Ein Leib-und-Magen-Thema im wahrsten Sinne des Wortes hat sich Monika Röttgen in ihrem neuen Buch vorgeknöpft: Unsere klimaschädliche Ernährung. Allseits beliebt wird sich die Dortmunderin damit wohl nicht machen, rangiert das Thema bei vielen doch gleich hinterm Tempo-Limit auf deutschen Autobahnen. Ernährung ist ein Bereich, in den sich die Deutschen nur äußerst ungern reinquatschen lassen. Die Autorin versucht’s trotzdem, mit schlagkräftigen Argumenten im Gepäck.
Eines vorweg: „Die klimafreundliche Küche“ ist kein reines Kochbuch, wie man angesichts des Titels annehmen könnte, sondern ein Ratgeber. Mit beunruhigenden Umwelt-Fakten, leckeren Lebensmittel-Alternativen und vielen Alltagstipps versucht Monika Röttgen, Menschen den Umstieg auf eine klimaschonendere Ernährungsweise schmackhaft zu machen. Rezepte gibt‘s auch, aber erst in der zweiten Hälfte des rund 290 Seiten starken Buchs. Das erste Drittel widmet die Autorin der Frage nach dem Warum. Warum sollten wir überhaupt auf Fleisch verzichten, mehr Gemüse essen und regionale Produkte kaufen? Vieles, was Röttgen dabei präsentiert, ist nicht neu: Für billiges Palmöl wird der Regenwald abgeholzt, der Avocado-Anbau verschlingt Unmengen an Wasser und die Massentierhaltung erwärmt unser Klima durch hohe Methan-Emissionen. So weit, so bekannt – in der geballten Form aber trotzdem erschreckend.
Kartoffel ist nicht gleich Kartoffel
Dazwischen tischt die Autorin überraschende Einspar-Potenziale auf: Wie etwa, dass ein Kilo Pommes die Umwelt CO2-technisch fast 30 mal mehr belastet als die gleiche Menge an Salzkartoffeln. Oder dass der Reisanbau für 10 bis 17 Prozent des weltweiten Methan-Ausstoßes verantwortlich ist. Überhaupt macht Röttgen deutlich, dass sich in Sachen klimafreundlicher Ernährung nur wenige pauschale Aussagen treffen lassen. Der Teufel steckt mal wieder im Detail: So ist zum Beispiel eine Bio-Tomate nicht per se klimafreundlich, weil auch sie häufig aus dem Gewächshaus stammt. Ein weitgereister Apfel aus Neuseeland hat je nach Jahreszeit eine bessere Klimabilanz als ein heimischer Apfel aus dem Kühlhaus. Und bei der Verteufelung von Palmöl rät die Autorin ebenfalls zur Vorsicht. Denn würde man die sehr ertragreiche Ölpalme komplett durch andere Pflanzen ersetzen, hätte dies einen stark erhöhten Flächenbedarf zur Folge, der wiederum die Treibhausemissionen in die Höhe schrauben würde.
Appetitliche Aufmachung
Hervorhebenswert ist die sehr lesefreundliche und optisch ansprechende Aufmachung des Buchs. Infos werden in gut verdaulichen Häppchen präsentiert. Bunte Grafiken sowie Diagramme veranschaulichen trockene Zahlen und kurze Infoboxen sorgen für zusätzliche Orientierung. Auch sprachlich ist der Ratgeber alles andere als trocken. Er punktet mit knackigen Formulierungen und heiteren Wortspielen. Zudem klemmt sich Röttgen den moralischen Zeigefinger und setzt stattdessen auf die Überzeugungsmacht der Fakten. An einigen Stellen schießt sie mit ihren sprachlichen Spielereien aber übers Ziel hinaus: Mögen Formulierungen wie „das Klima kocht über“, „Sei hip, sei tan!“ oder „Reis, not nice“ wohl dosiert eingesetzt noch Freude bereiten, in der Masse sind sie doch eher nervig.
Grünkohl-Granate
Die hartgesottene „Fleisch ist mein Gemüse“-Fraktion wird Röttgen mit ihrem Buch vermutlich nicht erreichen. Schon gar nicht mit exotisch anmutenden Rezepten wie etwa den „Mangold-Röllchen mit Lupinenfülle“ oder der „Grünkohl-Granate“, einem Smoothie, der neben Grünkohl auch Vogelmiere enthält. Aufgeschlossene Menschen finden aber viele Denkanstöße und Tipps, um klimafreundlicher den Kochlöffel zu schwingen. Denn wie Röttgen anhand dutzender Beispiele aufzeigt, machen unsere Konsum-Entscheidungen in der Masse den
Kohl eben doch fett.
Monika Röttgen: Die klimafreundliche Küche; 2020, 288 Seiten, Freya
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