Vom Liebesbrief zur Krankmeldung: Bürger*innen können Wunschtexte in Auftrag geben
Ab sofort können Bürgerinnen und Bürger beim Büro für außerordentliche
Schreibangelegenheiten (BFAS) Texte auf Wunsch bestellen. Mitten in Haltern
am See installieren die Autorin Caren Jeß und der Autor Tim Holland am 6.
März ihr Büro für außerordentliche Schreibangelegenheiten (BFAS) und stellen
ihre schriftstellerische Expertise der Öffentlichkeit zur Verfügung: Jede*r kann
bei ihnen Wunschtexte in Auftrag geben, die sie direkt vor Ort auf einem
Medium nach Wahl verfassen – mit Stift und Papier, auf einer
Schreibmaschine, am Computer oder per SMS. Die beauftragten Arbeiten
können vieles beinhalten: von liebevollen Beschimpfungen über
Krankmeldungen oder Gute-Nacht-Geschichten bis hin zu Einladungen,
(Liebes-)Briefen, Einkaufslisten oder Beschwerden. Ausgangspunkt des
Textauftrags ist ein kurzer Fragebogen. Im Vorfeld bietet Tim Holland auch
eine Telefonsprechstunde an. Zum Abschluss tragen die dienstleistenden
Autor*innen die anonymisierten Ergebnisse in einer Lesung vor.
Schreiben in Haltern am See ist die achte Veranstaltung der Grand Snail Tour
von Urbane Künste Ruhr. Textwünsche werden vor Ort oder vorab unter
grandsnailtour@urbanekuensteruhr.de entgegengenommen.
Datum: Donnerstag, 6. März 2025
Uhrzeit: 11:00 – 17:30 Uhr, Pause von 13:00 – 14:00 Uhr
Ort: Marktplatz, 45721 Haltern am See
Beteiligte in Haltern am See
Künstlerische Aktion: Büro für außerordentliche Schreibangelegenheiten
(BFAS), Caren Jeß und Tim Holland
Kunst am Trailer: Kasia Fudakowski, Lütfiye Güzel, Anna Haifisch, Nils
Norman
Local Support: Seniorenbeirat Haltern am See
Programm
11:00 – 13:00 Uhr, 14:00 – 17:00 Uhr: Büro für außerordentliche
Schreibangelegenheiten (BFAS)
17:15 – 17:30 Uhr: Bürolesung, Caren Jeß und Tim Holland
Tim Holland lebt als Autor, Literaturvermittler und Verleger in Berlin. In
seinem jüngsten Gedichtband wir zaudern, wir brennen (Matthes & Seitz
Berlin, 2022) erforscht er neue Formen des Zusammenlebens in einer nahen
Zukunft. Er leitet Schreibwerkstätten und konzipiert Literaturveranstaltungen.
Seit 2017 ist er Co-Verleger des hochroth Verlags München.
„Ich glaube an Literatur als soziale Praxis, dass sie ein Raum ist, der
erst gemeinsam entsteht. Literatur ist ein Kommunikationsraum (und
vielleicht auch -anlass), in dem wir einander über unsere Erfahrungen
und Weltwahrnehmungen berichten können, wir uns nah sein oder
streiten können. Wobei die ästhetische Gestaltung eine weitere
Kommunikations- und Erfahrungsebene herstellt.“ (Tim Holland)
Caren Jeß studierte Deutsche Philologie und Neuere deutsche Literatur in
Freiburg und Berlin. 2017 gewann sie den Else-Lasker-Schüler-Preis für ihr
Stück Der Popper und den Preis der taz-Publikumsjury des 26. open mike für
Die Ballade von Schloss Blutenburg. 2023 gewann sie für das Stück Die Katze
Eleonore in der Produktion des Staatsschauspiel Dresden den Mülheimer
Dramatikpreis sowie den Publikumspreis der Mülheimer Theatertage. Caren Jeß
lebt in Dresden.
„Wüsste ich immer schon vorher, was ich sagen will, würde mein Job
mich langweilen. Schreiben ist nicht allein deep thinking, klein bloß
geplanter Prozess, sondern bietet immer auch die Möglichkeit,
unvorhergesehene Abzweigungen zu nehmen. Und Wege enden nicht
an einem Punkt, nur weil wir über ihn nicht hinausdenken können.
Schreiben ist emotional und dadurch automatisch von Spontaneität
geprägt. Da passiert plötzlich etwas im Text, das man nicht kommen
sah. Ich liebe das.“ (Caren Jeß)
Kunst am Trailer
Einen wesentlichen Bestandteil der Grand Snail Tour bildet ein – sich nach und
nach erweiternder – Pool an Arbeiten internationaler Künstler*innen, die
individuell vor- und ausgestellt, vor allem jedoch tatsächlich benutzt werden.
Sie leuchten von Weitem, wärmen oder schützen vor Regen, laden zum
Verweilen, zum Austausch und zur Auseinandersetzung ein – und vieles mehr.
Die Bürocontainer-Ausstattung samt Zimmerpflanze wird diesmal ergänzt
durch die Tablescapes von Nils Norman, die Palliative Patterns von Kasia
Fudakowski, die wärmende Decke Kleine orange Schnecke von Anna Haifisch
sowie das aktuelle Local Blackout von Lütfiye Güzel, das auf einer poetischen
Auswertung der Haltener Zeitung basiert.
Palliative Patterns – Kasia Fudakowski
Als Gründungsmitglied von The Association for the Palliative Turn (APT),
einer Gruppe, die sich selbst als „palliativ neugierig“ bezeichnet, beschäftigt
sich Kasia Fudakowski in ihrem für die Grand Snail Tour entstandenen Projekt
mit der Frage, wie wir – anstelle der allgegenwärtigen Verdrängung – mit dem
Wissen um unsere Sterblichkeit umgehen können. In ihrer Arbeit Palliative
Patterns: Gehirn-Aneurysma, Lewy-Körperchen-Demenz und
Arteriosklerose verwendet sie histologische Krankheitsbilder, vervielfältigt und
spiegelt deren Details, um faszinierende, komplexe Muster zu schaffen.
Local Blackouts – Lütfiye Güzel
Lütfiye Güzel, 1972 in Duisburg geboren, publiziert seit 2014 Gedichte unter
ihrem eigenen Label go-güzel-publishing. 2017 erhielt sie den Literaturpreis
Ruhr. Ihre Local Blackouts sind eine poetische Auswertung örtlicher
Nachrichten. Durch das Ausstreichen und Schwärzen von Textpassagen in
Lokalzeitungen und -beilagen lässt Güzel nach und nach 53 Gedichte für die
Grand Snail Tour entstehen.
Kleine orange Schnecke – Anna Haifisch
Anna Haifisch arbeitet in ihrem Werk mit visuellen und erzählerischen
Elementen aus Design, Comic- und Kunstgeschichte. Die von ihr für die Grand
Snail Tour gestaltete Decke Kleine orange Schnecke lässt ihre Hauptfigur von
einer ebensolchen träumen und ist ein fester Bestandteil des Trailers in den
kalten Herbst- und Wintermonaten. Sie spendet Publikum und Mitwirkenden
Wärme bei Wind und Wetter.
Tablescapes – Nils Norman
Nils Norman arbeitet interdisziplinär in den Bereichen öffentliche Kunst,
Architektur und Stadtplanung. Inspiriert von lokaler Politik und Ideen zu
anderen ökonomischen und ökologischen Systemen hinterfragen seine Projekte
spielerisch und mit Humor die gängigen Vorstellungen in allen drei Bereichen.
Seine für die Grand Snail Tour entstandene Serie von Tischen basiert auf
angeschnittenen Fassadenfotos unterschiedlicher Architekturtypen in der
Region. Mit klappbaren Gestellen ausgestattet, verbinden sie Ideale der
Nützlichkeit und Flexibilität mit einer lokalen, individuellen und geradezu
barocken Ausgestaltung.
Chronik
Begleitet wird die Grand Snail Tour von Künstler*innen, die Eindrücke in der
jeweiligen Stadt sammeln und diese visuell oder literarisch ins Bild setzen. So
entsteht allmählich eine vollständige Reisechronik: ein Kaleidoskop an
Momentaufnahmen aus den 53 Städten der Region.
Chronistin in Haltern am See: Luna Ali
Die Grand Snail Tour 2024 – 2027
Die Grand Snail Tour ist ein mobiles Aktions- und Ausstellungsprojekt, das im
Verlauf von drei Jahren durch alle 53 Städte und Gemeinden des Ruhrgebiets
reist. Das Projekt widmet sich experimentell und innovativ wichtigen Fragen
des gesellschaftlichen Zusammenlebens: Wem gehört der öffentliche Raum und
wie können wir Orte der Zusammenkunft schaffen oder bestehende Räume
aktivieren? Welche Rolle spielt Kunst dabei? Wie kann Kunst zu den Menschen
kommen, statt nur geduldig auf sie zu warten? Die Grand Snail Tour möchte
vielfältige Eindrücke hinterlassen, gemeinsame Erfahrungen anbieten und zum
Mitreisen einladen.
Die nächste Station ist am 27. März Oer-Erkenschwick.
Die Grand Snail Tour endet voraussichtlich im Oktober 2027 in Herne.
Urbane Künste Ruhr – über uns
Urbane Künste Ruhr ist eine vielgestaltige, dezentrale Institution für
Gegenwartskunst im Ruhrgebiet. Neben Ruhrtriennale, Tanzlandschaft Ruhr
und Chorwerk Ruhr ist Urbane Künste Ruhr Teil der Kultur Ruhr GmbH mit
Sitz in Bochum, deren Gesellschafter und öffentliche Förderer das Land
Nordrhein-Westfalen und der Regionalverband Ruhr sind.
Alle Infos:
Datum: Donnerstag, 6. März 2025
Uhrzeit: 11:00 – 17:30 Uhr, Pause von 13:00 – 14:00 Uhr
Ort: Marktplatz, 45721 Haltern am See