wie „Abbruch Abbruch“. Die Hip-Hop-Combo aus Düsseldorf und Aachen bleibt ihrer Alliterationsfreude treu und hat Ende Januar ihr neues Album mit abbruchreifem Titel herausgebracht. Darauf finden sich wortwitzige Kiffer-Bashings genauso wie die Verarbeitung von Suiziden ihrer Wegbegleiter. Wie das klingt, erzählt Gangmitglied Koljah im Gespräch.

Wir sind hier bei JKP, der Schaltzentrale der Toten Hosen. Auf eurem neuen Album habt ihr das Hosen-Stück „Wünsch dir was“ in „Wünsch dir nix“ umgewandelt. Wieso?
Wir neigen dazu, Antithesen zu formulieren. Wir gucken uns Sachen an, die als allgemeine Weisheiten gelten. Die versuchen wir zu entlarven und eine andere Sicht darauf zu geben. Ich finde, auch den Titel „Abbruch Abbruch“ kann man so verstehen. Das ist bei „Wünsch dir nix“ ähnlich. In dem Fall würde ich behaupten, hatten die Toten Hosen nicht ganz Recht, denn die Zeit, in der das Wünschen wieder hilft – ich glaube nicht, dass sie kommen wird. Es heißt in dem Lied auch „wieder“. Auch das wage ich zu bezweifeln und das haben wir klargestellt. Das hätte ich vor zehn Jahren so gesehen und würde es in zwanzig Jahren wahrscheinlich genauso sehen. Ich bin da ein bisschen unromantisch veranlagt. Wobei interessant ist: Ich habe das Lied Campino vorgespielt, der es sehr witzig fand. Er hat mir erzählt, dass das Lied damals, Anfang der Neunziger, ironisch gemeint war in Bezug auf die Zeit nach der Wende. Als Helmut Kohl Deutschland blühende Landschaften versprochen hat. So gesehen liefern wir eigentlich eher die Antithese dazu, wie das Lied aufgenommen wurde.

„Wein zu Wasser“, „Lied gegen Kiffer“: Wie ernstgemeint sind eure abstinenten Songs?
Es ist unterschiedlich. Bei mir ist es tatsächlich ernstgemeint. Ich bin, was Drogen und Alkohol angeht, abstinent seit 2016. Ich persönlich habe einen kompletten Schlussstrich gezogen. Weil ich an einem Punkt war, an dem ich gemerkt hab, ich will das so nicht mehr. Ich sehe es auch immer noch als die richtige Entscheidung an. Da bin ich aber der Einzige in der Gang. Kiffen tut keiner von uns, aber was Alkohol angeht, sind die anderen immer wieder gut dabei. Kann sein, dass es nicht mehr so ist, wie es vor ein paar Jahren war, wo es sein konnte, dass wir sturzbetrunken auf die Bühne fallen. Wir sind ein bisschen disziplinierter, aber es gibt auch immer wieder Ausbrüche und Exzesse. Da bin ich dann der Einzige, der den Überblick behält.

Dorfplätze beschreibt ihr auf dem Album als Zentren des Bösen. Wieso?
Es geht im Lied darum, dass man eine Zwangsgemeinschaft hat, die repressive Züge hat. Das hat viel mit Kontrolle zu tun. Jeder weiß immer, was jeder macht. Man redet übereinander. Es gibt vorgefertigte Dorfbiografien. Alle, die da nicht reinpassen, werden im Prinzip sanktioniert. Denen kann man nur ganz schnell raten, in die Stadt zu ziehen. Wir wollten ein Gegengewicht abbilden, dass die Stadt und ihre Anonymität etwas Schlechtes wären. Ich glaube, die Anonymität der Großstadt ist die Voraussetzung, dass man sich frei entfalten kann und nicht gezwungen ist, sich die ganze Zeit der Überwachung seiner Nachbarn auszusetzen. Man hat die Möglichkeit, in der Stadt seine Biografie neu zu starten, neu zu gestalten. Natürlich kann es einem in der Stadt auch scheiße gehen und man kann große Probleme kriegen. Es gibt ja auch so etwas wie Klassenstrukturen. Aber die Stadt bietet zumindest die Möglichkeit. Im Dorf hat man es schwer, das ist eine unangenehme Gemeinschaftswelt.

Habt ihr Dorferfahrungen?
Ich selbst nicht, aber meine Bandkollegen. Die sind beide in ihrer Kindheit und Jugend auf dem Dorf gewesen und sprechen aus eigener Erfahrung. Ich bin Düsseldorfer. Ich rede da eher analytisch drüber.

Foto: Nadine Sole

Es gibt immer wieder Brüche bei uns.

Welche Rolle spielen Brüche oder Neuanfänge für euch als Band? Stichwort: „Abbruch Abbruch“
Es gibt immer wieder Brüche bei uns. Ob in der Biografie, bei persönlichen Entscheidungen, oder natürlich der große Bruch in unserer Bandgeschichte, als NMZS sich das Leben genommen hat. Wie die Antilopen Gang funktioniert und sich entwickelt, hat sich danach noch mal verändert. Wir haben danach beschlossen und es geschafft, uns zu professionalisieren und nur noch zu dritt in Erscheinung zu treten. Es war vor 2013 gar nicht immer so, dass wir wie eine klassische Band immer alles zusammen machen wollten. Es war eher so ein loser Haufen. Du könntest das sogar im Kleinen so sehen, dass auch Songs von uns oftmals einen Bruch haben. Wir tun uns immer schwer damit, wenn ein Lied sehr simpel und vorhersehbar ist. Hier und da haben wir solche Lieder gemacht. Aber oft wird das spätestens in der letzten Strophe gebrochen und man versucht, noch etwas Unerwartetes passieren zu lassen.

Ihr habt dem Besitzer der Kneipe Abraxas in Düsseldorf, der sich 2017 das Leben genommen hat, ein Lied gewidmet. Da schließt sich der Kreis mit dem Anfangsstück, das Bezug auf NMZS‘ Selbstmord nimmt. Wieso habt ihr euch für diese Klammer entschieden?
Für uns gehören die beiden Lieder zusammen. Das waren die ersten beiden Songs, bei denen klar war, die müssen aufs Album. Es war nicht von Anfang an klar, dass wir mit „2013“ anfangen, oder dass wir das als erste Single veröffentlichen. Aber im Laufe der Zeit ist die Idee entstanden. Das ist für die Antilopen Gang ein sehr untypischer Einstieg in ein Album. Und dann gab es eigentlich gar keine andere Möglichkeit, als dass „Abraxas“ der letzte Song ist. Da schließt sich ein Kreis. In gewisser Weise schließt das Album auch mit einer Beschreibung von 2013 und 2014. Es ist die gleiche Zeit, die aus einer anderen Perspektive beleuchtet wird. „Abraxas“ ist ein sehr bedrückendes Lied. Wir fanden es gut, damit einfach den Schlusspunkt zu setzen. Als letzten Song haben wir immer gerne ein schweres Lied. Wir wollten dem Abraxas ein Denkmal setzen. Und wir lassen den Hörer etwas betreten zurück. Damit macht man es ihm nicht leicht, aber ich finde das eine gute Herangehensweise.

In der Pressemitteilung zum Album heißt es, ihr klingt jetzt so, wie ihr immer klingen wolltet. Wie wolltet ihr immer klingen? Und wie klingt ihr?
Es ist immer ein bisschen blöd, seine eigene Musik so zu beschreiben. Aber es geht schon um die musikalische Seite. Bei den Alben „Aversion“ und „Anarchie und Alltag“ haben wir alles selbst gemacht. Wir sind aber limitiert in unseren Fähigkeiten. Es gibt einen Punkt, an dem es uns fehlt, dass wir professionelle Produzenten sind. Wir haben es gut hinbekommen, aber der Wunsch, dass ein Profi hilft, war schon immer da. Das hat erst bei dieser Platte funktioniert. Wir haben mit COW, einem Produzententeam aus München, an der Platte gearbeitet. Das musikalische Grundgerüst kam wie immer von uns. Aber dieses Mal hat es geklappt, dass wir Leute gefunden haben, mit denen wir uns gut verstehen, die uns Input geben können und mit denen wir die Sachen ausproduzieren und ausarbeiten können. Da konnten wir ne Schippe drauf legen und unseren Sound aufpimpen. Deshalb finde ich, ist es musikalisch auch unsere beste Platte.

Antilopen Gang: 14.8. (verschoben vom 14.3.), E-Werk, Köln

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