Internationales Frauenfilmfestival: Maxa Zoller im Interview

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Maxa Zoller ist der neue Kopf des Internationalen Frauenfilmfestivals, das jährlich wechselnd in Dortmund und Köln stattfindet. Vor dem Amt als Festivalleiterin war sie als freie Filmkuratorin und Dozentin für Experimentalfilmgeschichte in Kairo tätig. Im Gespräch mit uns verrät sie, was sie an ihrer neuen Heimat schätzt, welche Impulse sie zum Festival mitbringt und welche Visionen sie für die Zukunft des Films hegt.

Frau Zoller, was haben Sie als Erstes getan, als Sie erfahren haben, dass Sie die Leitung des Frauenfilmfestivals übernehmen werden?
Da saß ich gerade in einem Café in Kairo und habe per WhatsApp die Nachricht bekommen, dass man mich noch mal telefonisch sprechen will. Da war mir schon klar, dass es geklappt hat. Ich habe meinen Cappuccino ausgetrunken, bin auf dem Rad nach Hause zur meiner Familie gefahren und ja, ich glaube, dann habe ich erst mal eine Träne verdrückt (lacht).

Sie sind für das Festival direkt von Kairo nach Dortmund gezogen. Welche Art von Kulturschock erlebt man da?
Da bräuchte ich ein Wort, das Schock positiv beschreibt. Ich bin im Altweibersommer hergekommen und war direkt angetan von der klaren Luft, dem frischen Wasser und der Ruhe vor dem lauten Verkehrschaos Kairos. Ich fühlte mich, als seien Kopf und Geist in einen gesunden Zustand versetzt worden. Nur wie früh die Läden schließen, war gewöhnungsbedürftig.

„Sehen Sie im Kino oder Fernsehen wirklich, was die deutsche Bevölkerung ausmacht? Nein!“

Warum wollten Sie denn zum Frauenfilmfestival?
Einerseits sah ich hier die Möglichkeit, meine Erfahrung und Expertise einem breiten Publikum zu zeigen. Ich beschäftige mich schon lange mit Film im akademischen Bereich, womit ich aber nur eine relativ kleine Zielgruppe erreiche. Andrerseits reizte mich, wie klar definiert die politische Nische ist, in der das Festival arbeitet. So kann man die gewählten Kampfplätze gut bespielen. Tatsächlich hat mich aber auch der Standort angesprochen. Ich hatte schon seit zwei Jahren so eine Vorahnung, dass ich in den Ruhrpott komme… als mir eine Freundin die Anzeige über Facebook weiterleitete, wusste ich: Das ist eine Geste des Schicksals.

Ihre Vorgängerin Silke J. Räbiger hat das Festival 30 Jahre lang begleitet – ziemlich große Schuhe zum Füllen. Kommt da Nervosität auf?
Ehrlich gesagt: Ja! Es ist das erste Mal, dass ich lerne, ein Auto zu fahren und es gleichzeitig über die Straße lenken muss. Gegenüber dem Festival verspüre ich aber keine Nervosität, ich habe Vertrauen in das Programm und das tolle Team, das ich geerbt habe.

 

Filmstill aus „Dykes, Camera, Action!“ | Foto: IFFF

 

Welche neuen Impulse bringen Sie mit zum Frauenfilmfestival?
Wichtig ist mir etwa, Diversität noch mehr hervorzuheben. Wir leben in einem Land mit internationalem Kontext, aber davon spiegelt sich wenig auf den Leinwänden wider. In Zukunft will ich auch das Thema Klasse ansprechen – um verbindlicher über gesellschaftliche Themen zu reden. Klasse ist ein Begriff, mit dem sich Deutsche unwohl fühlen, aber das Thema muss auf den Tisch.

Das aktuelle Motto des Festivals heißt „Bilderfallen: Täuschungen, Tarnung, Maskerade“. Warum dieses Thema?
Aus akademischer Sicht geht es darum, dass man die Werte des Zeitalters der Moderne, von dem wir uns ja gerade verabschieden, ins Schwanken bringt und umdenkt. Eine Bilderfalle ist etwas, was die Wahrheit als Illusion darstellt, zumindest für einen Moment. Dem Publikum bringen wir diese Ideen näher, indem wir Filme zeigen, die wie Rätsel funktionieren. Es sind knifflige Geschichten, an deren Ende man erst merkt, dass man die ganze Zeit veräppelt wurde. Der Zuschauer soll nachher ein neues Gefühl für Filmkultur haben, soll hinterfragen, soll aktiv agieren, statt nur zu konsumieren.

Im Februar waren Sie auf der Berlinale beim Event „Gender, Genre and Big Budget“ vertreten. Was war die wichtigste Erkenntnis, die Sie aus den dortigen Diskussionen mitgenommen haben?
Hier hat natürlich Berlinale-Direktor Dieter Kosslick die Verpflichtung unterschrieben, bis 2020 Leitung und Gremien paritätisch zu besetzen. Persönlich berührt hat mich zudem ein Satz aus der Diskussion mit Hollywood-Produzentin Gale Anne Hurd („Terminator“, „Aliens“ u. a.), die erzählte, dass immer wenn einer ihrer Filme gefloppt ist und keiner mehr ihre Anrufe annahm, es alte Freundinnen und Bekannte waren, die sie wieder aus dem Loch herausgeholt haben. Netzwerke und Freundschaften im Beruf sind für Frauen besonders wichtig.

Für manche Leute ist das Wort „Quote“ ja gleich ein Reizthema …
Der internationale Erfolg gibt jeder Quote Recht. Das ist nur ein Reizthema für diejenigen, die auf dem Thron sitzen und nicht runter wollen.

Auf die Frage, warum Frauen im Mainstream-Kino unterrepräsentiert sind, antwortete Ihre Vorgängerin Frau Räbiger vor zwei Jahren, es liege an etablierten Sehgewohnheiten. Haben die sich inzwischen verändert?
Ich würde weitergehen und vom Visuellen auf den Inhalt gehen. Es sind Gewohnheiten, welche Geschichten wir hören. Wenn man eine Frau in eine Männerrolle setzt oder eine weiße Frau im Skript mit einer Schwarzen austauscht, haben sich die Machtverhältnisse noch nicht geändert. Erst wenn die Geschichten anders geschrieben werden, ändert sich etwas.

Der Aufstieg der Streaming-Dienste begünstigt aktuell eine Menge an neuen Film- und Serienproduktionen. Sehen Sie darin eine Chance für eine vielfältigere Filmlandschaft oder die Gefahr von Filterblasen?
Als rheinische Frohnatur sehe ich die Dinge gerne positiv. Ich bin sehr interessiert daran zu sehen, welche Formen daraus entstehen. Wenn die Vorherrschaft des Kinos ins Wackeln gerät, entstehen daraus neue Möglichkeiten. Aber dass die Lindenstraße abgesetzt wurde, bedauere ich schon …

Wo sehen Sie generell die Zukunft des Films. Im Kino, Stream, Museum?
An der Frage nach Formaten beißen sich alle die Zähne aus. Es muss bald der Zeitpunkt kommen, wo der Korken poppt – was dann entsteht, können wir uns im Moment noch gar nicht vorstellen. Ich träume von einem Raum mit Multi-Leinwänden, der vom Inhalt her eine breite Masse von Gesellschaft anzieht, weil er sie abbildet.

Was werden das für Inhalte sein?
Inhalte mit Diversität! Sehen Sie im Kino oder Fernsehen wirklich, was die deutsche Bevölkerung ausmacht? Nein! Das kann man besser an der Anzeigetafel im Dortmunder Flughafen ablesen. Das muss sich ändern.

Internationales Frauenfilmfestival: 9.–14.4., versch. Orte, Dortmund
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