Bei Großkonzerten und im Club, beim Kabarettabend und sogar beim Klavierkonzert zücken immer wieder Besucher ganz ungeniert ihre Smartphones, um Fotos zu machen oder mitzufilmen. Mittlerweile sind die Künstler so genervt davon, dass einige aktiv gegen Smartphone-Süchtlinge vorgehen. Aber sind Handy-Verbote überhaupt dauerhaft durchsetzbar?
Als der US-Musiker Jack White (Ex-White Stripes) Anfang des Jahres über seine Social-Media-Kanäle ankündigte, dass Handys bei den Konzerten seiner Tour verboten wären, stieß das bei den Fans zugleich auf Empörung wie auch auf Verständnis. Zustimmung erfuhr White allerdings auch durch deutsche Musiker. Zum Beispiel durch Bela B., Schlagzeuger der Band „Die Ärzte“, der sich aus Sicht eines Konzertbesuchers äußerte. „Bevor einer über mimosige Musiker meckert, ich als Zuschauer habe einfach keinen Bock mehr, ständig in irgendwelche Bildschirme zu gucken!“, so Bela B.
Der Widerstand gegen Smartphones bei Konzerten wächst seit Jahren stetig. Egal, ob nun bei Auftritten von weniger bekannten Bands oder bei den Gigs internationaler Superstars. Bei einer Reihe von Musikern, die zum Teil auch aktuell auf den großen Bühnen der Region zu sehen sind, sind Handys längst tabu. A Perfect Circle setzen auf Konzerten das Film- und Fotoverbot schon längere Zeit um. Wer hier das Handy zückt, wird umgehend rausbefördert. Bei Konzerten von The Queens of the Stone Age, Adele, Alicia Keys und Guns N‘ Roses gilt ebenso das totale Handyverbot. Auch US-Rapper Kendrick Lamar und die Kölner Indie-Band AnnenMayKantereit wollen neuerdings keine Smartphones mehr auf ihren Konzerten sehen.
Die Forderungen der Musiker umzusetzen, ist Sache der Veranstalter. So waren auch im Juni der Bonner Konzertveranstalter Ernst Ludwig Hartz und seine Mitarbeiter der Agentur Hartz Promotion in der Pflicht, als die Rockband King Crimson zwei Konzerte in Essen gab. „Bei den Konzerten der Band herrscht immer Handyverbot, aber die Künstler sagen auch im Vorfeld, dass sie sich nach Ende des Konzertes auf die Bühne stellen. Da darf dann jeder Fotos von ihnen machen“, sagt Ernst Ludwig Hartz. Der Veranstalter kann Handyverbote nachvollziehen: „Es geht schließlich um die Musik und es ist störend, wenn ein anderer Besucher das komplette Konzert filmt und dabei die ganze Zeit vor einem steht.“ Bei den King Crimson-Konzerten würden die Besucher auf das Foto- und Filmverbot hingewiesen, aber Smartphones am Einlass nicht eingesammelt, erläutert Hartz. Die Security sei angewiesen, notfalls Besucher aus dem Saal zu begleiten, die sich nicht an das Verbot halten. Dieses Vorgehen ließe sich bei bestuhlten Konzerten jedoch besser umsetzen als bei einem unbestuhlten Großkonzert, meint Hartz. Dass irgendwann mal ein flächendeckendes Verbot von Mobiltelefonen auf Veranstaltungen durchsetzbar wäre, glaubt er aber nicht.
Das von Künstlern geforderte Handyverbot bei Rock-und Popkonzerten ist längst auch ein Thema, das von Technik-Unternehmen aufgegriffen wurde. So kommen bei einigen Großveranstaltungen mittlerweile die Handytaschen des US-Anbieters „Yondr“ zum Einsatz. Die Konzertbesucher bekommen am Eingang spezielle Taschen, die einmal übers Mobiltelefon gestülpt, dieses unbrauchbar machen. Einschalten lassen sich die Geräte dann während des Konzerts nur noch an besonderen Terminals außerhalb des Veranstaltungsbereichs. Die Taschen sollen am 14. Oktober auch bei dem Jack White-Konzert in der Warsteiner Music Hall in Dortmund zum Einsatz kommen. Veranstalter des Gigs ist das Konzertbüro Schoneberg aus Münster. Anders als im Dortmunder Süden hat man im FZW noch keine Erfahrungen mit Künstlern, die Handys auf ihren Konzerten verbannen wollen gesammelt, wie Matthias Schmidt vom FZW sagt. „Grundsätzlich kann ich es nachvollziehen, dass Menschen einen emotionalen Moment für sich selber festhalten wollen, respektive diesen dann mit Leuten teilen wollen, allerdings sind dann die Ergebnisse, aus meiner Sicht eher enttäuschend“, so Schmidt. Zwar habe die Technik in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht, was die Wiedergabe von Musik und Filmen anbelangt, allerdings sei er immer noch der Auffassung, dass ein wirkliches Live-Erlebnis, mit allem was dazugehört, einmalig ist und (zumindest derzeit) nicht replizierbar wäre. „Ich finde es natürlich auch eher befremdlich, wenn in den ersten drei, vier Reihen vor der Bühne alle ihr Telefon in der Hand haben und damit dann die Bühne abfilmen.“
„Ich finde es befremdlich, wenn die ersten Reihen die Bühne filmen.“
Nicht nur Musiker, sondern auch Comedians sehen rot, wenn Auftritte von Besuchern gefilmt werden und im Netz landen. Schließlich sind Live-Mitschnittte auf DVD oder Blu-Ray bei diesen Künstlern eine wichtige Einnahmequelle, wie Fred Handwerker, von der Promotion Agentur Handwerker in Unna, bestätigt. „Es hat für Comedians essentielle Nachteile, wenn Programme einer Tour im Internet veröffentlicht werden“, sagt Handwerker. 2016 hatte seine Agentur einen Auftritt des Comedians Kevin Hart in der Berliner Mercedes Benz Arena veranstaltet. Dort musste das vom Künstler verhängte Handyverbot konsequent durchgesetzt werden, was mit hohem Aufwand verbunden war. „Wir haben die Besucher vorab über alle Kanäle informiert; das Verbot wurde über einen Hinweis auf dem Ticket, Social Media und im Internet sowie an die Presse kommuniziert. Während der Einlass-Situation wurden die Besucher mit Aushängen und einer Durchsage im Saal auf das Handy-Verbot hingewiesen. Nur vermehrte Kontrollen durch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitsleuten während der Veranstaltung konnten die Umsetzung gewährleisten.“ Dass ein generelles Handyverbot bei Konzerten in absehbarer Zeit kommen wird, hält Fred Handwerker für durchaus möglich. „Die Live-Erfahrung – egal, ob beim Musik-Konzert oder bei einer Comedy-Show – wird enorm durch Handys geschmälert“, so Handwerker.